Die kleine österreichische Welt

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Es scheint alles sehr klein in diesen Tagen. Oder man könnte auch sagen: Die österreichische Welt wird auf die ihr zukommende Größe redimensioniert. Wen interessiert noch, was gestern "in Stein gemeißelt“ war, heute "mit uns sicher nicht“ geht und morgen "erfolgreich für das Land erledigt“ sein wird?

Karl-Heinz Grasser ist ebenso aus den Schlagzeilen und von den Bildschirmen verschwunden wie (auch die deutsche innenpolitische Welt …) Karl-Theodor zu Guttenberg.

Zu Letzterem könnte man allenfalls noch assoziieren, dass sich die meisten Kommentare zur Causa prima der letzten Tage in der Substanz wenig voneinander unterscheiden: Fast alle sagen, dass "wir“ nicht weitermachen können wie bisher - Ratlosigkeit hinsichtlich der Alternativen mit eingeschlossen.

Das soll natürlich keine Rechtfertigung für Guttenberg sein, aber es zeigt doch, dass der Begriff "Plagiat“ letztlich ein relativer ist: Jeder kopiert, schreibt ab, wird kopiert und abgeschrieben. Man kann die Welt nicht immer neu erfinden …

Die Welt neu erfinden

Genau das, die Welt gewissermaßen neu erfinden, stehe nun auf der Tagesordnung: Das drückt die gegenwärtige Befindlichkeit aus; ob es die globale ist, sei dahingestellt, aber jedenfalls die europäische. Österreich wird da ja eher nicht dabei sein, beim Welt-neu-Erfinden. Außer dass wir natürlich dafür sind, dass die anderen das machen. Was hier für Österreich im Kleinen gilt, lässt sich auch von Europa als Ganzes sagen. Österreich verhält sich ja zu Europa ein bisschen so wie Europa zur großen, weiten Welt: ein bisschen selbstüberschätzend, ein bisschen wehleidig, ein bisschen besserwisserisch. (Übertreiben soll man die Parallelen aber auch nicht: Nicolas Sarkozy ist nicht unbedingt der französische Erwin Pröll, oder?)

Offenbar hat die aufmerksamkeitsökonomische Unterversorgung der österreichischen Innenpolitik aber auch ihr Gutes. Jedenfalls scheint ein wenig Bewegung in die SP/VP-Regierung gekommen und manche Front aufgeweicht worden zu sein (Lehrerdienstrecht, Wehrpflicht).

Ob das mehr ist als vorgetäuschte Aktivität, mehr als Formelkompromisse, die beim ersten "Stresstest“ (auch so ein Wort!) wieder knacksen, wird man sehen. Man kennt das ja aus dem Privatleben: Die Eltern müssen dringend und unvorhergesehen fort, die Kinder bleiben unbeaufsichtigt zurück - und beim Heimkommen dann entweder das große Entsetzen ("Was, du hast noch gar nichts getan?“; häufigere Variante) oder die freudige Überraschung ("Schon alles fertig für die Schule - und die Wäsche auch noch aufgehängt und den Geschirrspüler ausgeräumt!“; seltener). Also warten wir’s ab, ob und wie die Regierung die Zeit der medialen "Nichtbeaufsichtigung“ genützt haben wird.

Styrian Spirit

Weit entfernt scheint sie indes von einer Kraftanstrengung entfernt, wie jener, zu der sich die steirische Landesregierung aufgeschwungen hat. Der in diesem Blatt schon einmal despektierlich "Vouvesfraunz“ genannte Landeshauptmann und sein Vize Hermann Schützenhöfer haben ein Spar- und Sanierungspaket vorgelegt, das Achtung abringt. Gewiss, es ist aus der doppelten Not geboren: dem Stehen am Rande des finanziellen Abgrunds; und der Einsicht, dass die Wähler eine zweite Legislaturperiode des Haxlstellens und Wadlbeißens bei den nächsten Wahlen noch deutlicher abstrafen würden. Aber die Notwendigkeit zu drastischen Maßnahmen wäre ja auch in anderen Ländern sowie im Bund gegeben - ohne dass uns von dort ähnliche Nachrichten bislang erreicht hätten. Übrigens: die steirische Landesregierung ist eine sogenannte Große Koalition unter SP-Führung (proporzbedingt mit blauem Einsprengsel). Und Große Koalitionen gibt es bekanntlich, weil sie und nur sie die wirklich großen Probleme lösen können …

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