Der Mann, der GELD VERLOST

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Klaus würde seine Schulter operieren lassen, Petra mal auf Urlaub fahren und Thilo ein Jahr schuldenfrei studieren. Markus würde ein soziales Projekt unterstützen, Madlen mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen und Florian würde besser schlafen. Besser, da sind sie sich einig, wäre ihr Leben auf jeden Fall, wenn sie 1000 Euro zusätzlich im Monat zur Verfügung hätten. Mit etwas Glück bekommen Klaus, Petra, Madlen oder Florian am 1. Oktober ihren ersten Tausender überwiesen. Denn drei, vielleicht sogar vier Menschen, die sich in den letzten Wochen auf der Internet-Plattform "mein-grundeinkommen.de" angemeldet haben, bekommen bald ein Jahr lang monatlich 1000 Euro geschenkt.

12.000 Euro ohne Bedingungen

Möglich macht das Michael Bohmeyer, 29, der die Webseite ins Leben rief, und das Geld, das es zu verteilen gibt, zusammensammelt. Seit fünf Jahren beschäftigt sich der Berliner mit dem Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens, von Anfang an begeisterte ihn die Idee. Eine Daseinsrente für jeden Menschen. Geld, das weder an Leistung noch an Bedürftigkeit gekoppelt ist. "Wir haben das Gespür verloren, wie sehr unsere Existenz von Geld erdrückt wird. Ein Grundeinkommen wird die Leben der Menschen ungeahnt verändern", glaubt er, "Und mich interessiert, wie."

Die Idee ist nicht unumstritten: "Wer geht denn noch arbeiten, wenn alle von vornherein genug Geld zum Leben haben?" fragen die Kritiker. Wer von Geldtransfers abhängig ist, ist nicht frei, sagen sie. Obwohl es konkrete Mo delle für ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt (siehe unten), übersteigt die Idee die Vorstellungskraft der Mehrheit der Erwerbsgesellschaft -wohl ein Grund, warum es in Österreich, anders als in Deutschland oder der Schweiz, keine politische Diskussion über das Thema gibt.

2600 selbstlose Spender

Was tatsächlich passiert, wenn ein Grundeinkommen ausbezahlt wird, will Bohmeyer mit seinem Experiment zeigen. Und er erlebt es selbst gerade: Die letzten acht Jahre arbeitete er an der Entwicklung und Betreuung von mehreren Internet-Start-Ups. Seit einem Jahr aber lebt der Vater einer zweieinhalb-jährigen Tochter nur mehr von den Firmenanteilen. Knapp 1000 Euro schütten die jeden Monat aus, genug für ihn, um nicht mehr erwirtschaften zu müssen. Eine Art Grundeinkommen.

Für seinen Ausstiegs-Alltag hatte er konkrete Pläne: Füße hochlegen, faul sein. Das gelang ihm aber schlecht. Die Grundeinkommens-Idee wollte nicht aus dem Kopf gehen, monatelang traf er Organisationen, Parteien und Experten. Unterstützen wollte seine Initiative aber keiner. Niemand glaubte daran, dass sich über Spenden genug Geld sammeln ließe.

Also drehte er selbst ein Video, schrieb einen Text und stellte eine Webseite ins Netz. Er bat um Spenden und stellte einem Gewinner in Aussicht, ein Jahr lang ein Grundeinkommen ausbezahlt zu bekommen. Das war Anfang Juli.

Drei Wochen später hatte er die ersten 12.000 Euro, also das erste Grundeinkommen für ein Jahr, zusammen. Fast 2.600 Menschen haben seither Geld gespendet, um ein Jahresgehalt zu finanzieren, mit großer Wahrscheinlichkeit für einen Fremden. Denn Chancen auf den Gewinn hat jeder, der sich registriert hat -egal, ob er selbst etwas in den Topf gelegt hat, oder nicht. 46.000 Euro sind bis Redaktionsschluss finanziert. Bohmeyer hofft, dass bis zur Verlosung diesen Donnerstag Abend, zum Höhepunkt der 7. Internationalen Woche des Grundeinkommens, insgesamt Grundeinkommen für vier Menschen zusammenkommen. Die Gewinner könnten Studenten oder Familienväter sein, Minister oder Millionäre.

