Die gelben Streifen für die Tigerenten-Koalition

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Die deutsche Bundestagswahl spitzt sich auf die Fragen zu: Bekommt das schwarz-gelbe Bündnis zwischen Union und Freien Demokraten eine Mehrheit? Und wenn nicht, was dann?

Es ist Guido Westerwelles dritter Anlauf, um mit der FDP nach elf Jahren Opposition den Sprung zurück auf die Regierungsbank zu schaffen. Damit würde die erste „Tigerenten-Koaltion“ – benannt nach der schwarz-gelb-gestreiften Janosch-Kinderbuchfigur – nach der Ära Helmut Kohl wieder Wirklichkeit. Und ein Außenminister Westerwelle – das ist zumindest dessen Wunschszenario für die Zeit nach der deutschen Bundestagswahl am kommenden Sonntag. Damit könnte er an seine FDP-Vorgänger im Außenamt Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel anschließen und die Skeptiker seiner Person und seines Politikstils eines Besseren belehren.

Aus früheren „Spaßpolitiker“-Fehlern gelernt hat der 47-jährige Jurist jedoch in seinen beiden bislang misslungenen Bundestagswahlkämpfen am meisten selbst: Heute steht er offen zu seiner Homosexualität – was den Beliebtheitswerten des liberalen Politikers weder groß nützt, noch schadet. Und auch das Image des oberflächlichen Yuppies, der in den „Big Brother“-Container springt und mit dem „Guido-Mobil“ wahlkämpfend durch die Lande fährt, hat er mittlerweile abgestreift. So wie seine legendären „18-Prozent-Schuhe“. Im Wahlkampf 2002 hat Westerwelle seine Schuhsohlen gehoben und eine mit gelber Farbe geschriebene „18“ in die Kameras gestreckt. Inzwischen sind die Boss-Schuhe in Größe 8,5 im Schuhmuseum Hauenstein in der Südpfalz ein Kultobjekt und der FDP-Chef meint rückblickend: „Das war im wahrsten Sinne des Wortes eine Schnapsidee“ und ein Schritt auf dem Weg zur Wahlniederlage mit gut sieben Prozent.

Aber was, wenn es auch bei Westerwelles drittem Anlauf nicht klappt, sich Schwarz-Gelb wieder nicht ausgeht? Die Ochsentour in der Opposition ginge von vorne los, und eine Führungsdebatte in der FDP wäre unvermeidlich. Könnte Westerwelle dann erneut – so wie 2005 bei Gerhard Schröder – dem Werben der SPD um eine rot-gelb-grüne Ampel-Koalition widerstehen?

Um die Versuchung danach besser ablehnen zu können, hat die FDP-Spitze vor der Wahl die Tür zu einer Ampel jedenfalls schon einmal fest zugeknallt. Westerwelle beim FDP-Parteitag am vergangenen Sonntag: „Morgens sagt der Steinmeier, ich wäre der Teufel. Abends will er mit uns Hochzeit feiern: Wir sind liberal – blöd sind wir nicht!“ Der Saal tobte bei dieser Ampel-Absage. Doch die ausschließliche Festlegung auf Schwarz-Gelb schmeckte nicht allen Delegierten der Freien Demokraten. Die FDP hat sich damit wieder auf Gedeih und Verderb an die Union gekettet, warnen Skeptiker. Vor vier Jahren ging das schon einmal schief. Damals fanden sich die Liberalen trotz eines fast Zehn-Prozent-Ergebnisses nach einem verkorksten Wahlkampf – vor allem von CDU/CSU – wieder im Hintertreffen.

Erfolge für „Anwalt der vergessenen Mitte“

Und heute: In ihrer Position als „Anwalt der vergessenen Mitte“ holte die FDP bei nahezu allen Wahlen der vergangenen Jahre mehr Stimmen. So zuletzt in den Bundesländern Thüringen, in Sachsen und im Saarland. Freidemokraten regieren inzwischen in sechs großen deutschen Bundesländern mit. Im Bund sind sie bei Umfragen seit Langem stabil zweistellig. Ein „Ampel-Umfaller“ nach der Bundestagswahl hätte für sie verheerende Folgen bei den anschließenden Wahlen in Ländern und Gemeinden. In einem Ampel-Bündnis mit SPD und Grünen fürchtet die FDP zudem, völlig zerrieben zu werden.

Außerdem sind es ja gerade die beiden roten Parteien und die Grünen, die Westerwelle und seine FDP als sozial kalt, neoliberal und marktradikal abqualifizieren. Jedoch gerade die Wirtschafts- und Finanzkrise hat der Partei politisch bisher nicht geschadet. Die Freidemokraten sind die einzigen, die ohne Wenn und Aber auf Steuersenkungen bestehen. Mit mehr Wachstum sowie dem Abbau von Subventionen und Schwarzarbeit soll das finanziert werden. Das Steuerthema ist die Kernforderung der FDP im Wahlkampf. „Bessere Bildungschancen“ und „mehr Bürgerrechte“ kommen hinzu.

Atomkraft als Hindernis für Ampelkoalition

Bei diesen beiden Punkten teilen auch Grüne und SPD viele Ansichten mit der FDP. Deren Forderungen nach Steuersenkungen und erst recht nach einer weiteren Nutzung der Atomkraft sind aber Punkte, die vor allem die Grünen nicht mittragen wollen. Umgekehrt lehnt die FDP die Grünen-Forderungen nach Mindestlöhnen und einer Begrenzung von Managergehältern ab.

Aber wie formuliert es Grün-Spitzenkandidat Jürgen Trittin so schwammig-schön: „Koalitionen sind Verabredungen zwischen politischen Gegnern auf Zeit, in denen sich politische Gegner verständigen – wir haben einen bestimmten Kanon von Vorstellungen und vielleicht kommt man zusammen.“

Wer kommt nach dem 27. September zusammen? Geht sich die „Tigerente“ nicht aus, wird’s schwierig. Dann muss Kanzlerin Angela Merkel erklären, warum eine „Große Koalition neu“ nicht so schlecht ist. Oder Westerwelle muss doch noch die Ampel einschalten. Rhetorisch bringt er das sicher hin – von Experten wurde er unlängst zum besten politischen Redner unter den deutschen Politikern gekürt.

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