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Der neue Landtag und seine Probleme

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Als am 16. November des vergangenen Jahres der neue oberösterreichische Landtag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentrat und damit die XIX. Gesetzgebungsperiode einleitete, befanden sich unter den 48 Mitgliedern 18, denen durch die vorausgegangene Landtagswahl zum erstenmal die verantwortungsvolle Vertretung in der höchsten Körperschaft des Landes auferlegt worden war. Von den übrigen 30 Abgeordneten, einschließlich den neun Regierungsmitgliedern, die alle ein Landtagsmandat innehaben, gehören elf seit 1945, vierzehn seit 1949 und dreißig seit 1955 dem Landtag an. Dem Wahlausgang entsprechend verteilen sich die Sitze auf fünfundzwanzig für die Österreichische Volkspartei, neunzehn für die Sozia-Iistische Partei und vier für die Freiheitliche Partei Österreichs. Die Zusammensetzung gleicht damit der des alten Landtages, wiewohl die ÖVP 1961 ihre absolute Stellung weiter festigte, indem sie bei den Wahlen alle 25 Mandate als Grundmandate errang.

So wie nun der neue oberösterreichische Landtag in personeller Hinsicht keine grundleeenden Veränderungen zeigt — weder das Durchschnittsalter der Abgeordneten, das etwa bei 48 Jahren liegt, noch ihre berufliche Schichtung erfuhr einschneidende Korrekturen —, so gab er auch seinem Arbeitsprogramm keine revolutionierenden Züge. Diese Tatsache stellt eine, übrigens auch von den Wählern zum Ausdruck gebrachte Anerkennung der Tätigkeit der Abgeordneten in der vergangenen Legislaturperiode dar, anderseits offenbart sie eine Wesensseite des oberösterreichischen Menschen, dessen positive Merkmale seit jeheT deutlicher spürbar wurden als die negativen. Der Oberösterreicher will keine plötzlichen politischen Neuerungsgewitter, die mehr vernichten als befruchten, er will Erprobtes nicht bedenkenlos durch Unerprobtes ersetzen. Er liebt vielmehr Besonnenheit, Ausgeglichenheit und jene Mischung von Rechtschaffenheit, Klugheit und Festigkeit, die eine unwettergeschützte Entwicklung garantieren. Und obendrein verlangt er auch im Politischen Fleiß und Ausdauer, Tugenden also, die er selbst im hohen Grade besitzt und erfolgreich einzusetzen weiß.

In diesem Sinne betrachtete der Oberöster-rcicher die Landtagswahl und den damit verbundenen Obergang der Funktionsperioden nicht als eine aus der Entwicklung heraus notwendige Zäsur, sondern als willkommene demokratische Gelegenheit, die bisherige Arbeit der gewählten Vertreter zu sanktionieren und zu fordern, daß die noch ungelösten wie alle neu auftretenden Probleme im traditionellen Geist echter .Zusammenarbeit bewältigt werden. Der oberösterreichische Landtag hatte schon in den verflossenen Jahren weithin jene Einmütigkeit^ an den Tag gelegt, die, mag sie auch hier Opfer und dort ein bestimmtes Maßhalten verlangt haben, für das Gedeihen des Landes so entscheidend war. Es ist daher ermutigend, daß sich auch der neue Landtag zur Zusammenfassung und Zusammenarbeit aller Kräfte als erstem und wichtigstem Punkt seines Arbeitsprogramms bekannt hat. Ohne Zweifel bedarf ja gerade unsere Zeit der Durchsetzung dieser Integrationsgesinnung vom kleinsten Gemeinwesen bis hinauf zu den bereits bestehenden übernationalen Gemeinschaften dringender denn je.

Die Gemeinsamkeit der Zielsetzung erleichtert die Wegsuche, indem sie Lichter des Vertrauens aufstellt. Wo aber wäre das Vertrauen wichtiger als dort, wo es um die Lösung von Fragen geht, die ein ganzes Land berühren? Und eben mit ihnen wird der neue Landtag konfrontiert werden.

Wohl in vorderster Reihe steht das Problem der Erhaltung aller im föderativen Charakter Österreichs liegenden Rechte der Länder. So sehr die Länder in den ernsten Zeiten der Besetzung durch ihre Haltung bewiesen, daß ihnen jeder Partikularismus fremd ist und daß sie die Erhaltung der Einheit Österreichs stets auch als ihr Schicksal betrachten, so sehr liegt ihnen am Herzen, daß das im Wesen Österreichs seit Jahrhunderten grundgelegte und verfassungsmäßig gewährleistete bundesstaatliche Prinzip im vollen Umfang Geltung behält und respektiert wird.

Föderalismus bedeutet weder Traditionalismus noch Eigenbrötelei. Föderalismus ist vielmehr ein Prinzip, mit dem die demokratische Ordnung unseres Staatswesens, die Freiheit unseres Vaterlandes, ja jeder kleinsten Gemeinschaft und schließlich sogar jedes Einzelwesens in diesem Staate steht und fällt. Es wird daher Aufgabe der einzelnen Länder und vornweg der Landtage sein, sich mit aller Energie gegen eine weitere Aushöhlung der Länderrechte und -kompetenzen zur Wehr zu setzen. Dies gilt insbesondere für alle jene Fragen, welche die Finanzhoheit der Länder berühren. Niemand stellt in Abrede, daß die moderne Entwicklung notwendigerweise zu einer beträchtlichen Erweiterung der Aufgaben des Staates geführt hat. Niemand wird aber auch bestreiten können, daß damit die Waagschalen der Kompetenzen von Bund und Ländern immer mehr aus der Gleichgewichtslage gebracht werden. Was nottut, ist, sie den heutigen Erfordernissen entsprechend auszutarieren, wobei selbstverständlich die Hoheitsaufgaben des Bundes unangetastet bleiben müssen. Die beste Grundlage für eine sinnvolle Neuverteilung von

Kompetenzen wäre sowohl in ökonomischer Hinsicht wie vom Standpunkt einer echten Demokratisierung des staatlichen Lebens aus das Prinzip der Subsidiarität, das nur jene Aufgaben einer größeren Gemeinschaft zuweist, die von der kleineren nicht mehr gelöst werden können.

Ein weiterer, sehr entscheidender Problemkreis für den Landtag ergibt sich aus der Notwendigkeit einer sorgsamen Abstimmung auf wirt-schafts- und finanzpolitischem Gebiet mit allen den gegenwärtigen hohen Wirtschafts- und Lebensstandard bestimmenden Faktoren der Währungsstabilität und der Vollbeschäftigung. Eine solche Abstimmung verlangt neben einer ständigen Kontrolle des Pulsschlages der Wirtschaft den Mut zu jenen Maßnahmen, die der Sicherung der wirtschaftlichen, sozialen, aber auch kulturellen Aufwärtsentwicklung des Landes am dienlichsten sind. Das bedeutet in Zeiten der Hochkonjunktur Sparsamkeit in der Finanz-gebarune und Mäßigkeit in der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, das bedeutet in Zeiten

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