Der nächste Präsident

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Das Editorial der "New York Times" (hier in deutscher Übersetzung) verweist auf den historischen Moment in der US-Geschichte.

Das ist einer dieser Momente in der Geschichte, in dem es sich lohnt, innezuhalten und über die grundlegenden Fakten zu reflektieren: Ein Amerikaner mit dem Namen Barack Hussein Obama, der Sohn einer weißen Frau und eines schwarzen Mannes, den er kaum kannte, aufgewachsen bei seinen Großeltern weit außerhalb des Stroms der amerikanischen Macht und des amerikanischen Reichtums, wurde zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Mit außergewöhnlicher Zielstrebigkeit und ruhiger Bestimmtheit räumte Mr. Obama eine politische Gegebenheit nach der anderen aus dem Weg, zuerst Hillary Clinton, die so sehr Präsidentin werden wollte, dass sie ihre Orientierung verlor, und dann John McCain, der seine Prinzipien für eine Kampagne vergaß, die auf Wut und Angst aufgebaut war.

Sein Triumph war entschlossen und überwältigend, denn er sah, was in diesem Land falsch lief: das völlige Versagen der Regierung, ihre Bürger zu schützen. Er bot eine Regierung an, die nicht versucht, jedes Problem zu lösen, sondern die jene Dinge anpacken wird, die jenseits der Macht des einzelnen Bürgers sind: die Wirtschaft angemessen regulieren, die Luft rein halten und die Nahrung sichern; den Zugang für Kranke zur Gesundheitsversorgung sichern und die Kinder bilden, um in einer globalisierten Welt zu bestehen.

Versprach, den ramponierten Ruf wiederherzustellen

Mr. Obama sprach offen vom Versagen der republikanischen Wirtschaftspolitik, die versprach, alle Amerikaner vorwärts zu bringen, die aber so viele Millionen weit zurückließ. Er versprach, einen blutigen und sinnlosen Krieg zu beenden. Er versprach, die bürgerlichen Freiheiten der Amerikaner und deren ramponierten Ruf in der ganzen Welt wiederherzustellen. Mit einer Botschaft von Hoffnung und Kompetenz zog er Scharen von Wählern an, die ausgeschlossen und ohne Stimme waren. Die Szenen Dienstag nachts, als junge Männer und Frauen, schwarze und weiße in Chicago, New York und in der berühmten Ebenezer Baptisten Kirche in Atlanta jubelten und weinten, waren stark und tief bewegend.

Tief bewegende Bilder

Mr. Obama erbt ein schreckliches Erbe. Die Nation ist in zwei Kriege verwickelt - einen aus Notwendigkeit heraus in Afghanistan und einen aus Dummheit im Irak. Mr. Obamas Herausforderung wird es sein, einen geordneten Rückzug aus dem Irak zu managen, ohne neue Konflikte anzuheizen, so dass das Pentagon seine Ressourcen auf jene reale Front im Krieg gegen den Terror fokussieren kann; nämlich auf Afghanistan. Die Wahlkampagne hat mit dem zentralen Fokus auf den Krieg begonnen. Am Wahltag waren die Amerikaner tief besorgt über ihre Zukunft und über das Versagen der Regierung, einen wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern, der von Gier und einer Orgie von Deregulierungen verursacht wurde. (…) Millionen von Amerikanern haben keine Krankenversicherung, einschließlich der am meisten verletzlichen Bürger: der Kinder der armen arbeitenden Bevölkerung. (…) Sie müssen beschützt werden.

Mr. Obama wird nun die Unterstützung aller Amerikaner benötigen. Mr. McCain hat Dienstag Nacht eine feine Rede der Niederlage gehalten, in der er seine Anhänger aufrief, nicht nur das Wahlergebnis anzuerkennen, sondern auch hinter Mr. Obama zu stehen. Nach einem schmutzigen, deprimierenden Wahlkampf schien er auf dieser Bühne jener Senator zu sein, den wir lange für seinen Dienst am Land und seine Bereitschaft zum Kompromiss respektierten. Das ist ein Anfang. Die vielen Herausforderungen des Landes können nicht von einem Menschen und einer politischen Partei bewältigt werden.

"New York Times", 5. November 2008

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