Die ewige Baustelle Glücksspielmarkt

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Seit Jahren bastelt man an einem längst überfälligen Gesetz, das den Markt für das Glücksspiel regeln soll. Die Vorschläge dafür sind lobenswert.

„Es gibt wahrhaft wichtigere Gesetze als das Glücksspielgesetz, ich kenne aber kein Gesetz aus letzter Zeit, an dem schon so lange herumgedoktert wird.“ Dieser Ausspruch eines langgedienten Parlamentariers spricht Bände. Dabei ist der österreichische Glücksspielmarkt seit Längerem eine Baustelle, bei der sich eine Sanierung lohnen würde. Denn jeder Haushalt gibt durchschnittlich 600 Euro pro Jahr für das Glückspiel aus und der Bund lukriert fast 500 Millionen Euro an Steuern daraus.

Wettbewerb versus Monopol

Es ist das Verdienst von Leo Wallner, der vor 42 Jahren den Grundstein nicht nur für eine neue österreichische Casinogesellschaft legte, die die damals im Verruf stehenden österreichischen Spielbanken ablöste, sondern dem Glücksspiel an sich zu Ansehen verhalf. Casinos Austria hatte lange Zeit eine Monopolstellung. In den 90er-Jahren begann dieses Monopol abzubröckeln und vor einigen Jahren kam es zu einem Knick in der Erfolgsgeschichte. Betrug das Bruttospielergebnis 2002 noch 228 Millionen Euro, so sank es bis 2009 kontinuierlich auf 182 Millionen Euro. Aktuell steht Casinos Austria vor dem Problem, dass rund 70 Prozent der Erlöse im Automatengeschäft erwirtschaftet werden, aber 70 Prozent der Personalkosten auf die sogenannten Lebendspiele fallen. Man braucht daher den Gesetzgeber und eine Senkung der Spielbankenabgabe, um profitabel zu wirtschaften. Ein echtes Erfolgsrezept für die Zukunft ist allerdings noch nicht gefunden.

Während das Casino in Baden lange Zeit als Europas größter Spielsalon gepriesen wurde, begann daneben in Gumpoldskirchen der Aufstieg einer Automatenfirma zu einem Big Player am weltweiten Glücksspielmarkt. Bloß eines blieb der Novomatic – deren Alleineigentümer Johann F. Graf beinahe den „American Dream of Life“ verkörpert, indem er den Aufstieg vom Fleischhauerlehrling zum Alleingesellschafter eines Weltkonzerns schaffte – verwehrt, nämlich der Betrieb eines Herzeige-Casinos in der Heimat.

Das Abblocken der Konkurrenz beherrschte die Führung von Casinos Austria dank eines exzellenten politischen Netzwerkes perfekt. Bis eines Tages auch die Konkurrenz auf den Plan trat. Den Anfang machte 1993 Peter Zanoni mit der Eröffnung eines Poker-Casinos, namens CCC, auf Basis einer Gewerbeberechtigung für das Veranstalten erlaubter Kartenspiele ohne Bankhalter. Heute ist Poker eines der beliebtesten Kartenspiele, zählt man fast 100.000 registrierte Gäste, jährlich eine Million Besucher, davon gut ein Drittel aus dem Ausland. Anstatt die Herausforderung des neuen Wettbewerbs anzunehmen, versuchte man mit einer Flut von anonymen Anzeigen und Klagen, dem neuen Mitbewerber das Lebenslicht auszublasen. Was letztlich nicht gelang. Trotzdem, eine nachhaltige Regelung für die Pokercasinos ist ein Gebot der Stunde.

Kampf dem illegalen Markt

Ein besonderer Sanierungsfall ist das „kleine Glücksspiel“ (gemeint sind damit Automaten, auch „einarmige Banditen“ genannt, die in Cafés, Wirtshäusern und Tankstellen Spieler anlocken). Derzeit ist es nur in vier Bundesländern (Wien, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten) zugelassen. Theoretisch. Denn genau genommen zählt man in Österreich 7000 reguläre Slotmaschinen und an die 10.000 illegale Geräte. Diese stehen überall und vor allem dort, wo das kleine Glücksspiel verboten ist. In Oberösterreich sollen es bis zu 5000, in Salzburg an die 2000, in Tirol über 1000 und im sittlichen Ländle etwa 300 sein. Viele wissen von der illegalen Szene (siehe die für jedermann zugängliche Website www.spieler-info.at), aber niemand schritt bislang dagegen ein.

