Der Weltraum gehört allen, auch Ihnen und auch mir!"

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Raketenabwehr? "Seit meiner Konfirmation beschäftige ich mich mit nichts anderem", sagt Bernd W. Kubbig von der Raketenabwehrforschung International der Hessischen Stiftung für Friedens-und Konfliktforschung, Frankfurt a. M.

Die Furche: Herr Kubbig, wem gehört der Weltraum?

Bernd W. Kubbig: Der Weltraum gehört allen, auch Ihnen und auch mir; er steht laut Weltraumvertrag von 1967 allen für friedliche Aktivitäten offen.

Die Furche: Die letztjährige Weltraumdoktrin der USA redet da eine andere Sprache…

Kubbig: … ganz klar, die erklärte Politik der Amerikaner läuft darauf hinaus, die US-Vormachtsstellung zu bewahren, und andere Staaten, die diese Vormachtstellung bedrohen, abzuschrecken.

Die Furche: Im Fall von China, schaut es aus, ist diese Abschreckung jedoch nicht wirklich gelungen.

Kubbig: Diese Zerstörung eines alten eigenen Satellitens durch die Chinesen ist ein klares Signal an die USA, dass deren Vormachtstellung im All gefährdet ist.

Die Furche: Und ist sie das jetzt?

Kubbig: Ihre Vormachtstellung werden die Amerikaner nicht so schnell verlieren. Die Gefahr liegt vielmehr darin, dass jetzt ein Rüstungswettlauf beginnt - zuerst auf der Erde: in den Weltraumetats der Verteidigungsministerien, der sich möglicherweise auch im Weltall fortsetzen kann; es sei denn, dass sich beide Seiten mit den Russen und den anderen Weltraummächten zusammensetzen und ernsthaft über ein Abkommen diskutieren.

Die Furche: Wie könnte ein solches Abkommen ausschauen?

Kubbig: Mein Vorschlag wäre, dass alle Seiten auf Anti-Satellitentests verzichten, um das als Ausgangspunkt für einen neuen Weltraumvertrag zu nehmen, der die Stationierung von Weltraumwaffen generell verbietet.

Die Furche: Einen solchen Verzicht auf Anti-Satellitentests hat es aber doch schon seit 20 Jahren gegeben.

Kubbig: Das war ein informelles Übereinkommen zwischen der damaligen UdSSR und den USA. Aber die Amerikaner waren bisher nicht interessiert, daraus ein verbindliches Abkommen zu machen. Die Chinesen und die Russen haben immer wieder Vertragsangebote gemacht, doch die USA sind darauf nicht eingestiegen, weil sie sich im Vorteil glaubten

Die Furche: … das ist vorbei.

Kubbig: Und jetzt setzen sich in den USA entweder die durch, die noch mehr Aufrüstung fordern oder die, die einer Einhegung der Chinesen und einem verbindlichen internationalen Abkommen das Wort reden.

Die Furche: Wer wird gewinnen?

Kubbig: Ich schließe nicht aus, dass dieser chinesische Schuss vor den amerikanischen Bug die stärkt, die in irgendeiner Form verhandeln wollen.

Die Furche: Andererseits setzen die Amerikaner auf die Realisierung ihres Raketenabwehrsystems - wie ausgereift ist dieser Schutzschild schon?

Kubbig: Ich gebe das wieder, was die Techniker aus der Administration in Washington öffentlich sagen: Mit den Systemen, die die Amerikaner haben, können sie nicht sicher sein, auch nur eine feindliche Rakete abzuschießen. Sie sind einfach noch nicht ausgereift. Man hat früher gesagt: Wir stationieren, nachdem wir ausreichend getestet haben. Jetzt sagt man: We buy while we fly - wir kaufen, während wir fliegen. Dadurch gibt es keine klaren Leistungsstandards mehr und man weiß nicht, wie gut das Programm wirklich ist.

Die Furche: Trotzdem versprechen sich gerade die kürzlich von den USA um Unterstützung angefragten Regierungen in Polen und Tschechien viel von diesem Raketenabwehrschirm.

Kubbig: Ich war letzten Oktober ins Prager Außenministerium eingeladen und habe diese Zustimmung aus Regierungskreisen erlebt. Daneben gibt es aber große Zweifel, ob das die richtige Entscheidung ist. Die Raketenabwehrfrage mag auf Regierungsseite ausgestanden sein, in den Parlamenten und der Öffentlichkeit ist das aber noch überhaupt nicht der Fall.

Die Furche: Schutz vor Raketen sollte doch auch den Bevölkerungen zupass kommen.

Kubbig: Es gibt ein Amalgam aus Gründen gegen diese Stationierungen: "Schon wieder Besatzung!" - mag bei vielen Ablehnung verursachen. Andere fragen: Was ist denn die Bedrohung? Zudem sollen diese Systeme ja nicht dazu dienen, Raketen mit dem Ziel Europa abzufangen, sondern Langstreckenraketen mit dem Ziel USA. Alle diese Bedenken formen eine kritische Masse.

Die Furche: Was macht das amerikanische Angebot so verlockend für die polnische und tschechische Regierung?

Kubbig: Den Regierungen in Tschechien wie Polen liegt vor allem daran, ihre Beziehungen zu Washington auszubauen und sie für Interessen zu verwenden, die mit Raketenabwehr und Sicherheit nur wenig zu tun haben, zum Beispiel Visa-Erleichterungen.

Die Furche: Die US-Raketenabwehr wird auch deswegen kritisiert, weil sie als ein "trojanisches Pferd" für Weltraumwaffen gilt - stimmen Sie dieser Befürchtung zu?

Kubbig: Ja, der Raketenabwehrvertrag, der ein striktes Verbot für Weltraumwaffen verlangte, wurde 2002 von US-Präsident Bush einseitig gekündigt. Und jetzt haben die Amerikaner in diesem Bereich freie Fahrt.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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