Die Gräfin hat den Journalismus geadelt

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Freitag vergangener Woche ist die Journalistin Christine von Kohl im Alter von 86 Jahren verstorben. In den Meldungen zu ihrem Ableben wurde sie noch darüber hinausgehend als Menschenrechtsverfechterin, Balkan-Expertin, Doyenne der Auslandspresse, Buchautorin und vieles mehr bezeichnet. Doch Frau von Kohl hat diese Zuschreibungen gar nicht nötig. Allein schon Journalistin gewesen zu sein, hat sie zum zweiten Mal nach ihrem Namen geadelt; und sie hat mit ihrem Berufsverständnis und damit, wie sie diesen Beruf gelebt und mit Leben erfüllt hat, den Journalismus geadelt.

Als Journalistin war Christine von Kohl die österreichische Marion Gräfin Dönhoff. So wie die legendäre Herausgeberin der deutschen Wochenzeitung Die Zeit hat von Kohl Stil in diesem oft leider stillosen Geschäft hochgehalten. Von Kohl ist der Typ Mensch gewesen, neben dem man nicht lümmelt - weder was die körperliche noch was die Geisteshaltung betrifft. Vis-à-vis von Christine von Kohl musste man Haltung zeigen - jeder und jede.

Kongenial: Kohl und Libal

Zum Beispiel bei einem Balkan-Symposium in Wien, im November letzten Jahres, wo über die fehlende Versöhnung in Südosteuropa diskutiert wurde. Da hat sich Frau von Kohl aus dem Publikum zu Wort gemeldet. Sie kritisierte eine ehemalige kosovarische Außenministerin und heutige Parlamentsabgeordnete dafür, dass diese ihren Redebeitrag lust- und niveaulos vom Blatt abgelesen hat. Von Kohl sagte zu der Frau, die sie schon lange kannte, sie solle mutiger sein, sie solle doch die Probleme ihres Landes offen ansprechen. Von Kohl verabscheute nämlich Herumgetue, diplomatische Floskeln und Rücksicht und Nachsicht, besonders wenn es um "ihren" Balkan gegangen ist.

"Den Blick des professionellen Journalisten, des begeisterten Balkan-Kenners und gleichzeitig des leidenschaftlich engagierten Demokraten, den haben Wolfgang Libal und Christine von Kohl uns vorgezeigt", hat ORF-Journalist Raimund Löw zum 90. Geburtstag von Wolfgang Libal in der FURCHE geschrieben. Libal und von Kohl waren das kongeniale Journalisten-Ehepaar: Er ein wenig konservativer als sie, sie eine Spur revolutionärer als er. Erst gemeinsam waren sie komplett. Wie sehr Frau von Kohl ihr Wolfgang Libal nach dessen Tod vor knapp einem Jahr abgegangen ist, kann man aus wenigen Zeilen in ihrem letzten Buch "Eine Dänin am Balkan" (Wieser Verlag, 2008) herauslesen. Ihr hat der intellektuelle Sparringspartner gefehlt, mit dem sie die Liebe zueinander und die gemeinsame Liebe zum Balkan geteilt hat.

Der Balkan, Frau von Kohls Balkan: 17 Jahre, bis 1985, hat Christine von Kohl als Korrespondentin in Belgrad gelebt und gearbeitet. "Eine mühsame, aber faszinierende Stadt" hat sie gesagt. Die Andersheit des Balkans gegenüber ihrer Heimat Dänemark mag eine Erklärung dafür sein, dass sie dieser Region ein Leben lang treu geblieben ist. Und dass sie sich ein Leben lang für das Weiterkommen dieser Länder und der dortigen Menschen eingesetzt hat. "Grüßen Sie Ihr dänisches Volk von uns!" Mit diesem Auftrag im Gepäck ist Christine von Kohl einmal von einer Reise vom Balkan zurückgekehrt - und diesem Wunsch ist sie wie keine zweite nachgekommen: in Dänemark, in Deutschland, in der Schweiz, vor allem aber in Österreich. Diese Grüße werden in Zukunft sehr fehlen - so wie Christine von Kohl.

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