"Die Iraker mögen die UNO nicht"

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Soll ein zweites Haschemiten-Reich neben Jordanien zwischen Euphrat und Tigris entstehen? Sharif Ali bin Hussein, im Exil lebender Vorsitzender des "Irakischen Nationalkongresses", macht sich jedenfalls für diese Variante einer irakischen Nachkriegsordnung stark. Die amerikanischen Pläne hält er für vernünftig, denn die USA seien der bessere Partner als die UNO.

Die Furche: Was haben Sie empfunden, als US-Soldaten Saddam Husseins Statue zu Fall brachten?

Sharif Ali bin Hussein: Amerikanische Soldaten haben den Irakern geholfen die Statue zu Fall zu bringen. Insofern war dieser Vorfall auch ein Symbol für die tatsächlichen Ereignisse. Diese Bilder haben ein Gefühl unbeschreiblicher Freude ausgelöst. Wir haben Jahrzehnte darauf hingearbeitet.

Die Furche: Sind Sie enttäuscht, dass Amerika Sie nicht in die Pläne für Nachkriegsirak einbezogen hat?

Sharif Ali: Wir sind mit den Amerikanern in ständigem Gespräch. Sie suchen unseren Beitrag. Die US-Administration unterstützt uns, wenn auch aus unterschiedlicher Richtung. Ahmed Jalabi ist der Favorit des Pentagons, während ich engere Beziehungen zum State Department habe.

Die Furche: Warum bleibt die Opposition dann bislang im Hintergrund?

Sharif Ali: Es gab bereits erste Gespräche mit Repräsentanten der befreiten Iraker. Künftig wird es viele solcher Treffen geben. Wir durften auf keinen Fall den Eindruck entstehen lassen, die irakische Opposition im Ausland nimmt eine dominierende Rolle ein, bevor die Oppositionellen im Irak ausreichend ihre Meinung äußern konnten.

Die Furche: Haben Exilanten Glaubwürdigkeit gegenüber jenen, die zurückbleiben und leiden mussten?

Sharif Ali: Nur wenn wir die Belange jener in den Vordergrund rücken, die gelitten haben.

Die Furche: Werden irakische Oppositionsführer als "amerikanische Marionetten" angesehen werden?

Sharif Ali: Das hängt davon ab. Einige werden stark mit der US-Administration identifiziert. Andere haben kaum Verbindung zu den Staaten.

Die Furche: Haben die führenden Oppositionsgruppen eine gemeinsame Vision für den zukünftigen Irak?

Sharif Ali: Unser erstes gemeinsames Ziel war der Sturz Saddam Husseins. Das ist erreicht. Nun müssen wir gemeinsam die Demokratie implementieren. Konkrete Pläne gibt es noch nicht.

Die Furche: Wie kann die USA in der mannigfaltigen irakischen Opposition die "richtigen" Personen finden?

Sharif Ali: Das ist die große Frage, zu der es noch keine Antwort gibt. Bislang haben wir keinen Mechanismus entwickeln können, nach dem geeignete Personen in die irakische Interimsregierung eingesetzt werden. Auch hierüber müssen wir erst mit den inländischen Gruppen sprechen.

Die Furche: Wie stehen die Iraker gegenüber den Vereinten Nationen?

Sharif Ali: Die Iraker mögen die UNO nicht. Sie verbinden damit Sanktionen und das Gefühl, im Stich gelassen zu werden. Obwohl Saddam Hussein Menschen ermordet und brutal unterdrückt hat, haben sich die Vereinten Nationen nicht eingeschaltet. Käme die UN jetzt in den Irak, befürchten wir eine Aushöhlung unserer Souveränität.

Die Furche: Warum?

Sharif Ali: Das Verbleiben der UNO in Irak wäre völkerrechtlich legitim. Bei der Frage, wann die Blauhelme das Land wieder verlassen sollen, liefen wir aber Gefahr , zum Spielball eines neuen Machtkonflikts innerhalb der UNO, zwischen Russland, Frankreich und China auf der einen Seite und den USA und Großbritannien auf der anderen, zu werden.

Die Furche: Den USA müssten sich die Iraker auch unterordnen.

Sharif Ali: Trotzdem sind die Amerikaner der bessere Partner für uns. Deren Stärke bedeutet auch, dass sie getroffene Entscheidungen durchsetzen können. Mit Amerika hätten wir einen einzigen Ansprechpartner, zu dem wir Konsens suchen müssen. Bei den USA gibt keine legale Basis, die ihnen den Aufenthalt in Irak länger als notwendig gestattet. Deshalb brauchen wir uns keine Sorgen um deren rechtzeitigen Abzug zu machen. In der Zwischenzeit wollen wir sie dabei unterstützen, ihre sehr vernünftigen Pläne für die Nachkriegsordnung Iraks umzusetzen.

