Der Weg aus dem Abseits

19451960198020002020

Das Vinzenzhaus der Caritas in Wien setzt einen neuen Qualitätsstandard bei der Betreuung von Obdachlosen.

19451960198020002020

Das Vinzenzhaus der Caritas in Wien setzt einen neuen Qualitätsstandard bei der Betreuung von Obdachlosen.

Werbung
Werbung
Werbung

Obdachlosigkeit hat sich verändert. Man sieht sich heute vermehrt mit psychisch Kranken und Menschen aus dem Mittelstand konfrontiert, die selbstverschuldet oder ohne eigene Schuld in die Lage gekommen sind, kein Dach mehr über dem Kopf zu haben. Das "Vinzenzhaus" der Caritas für Obdachlose im sechsten Wiener Bezirk berücksichtigt diese vielschichtigen Bedürfnisse obdachloser Männer. Hier steht man auf dem Standpunkt, daß Obdachlose keine graue Masse sind, die man portionsweise in Betten oder Einrichtungen deponieren kann.

Der Weg aus dem gesellschaftlichen Abseits wieder zurück in ein halbwegs normales Leben mit Beruf und Wohnung ist ein äußerst beschwerlicher. Gescheiterte Beziehungen, psychische Krankheiten, Alkoholismus und andere Suchterkrankungen können das endgültige Aus der Lebenskarriere bedeuten. Sie können aber auch - wenn sie behandelt, betreut und begleitet werden - für den Betroffenen der Anfang eines neuen Lebensweges sein.

Das Vinzenzhaus unter der Leitung von Jutta Guttmann bietet Unterkunft für 47 wohnungslose Männer. Davon stehen zwölf Betten als kurzfristige Unterbringung in Krisensituationen und 35 Wohnplätze für langfristige Betreuung zur Verfügung. Voraussetzung für einen längerfristigen Aufenthalt ist die Alkoholabstinenz, die entweder durch eine Therapie oder das Zusammenleben mit Nichtalkoholikern gefestigt wird.

Im Vinzenzhaus steht ein professionelles Team bestehend aus Sozialarbeitern, Juristen, Theologen und Pastoralassistenten zur Verfügung. Unterstützt wird dieses von Zivildienern und ehrenamtlichen Mitarbeitern.

Die Arbeit mit Obdachlosen ist weder einfach noch prestigeträchtig. Guttmann, ausgebildete Juristin, sieht in ihrer Aufgabe als Leiterin des Heimes eine Herausforderung unserer Zeit, sich auch der "nicht herzeigbaren Problemfälle" anzunehmen. "Aber gerade diese Menschen sind auf eine effiziente Betreuung und Begleitung angewiesen", betont Guttmann.

Das Vinzenzhaus ist ein Ort, an dem man Zeit bekommen soll, sein Leben neu zu ordnen, um die Problemlast vieler Jahre Schritt für Schritt abzubauen. Alle anfallenden Hausarbeiten - die Küche für durchschnittlich 70 Personen, Portiersdienste rund um die Uhr, Putzdienste, Waschküche, Büglerei und Reparaturen im Haus - werden von den Hausbewohnern selbst durchgeführt. Das stellt für viele das Übungsfeld zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß dar.

Daß es durch die finanzielle Entlastung, etwa durch die Mahlzeiten im Haus, zu einer Aufarbeitung verfahrener Finanzsituationen kommt, daß Dokumente neu beschafft, Arbeitsperspektiven geklärt und Unterstützung bei persönlichen Krisen gewährt wird, dafür sorgt das engagierte Vinzenzhaus-Team.

Im Zuge eines längeren Aufenthaltes geben die Betreuer auch praktische Anleitungen: wie kann man seine Freizeit sinnvoll gestalten, wie kulturelle, kreative und politische Interessen wecken und fördern, wie den richtigen Umgang mit sich selbst und mit den anderen finden. Lernprozesse, die bisher gefehlt haben und die helfen, ein verschüttetes Selbstwertgefühl aufzubauen. Daß es dabei um die Bewältigung der Vergangenheit und um das Heilen alter Wunden geht, ist Betreuern und Betroffenen klar und fällt nicht immer leicht.

Wenn es gelingt, eine Tagesstruktur aufzubauen, wenn Obdachlose wieder "wohnen" gelernt haben, dann können sie auch daran gehen, die Zukunft zu planen und nach einiger Zeit in betreuten Übergangswohnungen der Caritas oder auch in Gemeindewohnungen selbständig werden. Viele ehemalige Vinzenzhaus-Bewohner sind nach wie vor in Kontakt mit "ihrem" Haus, kommen zu Veranstaltungen, Ausflügen und halten eisern den Kontakt zur Leitung und zu Mitarbeitern.

Guttmann: "Der sogenannte Sandlermythos ist heute kein gültiges Konzept für die Arbeit mit Obdachlosen mehr. Wir können nicht daran vorbei, daß wir mit unserer Caritasarbeit den Qualitätsstandard der Obdachlosenbetreuung in dieser Stadt mitbestimmen. Wir haben zwar das Niveau der Verwahrung und Notunterbringung von Obdachlosen überwunden, wir müssen uns aber noch überzeugter für die Umsetzung von Qualität in dieser Betreuungsform einsetzen."

Adresse: "Vinzenzhaus der Caritas", Obdachlosenheim für Männer Gfornergasse 12, 1060 Wien, Telefon: (01) 597 16 00, Spendenkonto: PSK 7700.004, Kennwort "Vinzenzhaus".

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung