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Deutliche Worte zur Asylfrage

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Besonderes Aufsehen erregten auf der Evangelischen Generalsynode die Texte zu den heißen Eisen Asyl und Homosexualität.

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Besonderes Aufsehen erregten auf der Evangelischen Generalsynode die Texte zu den heißen Eisen Asyl und Homosexualität.

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In acht Punkten brachte die Generalsynode ihre Beunruhigung und Bestürzung über die Situation der Flüchtlinge und ihre Schwierigkeiten, in Österreich Asyl zu finden, zum Ausdruck. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, „daß die Verpflichtungen aus der Europäischen Menschenrechtskonvention als Verfassungsgesetz von allen staatlichen Behörden einzuhalten sind”.

Punkt 4 bedeutet direkte Kritik am derzeit geltenden Recht: „Aus unserer christlichen Verantwortung können wir nicht hinnehmen

■ daß Asylwerber während des Verfahrens kein Aufenthaltsrecht bekommen,

■ daß Asylwerber während des Verfahrens in Schubhaft genommen werden,

■ daß die Drittlandsklausel zu restriktiv ausgelegt wird,

■ daß Flüchtlinge in Länder abgeschoben werden, ohne daß ausreichend geprüft wird, ob sie dort sicher sind,

■ daß Flüchtlinge, obwohl sie faktisch nicht abgeschoben werden können, kein Aufenthaltsrecht und damit auch keine staatliche Unterstützung bekommen.”

Und schließlich heißt es im Punkt 8: „Wir haben Verständnis dafür, daß Evangelische Pfarrgemeinden sich verpflichtet sehen, nach eingehender Prüfung als letzte Möglichkeit des Schutzes Flüchtlingen ,Kir-chenasyl' zu gewähren.”

Auf die Journalistenfrage, ob letzteres bedeute, daß Ausländer vor den Behörden versteckt werden können, antwortete der Halleiner Pfarrer Wolfgang Del-Negro, Vorsitzender des Diakonischen Ausschusses, mit einem schlichten „Ja”. Schon im vorangegangenen Flüchtlingsforum hatte der Kärntner Superintendent Herwig Sturm erklärt, er erwarte von der Synode einen Aufruf zum Ungehorsam, wenn Menschenleben bedroht seien.

Das innerkirchlich brisante bisherige Tabu-Thema Homosexualität wurde mit der vielleicht noch brisanteren Frage „Wie geht man zeitgemäß mit der Bibel um?” verbunden. Ein Papier des Theologischen Ausschusses, das von der Synode mit überraschend großer Mehrheit akzeptiert wurde, trat für die Akzeptanz von Homosexuellen ein, da Homosexualität nach Erkenntnis der Humanwissenschaft aus einem komplexen Zusammenwirken biologischer, psychischer und sozialer Faktoren entstehe, nicht aber durch freie Willensentscheidung.

Das Dokument wird nun den Gemeinden zur weiteren Diskussion zugeleitet, wobei vor allem die Frage geklärt werden soll, ob Menschen, die sich offen zur Homosexualität bekennen, Mitarbeiter in den Gemeinden sein können.

In einem Brief an den Nationalrat und die Regierung äußerte die Synode ihre „Sorge und Bestürzung” darüber, daß das neue Meldegesetz der Evangelischen Kirche entscheidende Nachteile bringe. Innerkirchliche Neuerungen betreffen die Möglichkeit der Teilbeschäftigung auch für geistliche Amtsträger ab 1. Jänner 1995 und den offiziellen Übergang zu geschlechtsspezifischen Amtsbezeichnungen (Pfarrerin, Vikarin, Superintendentin). Dem Plan, in Wien ein Evangelisches Gymnasium zu errichten, wurde zugestimmt.

Am Bande der Synode wies Bischof Dieter Knall gegenüber der Furche auf erfreuliche Fortschritte in der Ökumene hin: das im Vorjahr vom Vatikan herausgegebene Direktorium, die Anwesenheit und die Aussagen von Kardinal Hans Hermann Groer beim „Leuenberger” Kirchentreffen in Wien-Lainz sowie die Bereitschaft der römisch-katholischen Kirche, dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich beizutreten.

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