Der Vollstrecker des Präsidenten-Willens

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Wer in diesen Tagen des versuchten Putsches und der Gerüchte über einen kommenden neuen Putsch treu an der Seite des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan stehen will, der muss schon kräftig an seinem Vokabular arbeiten. Understatement ist da nicht gefragt. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavasoglu scheint unter diesen Voraussetzungen der richtige Mann im richtigen Amt zu sein. Er hat viel vergessen. Ausgebildet an den besten Schulen der Türkei und als Lehrvortragender für Politikwissenschaft an der Long Island University in den USA tätig, war er von 2010 bis 2012 ein gelobter und zurückhaltender Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Danach türkischer Europaminister und schließlich Außenminister.

Doch mit dem letzten Amt änderte sich sein Tonfall dramatisch. Die europäische Perspektive ist vergessen, der Minister schwenkt bei seinen öffentlichen Auftritten begeistert die türkische Fahne und droht Europa offen mit der Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens, sollte die EU nicht bis Oktober die freie Einreise für türkische Bürger genehmigen. Das alles nach den umstrittenen Demonstrationen von erdogantreuen Auslandstürken in Deutschland und Österreich. Statt der Rechtsstaatlichkeit und einer unparteiischen Gerichtsbarkeit in seinem Land das Wort zu reden, spricht der Minister nun davon, man müsse nach dem Putsch "die faulen Äpfel aussortieren", jene Menschen also, die mit dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen in Verbindung gestanden hätten. Die "Herrschaft des Rechts und die Unabhängigkeit der Justiz" sieht der Minister durch die Suspendierung von 2700 Richtern bestätigt. Die Gülenisten nennt er "Verbündete und Blutsbüder" der kurdisch-kommunistischen PKK. Wer türkischen Nationalismus sucht, ist also heute bei Cava¸soglu gut aufgehoben. Wie überhaupt alles, was der türkischen Regierung lieb ist, der EU auch recht sein soll und an vielem, was in der Türkei schief läuft, nun plötzlich Europa Schuld trägt. Sogar am IS-Terror. Dem Kommen und Gehen der Terroristen und ihrer Mittäter über türkisches Staatsgebiet sahen die türkischen Behörden jahrelang zu. Heute meint Cava¸soglu, die Türkei habe Anspruch darauf, dass Europa die Türkei vor ausreisenden Terroristen schützen müsse. Daran kann man ermessen,wie die Zeit vergeht: Derselbe Cava¸soglu sah 2010 die Türkei "auf dem Weg nach Europa".

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