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Die Ansiedlung von Volksdeutschen

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Die erdrückende Notlage der aus ihrer Heimat vertriebenen Volksdeutschen zwingt zu den größten Anstrengungen, um diesen unglücklichen Heimatlosen wieder menschenwürdige Existenzmöglichkeiten zu schaffen. Alle nur möglichen Mittel und Wege werden erwogen und zur Diskussion gestellt, um dem Problem an den Leib zu rücken. Es ist zweifelsohne in Österreich der ehrliche Wille am Werk, so weit nur irgend möglich, Abhilfe zu schaffen. Man denke nur an die großen Anstrengungen, die' von seiten des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft unternommen werden, um beispielsweise durch Landarbeitersiedlungen die Seßhaftmachung und Existenzsicherung von landwirtschaftlichen Arbeifern zu ermöglichen. Begreiflich, denn gerade die Landwirtschaft hat großen Bedarf an Arbeitskräften und legt größten Wert darauf, die fleißigen und tüchtigen Kräfte, die die Volksdeutschen sind, im Lande zu erhalten. In gleicher Weise wäre es der Wunsch der Landwirtschaft, möglichst viele Bauern, deren fachliche Qualität außer Zweifel steht, in Österreich wieder als selbständige Bauern anzusiedeln.

Und was vom Landvolk gilt, kann auch von allen anderen Berufsständen gesagt werden. Trotzdem geht die Sache nicht weiter. Ist es da nicht naheliegend, daß sowohl unter den Volksdeutschen selbst wie im interessierten Ausland, Stimmen laut werden, es fehle am guten Willen Österreichs, das Problem zu lösen? Es scheint daher wünschenswert, an einem Beispiel nachzuweisen, wie leicht durch unrichtige Voraussetzungen Fehlmeinungen .entstehen und falsche Hoffnungen erweckt werden, deren Nichterfüllung schließlich auf mangelnden guten Willen zurückgeführt werden könnte.

Der Verfasser hat 1948 in Vorträgen und dem Aufsatz „Die österreichische Nährflächenreserve — das zehnte Bundesland“ auf den Umstand verwiesen, daß etwa 650.000 Hektar meliorationsbedürftige Flächen vorhanden sein dürften und daß die sehr ungünstige Ernährungsbasis Österreichs eine großzügige Meliorationstätigkeit unbedingt erfordere. Auf diese Veröffentlichung haben nun Vertreter der Volksdeutschen einen großen Teil ihrer Hoffnungen gesetzt und glauben, durch eine großzügige Siedlungstätigkeit in Österreich der bestehenden Not zu einem bedeutenden Ausmaß Herr zu werden. In der erwähnten Veröffentlichung des Verfassers wurde auf die mit einer großzügigen Melioration verbundene Siedlungstätigkeit wohl hingewiesen, ohne ihr jedoch eine besondere Rolle zuzuweisen. Und das hatte seine guten Gründe.

Aus besonderem Anlaß wurde im Rahmen einer internen Besprediung im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft das Siedlungsproblem der Volksdeutschen einer eingehenden Erörterung unterzogen, deren Ergebnis nun-mehrderöffent.lichkeitunter-breitet wird.

Die Siedlungsmöglichkeiten sind in Österreich aus verschiedenen Gründen äußerst beschränkt. Die Ursachen hiefür liegen darin, daß jeder Quadratmeter Boden seinen Eigentümer hat, daß besonders in den Gebirgsgauen ausgesprochener Bodenhunger herrscht, und daß schließlich die weichenden Kinder soweit möglich mit Grund und Boden aus dem eigenen Besitz versorgt werden.

Für die Volksdeutschen kommen nun nur solche Gründe in Betracht, die über diesen Bedarf hinaus frei sind. Dabei ist zu unterscheiden zwischen sofort nutzbaren oder fertigen Flächen, die entweder vom Großgrundbesitz und den Kirchen abgegeben werden (vor allem in Niederösterreich und Burgenland), oder als ehemalige Truppenübungsplätze nach Rückführung in den österreidiischen Besitz zur Wiederbesiedlung gelangen (zum Beispiel Dölleriheim im Waldviertel); und zwischen meliorierten beziehungsweise zu meliorierenden Flächen, die durch den ehemaligen Besitzer vor der Melioration wohl extensiv, nach der Melioration aber aus verschiedenen Gründen nicht mehr bewirtsdraftet werden können.

