Der Motor der Unzufriedenheit

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Als die Menschheit noch jünger war, glaubte sie an das Konzept des Göttlichen Lenkers. Dieses Konzept wurde ersetzt durch den Glauben an die Unsichtbare Hand der Märkte. Nach der liberalen Lehrmeinung darf der Lenker nicht gelenkt werden. Diese Freiheit der Märkte, das "Laissez-faire“, ist das Mantra der Hardcore-Ökonomie. Also: Misch dich so wenig wie möglich ein - und vor allen Dingen nicht moralisch. Das Konzept hat allerdings einen Pferdefuß: Die unsichtbare Hand der Märkte verfügt zwar über eine adlergleiche Sehkraft wenn es um die Ökonomie geht, sie ist jedoch blind, was den Rest des Lebens betrifft. Nicht umsonst wurde der Mensch in eine kalkulierbare "Humanressource“ verwandelt, und die Natur zur auszubeutenden Quelle von "Natural Resources“.

Was sagen nun aber diese freien Märkte? Was wollen sie von uns? Ganz einfach: Sei effizenter, produktiver, arbeite mehr, konsumiere mehr, verdiene mehr. Das sind die grundsätzlichen Forderungen des Systems an uns. Oder anders ausgedrückt: Der Markt will, dass wir tendenziell so werden wie er selbst. Das führt uns zu einer vielleicht unangenehmen Schlussfolgerung: Die Konstante des Marktes und seine Wirkungskraft auf die Marktteilnehmer - also uns - ist nichts anderes als: Sei unzufrieden mit dem, was du hast. Die Unzufriedenheit ist auch der Motor unserer an Wachstum gebundenen Wirtschaft geworden. Es ist eine Unzufriedenheitsmaschine, die nichts so sehr fürchtet wie Ruhe und Stillstand. Selbst wenn wir also einen Zustand paradiesischer Harmonie erreichen würden, an dem wir nichts mehr tun müssten - wir würden alles tun, ihm wieder zu entkommen. Was uns zum letzten Punkt führt: Wenn wir unser Leben auf die Unzufriedenheit abgestellt haben, müssen wir uns gar nicht wundern, warum wir eigentlich niemals zufrieden sind.

Der Autor ist Professor für Ökonomie an der Karlsuniversität Prag

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