Ein Fall „sui generis“ ist der Internetsektor. Begonnen hat es damit, dass in den 90er-Jahren auch in Österreich das Wetten, zunächst mehr oder weniger auf Fußballspiele, immer populärer wurde. Sukzessive begann sich auch im Internet eine Spielszene zu entwickeln. Man musste nicht mehr in einem Wettbüro seinen Tipp abgeben, sondern konnte zu Hause dem Vergnügen am Computer frönen. Eine unübersehbare Fülle von Providern mit dubiosen und vor allem für die Finanz nicht nachvollziehbaren Firmensitzen etablierte sich – zumeist in Steueroasen. In Österreich entstand unter anderem „bwin“, das heute eine Leading-Rolle am internationalen Markt spielt, wenngleich ständig mit Anzeigen und Gerichtsverfahren konfrontiert. Wahrscheinlich noch bis 2012, weil das grenzenlose Internet mit einer nationalen Regelung nicht wirklich in den Griff zu bekommen ist und man daher auf eine EU-Vorgabe wartet.

Das Spiel mit dem Glück ist die eine, die mitunter krankhafte Sucht, das Glück im Spiel zu suchen, die andere Seite. Auch hier besteht Handlungsbedarf. Wie es um die Spielersucht in Österreich bestellt ist (an die 70.000 Spieler sind gesperrt), zeigt ein Forschungsbericht der Spielsuchthilfe (2007). Demnach gelten für 81,4 Prozent gefährdeter Spieler Automatenspiele, für 26 Prozent Casinospiele, für (damals erst im rasanten Anstieg begriffene) neun Prozent Internetspiele und nur für acht Prozent Kartenspiele als „problemhafte“ Spielarten. Was übrigens dazu führt, dass mittlerweile Poker (weil es mehr das Köpfchen und weniger die ungezügelte Emotion anspricht) zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wird. Die neue vom Gesetzgeber vorgesehene Poker-Spielbank ist freilich kein Rehab-Zentrum, sondern die Anerkennung dafür, dass Poker mittlerweile ein beliebtes Spiel ist.

Seit 2006 werden Anläufe unternommen, den Glücksspielmarkt neu zu ordnen. Finanz-Staatssekretär Reinhold Lopatka blieb es vorbehalten, ein Glücksspielgesetz erarbeiten zu lassen, das mit Fug und Recht – wenn noch einige Adjustierungen erfolgen – als ein guter Wurf bezeichnet werden darf. Das erkennt man daran, dass es im Augenblick eine Fülle von Interventionen dagegen gibt: Von solchen, die ihre Monopolstellung am liebsten einbetonieren würden und den fairen Wettbewerb scheuen, von jenen, denen die Regulierung zu wenig weit geht, die das Spiel an sich am liebsten verdammen würden, wie ebenso von jenen, die mit dem illegalen Markt ein gutes Geschäft gemacht haben und jetzt plötzlich die Welt nicht mehr verstehen wollen.

Vorbild Italien

Es kommt selten vor, dass man sich an der italienischen Gesetzgebung ein Beispiel nimmt, bei der geplanten Glücksspielgesetz-Novelle ist dies aber der Fall. Die Italiener sind ein spielfreudiges Volk. Bis man auch in Italien fand, dass man das Geld, das die Leute ins Glück(spiel) zu investieren bereit sind, nicht ins Ausland abwandern lassen sollte. Also entschied man sich, den Glücksspielmarkt zu ordnen. Angesichts von allein 400.000 Automaten keine leichte Sache. Daher schuf man eine eigene Monopolbehörde unter Aufsicht des Staates. Jeder Spieler muss sich registrieren lassen, jedes Spielgerät mit dem Amtscomputer vernetzt werden. Die e-Card darf so nicht nur für die Gesundheit sondern auch für den Schutz vor ungebremster Spielsucht herhalten.

Auch in Österreich sollen nun alle Spielautomaten an das Bundesrechenzentrum angeschlossen werden. Die Zahl der Automaten soll außerdem nach oben begrenzt werden. Glücksspiel-Sheriffs sollen im Auftrag einer eigenen Soko auf die Einhaltung der Gesetze achten. Zwecks besserer Kontrolle soll nicht jeder Cafetier Automaten aufstellen dürfen, sondern soll dieses Geschäft durch bis zu drei, streng kontrollierten Betreiber-Gesellschaften erfolgen, wobei die Präferenz bei der Errichtung von Spielhallen mit Eintrittskontrolle liegt. Dass die Zahl der Voll-Casino-Lizenzen von derzeit 12 auf 15 aufgestockt werden soll, ist eine österreichische Lösung. Den Casinos Austria soll nichts weggenommen, dafür Novomatic etwas gegeben werden. Allerdings, die Letztentscheidung wird im Zuge einer EU-weiten öffentlichen Ausschreibung aller Casino-Lizenzen getroffen. Und da erhält den Zuschlag der Bestbieter. Unter dem Argusauge der EU-Wettbewerbshüter.

* Der Autor ist Publizist und Politikberater

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