Hier verhält es sich folgendermaßen: Ein Drittel bis die Hälfte der gesamten Meliorationsfläche umfaßt Kleinanlagen — meistens einzelner Besitzer — mit einem maximalen Flädienausmaß von fünf Hektar. Diese Flächen scheiden selbstverständlich von vornherein für eine Siedlungsaktion aus, da sie überwiegend im unmittelbaren Hofbereich liegen und nach der Melioration unter allen Umständen vom Besitzer selbst — und zwar intensivst — bewirtschaftet werden.

Die größeren Flächen werden fast aus-sdiließlich im Rahmen von Ent- oder Bewässerungsgenossenschaften melioriert, wobei der einzelne Interessent wiederum nur mit einigen wenigen Hektaren beteiligt ist.

Erst bei Großanlagen über 100 bis 200 Hektar ist die Möglichkeit gegeben, siedlungsfähige Flächen auszuscheiden, da dann die zu meliorierende Fläche oft die wirtschaftliche oder finanzielle Kraft des Besitzers übersteigt und so die Abstoßung von Boden erzwungen wird. Hieher gehören: versumpfte Talböden, wie im Klagenfurter Becken, Ennstal, Ober-Pinzgau, Rheintal (Vorarlberg), Laaer Becken (Niederösterreich), Leithagebiet (Burgenland), oder die — allerdings wenig gefragten — großen Moorgebiete wie Leopoldskroner Moor (Salzburg), Ibm-Waidmoos (Oberösterreich) und dergleichen und bewässerungsbedürftige Flächen, wie das Steinfeld (Niederösterreich), Parndorfer Heide (Burgenland). Aus diesen Überlegungen ergibt sich ohne- weiteres, daß aus der österreichischen Nährflächenreserve Siedlerland nur in beschränktem Umfang verfügbar ist und es sich fast ausschließlich um Anbauintensivierung auf eigenem Grund und Boden handelt.

Siedlungsmöglichkeiten

Darüber hat man sich in einer Besprechung im Bundesministerium für Land-und Forstwirtschaft natürlich auch Rechenschaft zu geben versucht. Da der Meliorationskataster, der auch in diesen Fragen klarer zu sehen gestattet, noch nicht vorliegt, sind die nach nüchterner Abschätzung gewonnenen Zahlen natürlich nur Richtwerte, die aber kaum allzuweit von den Gegebenheiten abweichen.

Nach dieser Abschätzung ist anzunehmen, daß auf fertigem Boden etwa 1500 Siedlerstellen auf Meliorationsboden „ 500 . zusammen somit 2000 Siedlerstellen geschaffen werden können. Das heißt also, auf 20.000 Hektar können 2000 Familien als selbständige Bauern seßhaft gemacht beziehungsweise bei einer Kopfzahl von fünf Köpfen je Familie, 10.000 Volksdeutsche untergebracht werden. Wenn mit diesem Ergebnis wohl die weitgespannten Hoffnungen stark enttäuscht werden, s'o ist doch selbst dieses Ausmaß an Siedlung nur unter größten finanziellen Opfern möglich, wie die nachfolgende Kostenübersicht erweist.

Siedlungskosten

Die folgende Aufstellung wurde ebenfalls in gemeinsamer Besprechung im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft erarbeitet. Demnach stellen sich die Kosten für eine Siedlerstelle mit zehn Hektar Fläche — welches Ausmaß auch im Hinblick auf den Bauaufwand zweckmäßig erscheint — wie folgt:

Finanzielle Übersicht

Der Bedarf an Geldmitteln stellt sich übersichtlich wie folgt:

H i e t o n

S S 5 e . er.

M £Ü 3.3 $3 .?3 Is •£

w “ E u- wü 52 -.S in Millionen'Schilling

A 1.500 15.000 600 165 150 285 B 500 5.000 250 59 94,5 96,5

A u. B 2.000 20.000 850 224 244,5 381,5 Diese Aktion, die in etwa fünf Jahren durchzuführen wäre, erfordert somit außer den Eigenleistungen der Siedler insaesamt 626 Miliinnen Srhi'Ilinn h-rio.

