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Die Einiger stellen die Einigung in Frage

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Österreich setzt keine Akzente: „Die österreichische Regierung geht völlig ambitionslos in die Regierungskonferenz. Und das ist vielleicht das fatalste aller gebrochenen Versprechen, weil ja die Volksabstimmung mit dem Argument und dem Slogan gewonnen wurde: „Wir werden die EU von innen verändern”. Und die entscheidende Möglichkeit wäre die Regierungskonferenz '96.

Leider ist Österreich in den Vorbereitungen in keiner Weise in Erscheinung getreten. Die Regierungskonfe-renz ist eine Revisionskonferenz, die vorgesehen war, um das Funktionieren des Maastrichtvertrages zu überprüfen.

Und das ist das Skurrile: Es. ist eine Revisionskonferenz, die das größte politische Projekt des Maastrichtvertrages, die Währungsunion, das die verheerendsten Folgen hat, nicht einmal auf die Tagesordnung setzt.”

Konvergenzkriterien: „Der Mythos, daß die Budgetkonsolidierung ohnedies einmal erfolgen hätte müssen, stimmt einfach nicht. Tatsache ist, daß Österreich bis 1992 die Konvergenzkriterien auf Punkt und Beistrich erfüllt hat. Was uns das Genick gebrochen hat, sind 50 Milliarden Schilling Beitrittskosten statt zwölf Milliarden und die Verschwendungspolitik, um die Nationalratswahlen zu gewinnen. Es stimmt schon, daß wir eine Budgetkonsolidierung brauchen. Aber sie würde ohne Währungsunion ganz anders ausschauen. Und vor allem würden dann nicht 15 Mitgliedsländer zugleich sparen. Dann wäre auch die Rezession nicht eingetreten und man hätte mit dem Wirtschaftswachstum die Budgetkonsolidierung finanzieren, langfristige Strukturreformen durchführen und das Budget sanieren können. Die Konvergenzkriterien haben in Wahrheit mit der Währungsunion nichts zu tun. Deutschland hat gezeigt, daß man eine Währungsunion über Nacht einführen kann. Luxemburg und Belgien bilden seit Jahren eine Währungsunion, obwohl Luxemburg alle Kriterien erfüllt und Belgien überhaupt nicht. Die Konvergenzkriterien dienen ausschließlich dazu, den Wirtschaftsliberalismus in Europa durchzusetzen. Man will soziale Netze zerreißen und die soziale Marktwirtschaft beenden.”

An Neutralität festhalten „Die Neutralität ist keineswegs ein irrationaler Mythos dieses Landes. Sie ist ein politisch sehr wichtiges Instrument der Sicherheitspolitik mit großen Vorteilen. Und man sollte genau prüfen, bevor man es zusammenschlägt. Doch die Neutralität wird von Vertretern der Bundesregierung ständig unterhöhlt. Was seitens der Bundesregierung geschieht, ist eine ständige Verfassungsverweigerung, weil die Verfassung aktives Eintreten für die Neutralität vorschreibt.”

Soziale Spannungen & Nationalismus „Die Union glaubt, mit der Währungsunion steht die europäische Einigung unwiderruflich. Das ist der große Traum von Helmut Kohl, daß, wenn er abtritt, Europa als Bundesstaat einzementiert ist. Und da liegt die größte Gefahr: Wenn man die ständig wachsende Ablehnung der EU übersieht, dann wird genau diese Einigung in Frage gestellt. Die Regierungskonferenz antwortet nicht auf Spannungen, Konflikte und Krisensituationen, die die Menschen empfinden. Ich wurde oft kritisiert, weil ich gesagt habe, daß die EU Nationalismus und Rassismus fördert. Aber genau eine Politik, die die sozialen Spannungen verschärft, gibt der politischen Rechten bis hin zum Nationalismus und zu faschistischen Bewegungen neuen Auftrieb. Es werden leider nicht die Sozialbewegungen verstärkt, sondern in der Welle des Protestes wird die politische Rechte emporgeschwemmt.”

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