Die Furche: Welche Rolle sollte die irakische Opposition in der Übergangsregierung haben?

Sharif Ali: Wir sind nun keine Opposition mehr. Das Regime ist gefallen und wir sollten uns als politische Parteien bezeichnen. Zunächst müssen wir eine widerstandfähige Demokratie schaffen, um Machtmissbrauch zu vermeiden. Es müssen starke zivile Institutionen - z.B. eine freie Presse - aufgebaut werden. Wie der Weg dahin aussieht, hängt ab von den Gesprächen, die wir in nächster Zeit mit den inländischen Gruppen führen werden. Jeder Schritt, den wir machen, muss den Willen des irakischen Volkes widerspiegeln. Alles andere wäre ein fataler Fehler.

Die Furche: Wie groß ist die Gefahr einer Balkanisierung?

Sharif Ali: Es gibt keine Separationsbestrebungen im Irak. Selbst die Kurden erkennen, dass ihre jetzige Situation die beste aller möglichen Optionen ist. Die Schiiten bilden die Mehrheit und haben keinen Grund, sich abzusondern. Die Sunniten hätten die Wahl, als kleines verarmtes Land zwischen Syrien und der Türkei zu leben. Damit gibt es kein sinnvolles Motiv für Autonomiebestrebungen. Dennoch muss die neue Verfassung Minderheiten schützen. Sie muss garantieren, dass selbst eine starke Zentralregierung Minderheiten nicht unterdrücken kann.

Die Furche: Warum glauben Sie, dass eine konstitutionelle Monarchie für den Irak wichtig ist?

Sharif Ali: Traditionell werden die Haschemiten als neutrale Institution angesehen. Eine Monarchie könnte damit zum stärkeren Verschmelzen der Volksgruppen beitragen. In der konstitutionellen Form könnten wir eine unabhängige Rolle spielen, während die einzelnen Parteien gegeneinander konkurrieren.

Die Furche: Wie können die Iraker ihre Vergangenheit bewältigen?

Sharif Ali: Ich hoffe sehr, dass Saddam lebend gefangen wird. Durch seine Verurteilung können die Emotionen besser verarbeitet werden. Ein Heilungsprozess würde schneller einsetzen.

Die Furche: Wann werden Sie in den Irak gehen?

Sharif Ali: So bald wie möglich, aber nicht mit einem amerikanischen Fahrschein. Ich möchte als freier Iraker in ein freies Land zurückkehren - ohne die Erlaubnis der Amerikaner abzuwarten.

Das Gespräch führte Heike Kreutz-Arnold in London.

Cousin des letzten

Königs und Anwärter für künftigen Thron

Sharif Ali bin Hussein ist der derzeitige Vorsitzende des "Irakischer Nationalkongresses" (INC), dem Dachverband der führenden irakischen Oppositionsparteien. Seine erste politische Funktion ist allerdings die des Parteichefs der "Bewegung der konstitutionellen Monarchie", eine der Parteien des INC. Sollte es im Irak wider gängige Erwartung doch zu einer konstitutionellen Monarchie kommen, wäre der Haschemit Sharif Ali als Cousin des letzten irakischen Königs Faisal II. einer von drei Thronanwärtern. Die meiste Zeit seines Lebens verbrachte der 47-Jährige im Exil. Seine Familie floh 1958 aus dem Irak. Aufgewachsen ist Al Sharif im Libanon und in Großbritannien, wo er als erfolgreicher Investment-Banker reüssierte. Al Sharif ist bekannt für seinen mondänen Lebensstil und verkörpert in seiner Anhängerschaft das Bild zeitgemäßer Monarchie. Sollte Sharif Ali doch noch König von Amerikas Gnaden werden, verspricht er, sich aus der Tagespolitik herauszuhalten und als Integrationsfigur, die über dem Parteiengezänk steht, seinem Land zu dienen. WM

Political Activity

The 46-year-old "pretender" has spent most of his life in exile. His family fled Iraq in 1958 when he was two. He grew up in Lebanon and the UK, where he built up a successful career in investment banking.

He is known for his smart suits and cultured manners, acquiring a reputation for elegance which chimes with his personal ambitions.

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