Hungsweise bei Durchführung in fünf Jahren jährlich rund 45 Millionen öffentliche Mittel und rund 59 Millionen anderweitige Zuwendung. Hiebei ist allerdings die Frage restlos ungeklärt, woher der Bund bei der gegebenen Finanzlage die jährlich zusätzlich erforderlichen Mittel nehmen soll.

Weiter bleibt zu bedenken, daß die 5000 Hektar Meliorationsfläche nur im Rahmen einer großen Meliorationstätigkeit gewonnen werden kann, aus der sich ' eben diese Flächen ausscheiden lassen. Mit anderen Worten: Die derzeitige Meliorationstätigkeit müßte sich mindestens vervierfachen.

Nutzung und Ertrag einer Fläche von 20.000 Hektar

Abschließend soll auch der volkswirtschaftliche Wert dieser Siedlungsaktion kurz beleuchtet werden:

Gesamt-

Prozent Ertrag betrag

Nutzung der Flache je Hektar in

Fläche ha in. Zentner Tonnen

Körnerfrüchte 45 9.000 15 13.500

Kartoffeln 15 3.000 160 48.000

Hülsenfrüchte 5 1.000 13 1.300

Rüben 5 1.000 260 26.000

Grünland 30 6.000 60 36.000

12T8ÖÖ somit rund 125.000 t.

Mit diesem Ertrag können bei intensiver Bewirtschaftung außer den Siedlern rund 20.000 Menschen zusätzlich ernährt werden.

Weitere Siedlungsmöglichkeiten

Neben den oben gegebenen Möglichkeiten gibt es nun noch eine weitere, die gewiß auch wesentlich zur Lösung der Frage beitragen kann. Dies sind Aktionen rein privaten Charakters, welche mit ausreichenden Geldmitteln arbeiten und auf den regulären Kauf von Bauernanwesen abzielen. Eine Reihe von Bauerngütern sind durch mangelnden Nachwuchs, durch Landflucht der Anerben oder auch durch besondere Umstände frei verkäuflich. Hier wird ein gut organisierter Nachrichtendienst beziehungsweise die Einschaltung der Landwirtschaftskammern die verkäuflichen Güter erfassen lassen und so die Einsetzung neuer Bauerngeschlechter ermöglichen, die, mit Eifer und Hingabe erfüllt, ihre Arbeitskraft der Scholle widmen wollen.

Ist die Aktion notwendig?

Bei Betrachtung der angegebenen Erfordernisse kann wohl der Gedanke auftauchen, ob sich denn diese finanziellen Aufwendungen rentieren und ob es nicht einfacher wäre, alles zu tun, um die An-siedlung der Volksdeutschen in Ubersee auch von Seiten Österreichs zu fördern.

Auf die volkswirtschaftliche Rentabilität der Meliorationen an sich wie auf die unabweisbare Notwendigkeit ihrer Durchführung hat der Verfasser in seiner früher zitierten Arbeit hingewiesen. Es bleibt auch kein anderer Weg zur Erweiterung der Ernährungsbasis, denn der Boden eines Landes läßt sich auf friedlichem Wege — kriegerischer Landraub kommt ja nicht in Frage — eben nur durch Melioration vermehren. Die Ansiedlung wertvollster Volksteile in der Landwirtschaft in Form von Familienbetrieben ist aber gerade im Zusammenhang mit der Melioration ein Gebot der Stunde, da es eines der schnellst wirksamen Mittel ist, dem Mangel an ländlichen Arbeitskräften abzuhelfen und gleichzeitig den Ertrag zu intensivieren. Die für diese Aktion Österreich zur Verfügung gestellten Mittel wirken somit dreifach: als Beitrag zur Lösung der Volksdeutschenfrage, als Verminderung des Devisenaufwandes für Lebensmitteleinfuhr und Erweiterung der Ernährungsbasis und als Stärkung der Wirtschaftskraft und damit der Selbständigkeit und Unabhängigkeit Österreichs.

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