Was bringt 2600 Menschen dazu, Geld zu investieren, in jemanden, der es vielleicht gar nicht braucht?"Wir können hier möglicherweise etwas realisieren, das schon lange in der Luft liegt", erhofft sich Mirjam Schadendorf von ihrem finanzielles Engagement für die Geld-Verlosung. Ein anderer User erklärt seinen Einsatz so: "Ich habe gespendet, weil ich denke, dass es höchste Zeit ist, einmal an einem praktischen Beispiel zu zeigen, wie viel Kreativität und Begeisterung man bei Menschen wecken kann, wenn sie ihre Energie und Zeit nicht zum größten Teil in den eigenen Broterwerb stecken müssten!"

Intrinsische Motivation

Zumindest im Fall von Michael Bohmeyer bewahrheitet sich diese These. Seit er nicht mehr den regulären Arbeitsalltag organisieren müsse, um sein Geld zu erhalten, habe sich sein Leben radikal verändert: "Ich bin ein besserer Vater für meine Tochter, ein besserer Freund. Ich konsumiere weniger Quatsch, weil ich nicht mehr das Gefühl habe, mich für etwas entschädigen zu müssen. Durch den Wegfall des Drucks bin ich gesünder bin. Ich habe neue Ideen und bin leistungsfähiger als je zuvor."

Fünfzehn Stunden Arbeit steckte er in den letzten zwei Monaten jeden Tag in seine Initiative. Begeistert ist von dem Projekt trotzdem noch: "Ich bestimme schließlich selbst, was ich kann und will." Ob Bohmeyer mit dem selben Einsatz für ein Grundeinkommen arbeiten würde, wenn er dafür bezahlt würde, bezweifelt er: "Ein Gehalt kann die Motivation kaputt machen, wenn es an Bedingungen geknüpft ist. Wenn ich vom Büro aus arbeiten oder eine bestimmte Stundenzahl leisten muss, bin ich nicht mehr selbstbestimmt." Zu der intrinsischen Motivation, die ihn zu Höchstleistungen antreibt, könne ihm kein Gehalt der Welt verhelfen.

Summe aus individuellem Glück

Motiviert klingen auch die Vorhaben, von denen potenzielle Gewinner träumen: Lernen, helfen, engagieren sind die häufigsten Pläne. Ob sie ihr Vorsätze aber tatsächlich umsetzen, ist Bohmayer ziemlich egal. Was, wenn Markus, falls er gewinnt, mit den 12.000 Euro nicht, wie angegeben, ein soziales Projekt unterstützen würde, sondern sich ein Design-Möbelstück kauft? Wenn Madlen nicht mehr Zeit mir ihrer Familie verbringt, sondern ins Casino geht? "Wenn es sie glücklich macht ", meint Bohmeyer. Möglicherweise verspüren die Gewinner einen gewissen sozialen Druck, bei ihrem Versprechen zu bleiben. Verpflichtet dazu sind sie aber nicht, genauso wenig wie zur Dokumentation ihres gesponsorten Jahres. Bohmeyer geht davon aus, dass sie Lust haben werden, ihre neuen Erfahrungen mit anderen zu teilen. Und auch, wenn nicht: "Der gesamtgesellschaftliche Nutzen entsteht aus der Summe aus individuellem Glück." Das wirklich Besondere am bedingungslosen Grundeinkommen ist, dass es eben nicht steuert, in keine Richtung drückt. "Ich gehe davon aus, dass jeder weiß, was gut für ihn ist", meint Bohmeyer: "Und wenn nicht, wird er's durch die neue Freiheit herausfinden."

Live-Verlosung im Internet Die Verlosung der Grundeinkommen wird live im Internet übertragen: Donnerstag, 18. September, ab 17:00 Uhr, www.mein-grundeinkommen.de

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