"Die Bootsankünfte sind ein Drama“

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Mit welchen Menschenrechts-Verletzungen Flüchtlinge in der EU konfrontiert sind, erklärt Beat Schuler vom UN-Flüchtlings-Hochkommissariat (UNHCR). Schuler ist als Leiter der Rechtsabteilung im Regionalbüro Rom zuständig für den Schutz der Flüchtlinge in Südeuropa.

Die Furche: In Malta werden Immigranten ohne Papiere interniert. Wie schätzen Sie die menschenrechtliche Lage auf der Insel ein?

Beat Schuler: UNHCR hat gerade die maltesische Regierung aufgefordert, die Internierung zu stoppen. Die ankommenden Flüchtlinge sollten nach der Aufnahme ihrer Personaldaten freigelassen werden wie in anderen europäischen Ländern auch. In Italien gibt es keine Internierung, in Griechenland aber schon.

Die Furche: Welche sind die größten Missstände im Umgang mit Flüchtlingen in der EU?

Schuler: Ganz klar sollte es genügend Erstaufnahmeplätze für Asylwerber geben. Für anerkannte Flüchtlinge gibt es zuwenig Integrationsmaßnahmen wie Sprachkurse oder Arbeitstrainings. Mit der Fairness der Asylverfahren in der EU sind wir zufrieden. Griechenland hat gerade ein neues Asylsystem eingeführt. Es gibt Anlass zur Hoffnung, dass die Griechen nun qualitativ besser arbeiten werden.

Die Furche: Fühlt sich Malta von den ankommenden Flüchtlingen zu Recht überfordert?

Schuler: Malta hat wegen seiner geringen Bevölkerungszahl einen hohen Pro-Kopf-Anteil an Flüchtlingen. Dennoch sollten die 1500 Flüchtlinge, die seit Jahresbeginn angekommen sind, für Malta zu bewältigen sein. Den ganzen September über ist kein Boot angekommen. Die meisten Boote gehen auf Lampedusa an Land oder schaffen es sogar bis nach Sizilien.

Die Furche: Die betroffenen Mittelmeer-Länder kritisieren, dass die EU sie alleine lässt.

Schuler: Das Problem in den Mittelmeer-Ländern ist nicht so sehr die Anzahl der Flüchtlinge gemessen an der Gesamtbevölkerung. Deswegen argumentieren die anderen EU-Staaten: "Wir haben unseren Flüchtlingsanteil bereits aufgenommen.“ Das Problem sind die dramatischen Umstände bei der Ankunft der Flüchtlinge per Boot. In Österreich kommen die Flüchtlinge alleine oder in kleinen Gruppen über die Grenze. Auf den Booten hingegen kommen große Gruppen auf einmal, und es spielen sich Dramen ab: Es werden Leute vermisst, oder sie kommen um, weil die Bedingungen so schlimm sind auf den Booten.

Die Furche: EU-Kommissionspräsident Barroso hat eben Lampedusa besucht. Wie soll die EU reagieren?

Schuler: Die EU sollte Mechanismen schaffen, um den Flüchtlingen einen sicheren Zugang nach Europa zu ermöglichen. Die Menschen sind auf Schlepper angewiesen, müssen sich auf gefährlichen Booten auf Hohe See hinauswagen. Ein weiteres Problem, das geregelt gehört: Wenn private Schiffe beordert werden, in Seenot geratene Migranten aufzufischen, entsteht die Streitfrage, welches Land diese Menschen aufnimmt. Da bräuchte es vernünftige Regeln, damit auch die Binnenstaaten diese Menschen aufnehmen. Das ist aber leider nicht realistisch, weil diese nicht noch mehr Leute aufnehmen wollen. (ein)

Beat Schuler

Er ist als Rechtsleiter des UNHCR-Büros in Rom zuständig für den Schutz der Flüchtlinge in Südeuropa: "Wir haben Maltas Regierung aufgefordert, die Internierung zu stoppen. Die 1500 Flüchtlinge seit Jahresbeginn sollte Malta bewältigen können.“

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