Der schwierige Neustart

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Es war schwierig, gilt aber als im Großen und Ganzen gelungen: Die Umbildung des ÖVP-Regierungsteams nach dem Rücktritt von Josef Pröll. Mit der Angelobung und dem Parteitag beginnt die Arbeit: Die ÖVP steckt in einem Umfragetief, braucht neue thematische Ausrichtung.

So viel an Herausforderung war noch nie. Als "große Herausforderung“ bezeichnete etwa Hannes Rauch seinen Wechsel auf den Posten des Generalsekretärs der Volkspartei in Wien. Er hat recht.

Sein Vorgänger, der zwar talentierte aber in Krisenmomenten ungeschickt agierende Fritz Kaltenegger, hatte zum Wochenbeginn sein Büro in der Wiener Lichtenfelsgasse geräumt. Hannes Rauch, zuletzt Landesgeschäftsführer der ÖVP Tirol, zog diese Woche ein, um als Erstes den Parteitag an seiner früheren Wirkungsstätte, Innsbruck, vorzubereiten.

Im Frühjahr angestellte Überlegungen, daraus eine breit angelegte Programmveranstaltung zu machen, wurden verworfen. Die Herausforderung, wie geplant in mehreren Arbeitskreisen mit Bundesministern die politische Agenda gründlich zu erörtern und so Themenführerschaft zurückzuholen und den Kanzleranspruch neuerlich anzumelden, ist angesichts der sonstigen Umstände dann doch zu groß. Es wird ein Wahlparteitag, heißt es intern. Rund 500 bis 600 Delegierte werden am grünen Inn erwartet, fix ist eine programmatische Rede des Außenministers und am Parteitag zu wählenden neuen Obmannes, Michael Spindelegger. Er wird damit seine zweite große Herausforderung zu bewältigen haben, nachdem ihm die erste, die Neuaufstellung der ÖVP-Regierungstruppe, nach Einschätzung der meisten Beobachter im Großen und Ganzen passabel gelungen ist. "Spindelegger hat die erste Nagelprobe bestanden“, titelten etwa die Salzburger Nachrichten, als sie dessen Kabinettsumbildung kommentierte. Aber er hat noch zu tun.

Bauernbund zurückgedrängt

Spindelegger muss noch einiges kommunizieren, muss der Öffentlichkeit und der Partei noch einiges erläutern, muss die innerparteiliche Balance noch austarieren.

"Der Bauernbund hatte unter Josef Pröll zu viel an Posten“, räsonierte in den Wochen vor Prölls Abschied ein Abgeordneter. Jetzt sind die beiden Bauernbündler Pröll und Kaltenegger weg, geblieben ist Lebensminister Niki Berlakovich. Der Bauernbund hat es akzeptiert. Der Wirtschaftsbund hat hingegen an interner Bedeutung gewonnen, ebenso der Arbeiter- und Angestelltenbund.

Mit Maria Fekter und Reinhold Mitterlehner als Finanz- und als Wirtschaftsminister stellt der Wirtschaftsbund zwei Regierungsmitglieder, mit Karl-Heinz Kopf zudem den Klubobmann. Dessen Chef, Christoph Leitl, hat sich früh und offenbar erfolgreich kritisch zu Wort gemeldet. Er wirkt befriedet: War ihm zuerst nicht lange genug über den neuen Obmann debattiert worden, begrüßte er zuletzt die rasche Umbildung.

Der äußerst qualifizierte Diplomat Wolfgang Waldner, früher Ministersekretär, Diplomat in den USA und zuletzt Direktor des MuseumsQuartiers in Wien, ist ein Signal an die städtische, liberalere Wählerschaft, insbesondere eben in Wien. Die Bundeshauptstadt gilt für die Volkspartei als politische Großbaustelle. Wird diese nicht umgehend saniert, droht bei der spätestens 2013 fälligen nächsten Nationalratswahl eine Bestätigung des in Umfragen erhobenen gegenwärtigen Tiefs an Zustimmung. Von dort will Spindelegger die ÖVP auch mithilfe der Jugend herausholen, die Sebastian Kurz als Staatssekretär ansprechen soll. Ob dieser seine eigentliche Aufgabe, eben jene der Integration, zu bewältigen vermag, gilt als die große Frage, die zahlreiche Beobachter mit Nein beantworten.

Distanz zu Erwin Pröll

In den Berichten und Analysen zum Rücktritt von Josef Pröll und zur Bestellung von Michael Spindelegger als designiertem ÖVP-Chef taucht wiederholt der Name von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll auf. Dazu hat dieser selbst oft genug Anlass gegeben, allerdings wird dessen politisches Gewicht oftmals falsch bemessen.

Erwin Pröll hat seinen Neffen Josef Pröll keineswegs derart gefördert, wie manche Beobachter vermuteten. Es war wohl anders: Deren Verhältnis hat Josef Pröll belastet. Und Erwin Pröll ist keineswegs so eng mit Michael Spindelegger, wie behauptet. Ganz im Gegenteil. Kenner der Partei und der handelnden Personen sprechen eher davon, dass Pröll erst spät seine Wertschätzung für Spindelegger entdeckt habe, dass Spindelegger seinerseits versuche, zu Pröll einen ausreichenden Abstand zu halten. Eine der Personalien scheint dies zu bestätigen.

Mit Johanna Mikl-Leitner wechselt eine erfolgreiche Politikerin von der Landesregierung Niederösterreichs in die Bundesregierung. Die diese Woche mit den neuen Kabinettskollegen angelobte Innenministerin wurde aber keineswegs von St. Pölten aus abgesandt, sondern sie war der ausdrückliche Wunsch von Spindelegger, teils gegen Prölls Vorstellungen, jedenfalls gegen ihre eigene erste Reaktion. Mit ihr und Kurz erhält das Innenressort eine komplett neue, auf dem Sachgebiet nur mäßig erfahrene politische Führung.

Versuch neuer Strategie

Für Überraschung sorgte die Bestellung von Karlheinz Töchterle, Rektor der Universität Innsbruck, zum Wissenschaftsminister. Er hatte sich, obzwar parteifrei, bisher für die Grünen engagiert.

Aus all dem ergibt sich die neue strategische Anlage des ÖVP-Teams. Maria Fekter soll mit harter Hand das Finanzressort führen, Mikl-Leitner mit etwas weicherer das Innenministerium. Kurz soll die Jugend ansprechen, Beatrix Karl als Justizministerin das in Aufruhr befindliche Rechtswesen in geordnete Bahnen und in öffentliches Vertrauen zurückführen. Waldner und Töchterle sind ein Signal an neue Wähler. Als Erstes galt Zurückhaltung bei Interviews. Auch neu.

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