Der Raubzug auf Gen-Patente beginnt

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Eine bestimmte Tierrasse oder Pflanzensorte ist nicht patentierbar. Alles was gentechnisch verändert ist, aber schon.

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Eine bestimmte Tierrasse oder Pflanzensorte ist nicht patentierbar. Alles was gentechnisch verändert ist, aber schon.

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Erst kürzlich sorgte eine Meldung von Greenpeace für Aufregung: erstmals war vom Europäischen Patentamt ein Patent auf genmanipulierte menschliche Keimzellen und Embryonen erteilt worden. Das Patentamt beeilte sich festzustellen, daß es sich um einen bedauerlichen Fehler gehandelt habe. Was wenigen bekannt ist: Auch in Österreich sollen demnächst menschliche Gene, Blut(zellen), Organe, Tiere, Pflanzen patentierbar sein. Die Umsetzung der umstrittenen EU-Patent-Richtlinie in österreichisches Recht liegt bereits als Gesetzes-Entwurf vor. Menschliche Embryos könnten dank der unscharfen Formulierung des neues Gesetzes in Zukunft für Forschungszwecke ebenso patentiert werden wie Klonierungs-Verfahren für Tiere. Und das alles ohne die Zustimmung der betroffenen Personen. Denn eine Zustimmung oder gar eine entsprechende Entlohnung ist im neuen Gesetz nicht vorgesehen. Ärzte können nach einer Routine-Untersuchung wie einer Blut-Abnahme einzelne Zellen oder Gene ihrer Patienten als Patent anmelden - ohne den Betroffenen zu informieren.

Das so etwas schnell passieren kann, belegt der Fall des Amerikaners John Moore: Moore mußte sich seine Milz entfernen lassen. Später fand er heraus, daß die Ärzte an der University of California ohne seine Einwilligung Zellen seiner Milz hatten patentieren lassen. 1983 wurden die Patentrechte der daraus gezüchteten Milz-Zellreihe (US-Patent Nr. 4.438.032) für 1,7 Millionen Dollar an eine andere Firma weiterverkauft. Moore versuchte daraufhin die Rechte an seinen Genen wieder zurückzubekommen, sämtliche Klagen brachten jedoch kein positives Ergebnis.

Beispiel Landwirtschaft: "Erfindungen, deren Gegenstand Pflanzen und Tiere sind, wenn die Ausführung der Erfindung nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist" sind patentierbar. Das bedeutet im Klartext: Die Mais-Sorte "Campus" kann nicht patentiert werden, aber alle Mais-Pflanzen die ein bestimmt Gen-Konstrukt enthalten, schon. Oder überhaupt alle zweikeimblättrigen Pflanzen - damit wird ein Freibrief für Pauschal-Patente erteilt, die den Firmen die Möglichkeit gibt sich mit wenigen Patenten unsere Lebensgrundlagen anzueignen.

Das gleiche gilt für Tiere, eine bestimmte Rasse ist nicht patentierbar, aber alle Säugetiere, die eine bestimmte Veränderung enthalten, schon. Dadurch bekommt die Anwendung von Gentechnik einen enormen finanziellen Anreiz. Denn wer will sich noch mit banaler Züchtung abgeben, wenn er mit gentechnisch veränderten Pflanzen den viel umfassenderen (Patent) Schutz und damit mehr Geld bekommen kann?

Das neue Gesetz spricht eine eindeutige Sprache: Lebewesen, auch Menschen, werden dort nur noch als "biologisches Material" - eine Handelsware wie viele andere - bezeichnet. Und dieses biologische Material, eigentlich eine Entdeckung und damit unpatentierbar, soll in Zukunft patentierbar sein "auch wenn es in der Natur schon vorhanden war". Entdeckungen waren bisher aus gutem Grund nicht patentfähig, denn Dinge die schon vorhanden waren, sollen weiterhin allen Menschen gehören. Außerdem wurden Lebewesen durch einen Passus geschützt, der Patente, die den guten Sitten und der öffentlichen Ordnung widersprechen, nicht gestattet.

Warum ist der Druck diverser Lobbies so groß, Patente auf Dinge zu erteilen, die es schon seit Jahrtausenden gibt? Es geht um massive finanzielle Interessen. Denn wer Kontrolle über die Lebensgrundlagen hat, braucht sich um die Umsätze keine Sorgen zu machen. Und genau darum geht es: Nach dem Patentgesetz sind unsere Gene, die Pflanzen und Tiere demnächst alle im Quasi-Eigentum einiger weniger Konzerne die sich durch Patente ihre exklusiven Nutzungsrechte sichern. Doch die Lebensgrundlagen sind das Eigentum aller Menschen und sollen es auch bleiben.

Die Autorin ist Molekularbiologin und SP-Nationalratsabgeordnete.

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