Ibrahim Rugova, starb am 21. Jänner in Prishtina, unmittelbar vor Beginn der serbisch-albanischen Verhandlungen über die Zukunft des Kosovo. Sein Leben stellte große Forderungen an ihn: In wenigen Jahren vom Literaten zum Parteivorsitzenden und gleich danach zum Präsidenten der Provinz. Es war nicht nur seine Schuld, dass er ihnen nicht entsprach. Unbestritten ist sein Verdienst in den 90er Jahren um den "gewaltlosen Widerstand" im Kosovo, trotz der menschenverachtenden Provokationen der serbischen Polizei, der Milosevi´c-hörigen serbischen Medien gegenüber der albanischen Mehrheit im Kosovo.
Als "albanischer Gandhi" wurde Rugova von westlichen Staatsmännern gelobt und empfangen. Sie hörten ihm wohlwollend zu, wenn er die Unabhängigkeit der Provinz von Serbien verlangte. Man war ihm dankbar dafür, dass er das Blutvergießen verhindern konnte. Als er später wiederkam, verlangte er das Gleiche, wieder ohne konkrete Vorschläge und Forderungen , wie der Westen eingreifen sollte. Stets sprach er nur leise von den Leiden "seines" Volkes. Man hörte ihm jetzt nur mehr gelangweilt zu.
Auch den Albanern im Kosovo wurde es langweilig, seinen monotonen Berichten von Begegnungen mit den "Großen" der Welt zuzuhören. Einige von ihnen verstanden die indirekte Botschaft des Westens richtig: Nur das Blutvergießen wird ernst genommen. Und so war es. Der Westen unterstützte den "Befreiungskrieg" der neuen Armee der Kosovaren, sie half ja auch, Milosevi´c in Belgrad zu schwächen.
Rugova machte sich indessen buchstäblich unsichtbar, blieb längere Zeit im Ausland, selten äußerte er sich zu aktuellen Fragen, noch seltener zeigte er sich in der eigenen Öffentlichkeit. Er trat immer autoritärer auf und wurde einsam. Nur schlechte Berater blieben.
Dennoch: Für die geplagten Menschen er wurde zur Ikone. Dass die Mehrheit der albanischen Bevölkerung bei zwei "demokratischen Wahlen" ihm ihre Stimmen gab, war nicht sein Verdienst sondern viel mehr ein eindrucksvolles Manifest der Absage an Gewalt. Die politischen Kreise im Westen reagierten darauf nicht, sie verstanden diese Botschaft nicht. Sie zogen weiterhin die Männer der Macht vor. Dass der Westen dabei nicht gerade ein vorbildliches Demokratieverständnis an den Tag legte, dürfte den politischen Kreisen im Kosovo (und in Serbien) nicht verborgen geblieben sein. Diese Kreise wachsen.
Dass Rugova seit Jahren in vielfältiger Weise versagt hatte, vom politischen Realitätsverlust im politischen Bereich bis hin zum Vorwurf der Korruption, mag ihm bewusst gewesen sein. Das würde seinen selbstzerstörerischen Alkoholismus und die Nikotinsucht psychologisch erklären als letztlich einen zeitverschobenen Selbstmord.
Wie und warum dieser friedfertige und unauffällige Mann zu seiner politischen Karriere überhaupt kommen konnte, ist ein Rätsel, das nur kosovo-albanische Zeitgenossen eines Tages analysieren könnten.
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