"Die Koalition wird überleben"

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In Tirol wird am 5. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Landeshauptmann Herwig van Staa (VP), muss mit unerwarteten Schwierigkeiten kämpfen: Die Regierungskrise, ausgelöst durch die massiven Vorwürfe von Ex-Kripo-Chef Herwig Haidinger, spitzt sich weiter zu; und die Tiroler VP bekommt durch Fritz Dinkhausers Kandidatur Konkurrenz aus den eigenen Reihen.

Die Furche: Herr Landeshauptmann, was sagen Sie zu Kanzler Alfred Gusenbauers ultimativer Forderung, die Steuerreform auf 2009 vorzuziehen? Wird es nun Neuwahlen geben?

Herwig van Staa: Ich möchte derzeit dazu nicht Stellung nehmen.

Die Furche: Wird diese Koalition den fast sicher kommenden Untersuchungsausschuss überleben?

van Staa: Sie wird überleben. Die Koalition hat den BAWAG- sowie den Eurofighter-Ausschuss auch überlebt. Wir stehen für volle Aufklärung der Vorwürfe und gegen ein politisches Tribunal, mit dem die eigentliche Wirkung eines U-Ausschusses stark relativiert wird.

Die Furche: Ist der Rechtsstaat nach diesen Vorwürfen von Ex-Kripo-Chef Haidinger ernsthaft in Gefahr, schließen Sie sich hier der Meinung vieler Beobachter an?

van Staa: Der Rechtsstaat ist sicher nicht in Gefahr. Es muss alles aufgeklärt werden, jedoch ist in einer funktionierenden Demokratie der Rechtsstaat nie gefährdet.

Die Furche: Sehen Sie angesichts der Causa Haidinger das Vertrauen der Menschen in Politiker tief erschüttert?

van Staa: Ja! Dies ist aber nicht nur auf die aktuellen Vorgänge zurückzuführen. Es gab immer schon ein generelles Misstrauen in die Politik. Das ist nicht nur in Österreich der Fall, sondern ein weltweites Phänomen.

Die Furche: Ist Herr Haidinger für Sie glaubwürdig?

van Staa: Ich kenne Herrn Haidinger nicht. Erst nach jahrelanger Kenntnis von Personen kann man sich ein Bild machen. Selbst oft nach jahrelanger Kenntnis kann es manchmal passieren, dass man die Meinung ändert.

Die Furche: Sie streiten vehement ab, "Schwein" oder ähnliche verbale Misstritte gemacht zu haben. Tragen solche verhältnismäßig kleinen politischen Aufreger nicht auch zur Politikverdrossenheit bei?

van Staa: Ich brauche das nicht abstreiten, weil ich diese, mir völlig fremde Bezeichnung, nie getätigt habe. Das können rund 150 Zuhörer bestätigen. Solche Aufreger tragen sicher zu Politikerverdrossenheit und zur sinkenden Wahlbeteiligung bei. Dadurch wird auch immer die Sachpolitik in den Hintergrund gerückt, die viel wichtiger wäre.

Die Furche: Gab es denn nie Situationen, in denen Sie sich missverständlich ausgedrückt haben oder wo Sie sich dann später dachten, das hätte ich besser nicht gesagt?

van Staa: Selbstverständlich! Das hat es auch gegeben, dass ich Mitbewerber in der politischen Situation attackiert und übers Ziel hinausgeschossen habe. Da bin ich nie angestanden, mich dafür zu entschuldigen. In den Fällen, in denen es etwas zu entschuldigen gab, habe ich das getan. Aber das, was ich in meinem politischen Leben bisher mitgemacht habe, das ist unglaublich.

Die Furche: Was muss sich ändern, damit sich die Bundesministerien bzw. die Politik generell vom Verdacht des Machtmissbrauchs befreien können?

van Staa: Die Politik muss wieder das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen. Sinkende Wahlbeteiligungen sollten alle Parteien dazu bringen, die Art der Auseinandersetzung zu überdenken und wieder die Sache und nicht parteipolitisches Hick-Hack in den Mittelpunkt zu rücken.

Die Furche: Diese Krise belastet doch auch die Tiroler ÖVP?

van Staa: Natürlich sind solche Auseinandersetzungen in Wahlzeiten nicht hilfreich. Streitereien auf Bundesebene wirken sich auch auf die Bundesländer aus. Es wird aber keine Auswirkungen auf die Tiroler Koalition geben.

Die Furche: Aber der Tiroler AK-Chef Fritz Dinkhauser wird sehr wahrscheinlich von dieser Politikverdrossenheit profitieren. Dinkhauser wird bei den kommenden Landtagswahlen im Herbst mit seiner Liste "Für Tirol" gegen seine eigene "Herkunft", die ÖVP, antreten und will Landeshauptmann werden.

van Staa: Ich fürchte Herrn Dinkhauser nicht. Soll er kandidieren. Das ist sein Recht als Staatsbürger. Dinkhauser war Jahrzehnte vor mir schon in der Politik an führender Stelle tätig. Ich frage mich, warum er das, was er jetzt vorhat, nicht alles schon früher umgesetzt hat? Dinkhauser hat bis jetzt auch nie versucht, auf dem normalen Weg als Parteiobmann zu kandidieren, er hat nie versucht, innerhalb der Partei Mehrheiten zu finden. Mich stört in diesem Zusammenhang sein Demokratieverständnis: Wenn er erklärt, er nehme Abstand von einer Kandidatur, wenn ich zurücktrete. Ja bitte, was ist das für ein Demokratieverständnis!

Die Furche: Laut ersten Umfragen dürften Ihre ÖVP und die SPÖ in Tirol stark verlieren, Dinkhauser wird ein Gewinn von über 20 Prozent der Stimmen vorausgesagt.

van Staa: Ich sehe das mit großer Gelassenheit. Ich werde mit meinen Vorstellungen und mit meiner Leistungsbilanz als Bürgermeister von Innsbruck und als Landeshauptmann in die Wahlbewegung eintreten. Sicher werden wir mit Dinkhausers Kandidatur keine absolute Mehrheit mehr schaffen, aber er wird allen Parteien etwas wegnehmen. Mein politisches Ziel muss es sein, ein Wahlergebnis zu erreichen, sodass eine gemeinsame Regierung von Rot-Grün und Dinkhauser nicht möglich ist.

Die Furche: Sollen Bundesminister ausgetauscht werden, Innenminister Günther Platter oder Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky?

van Staa: Das ist nicht meine Aufgabe, sondern jene von Vizekanzler Wilhelm Molterer, der eine hervorragende Arbeit leistet. Ich war mitbeteiligt an der Zusammenstellung der Regierungsmannschaft. Die Hauptverantwortung trägt aber Molterer und er verdient mein Vertrauen.

Die Furche: Und wie schätzen Sie Kanzler Alfred Gusenbauers Position ein?

van Staa: Gusenbauers Schwäche ist es, dass er in den Ländern nicht verankert ist. Und dass die Bundes-SPÖ nun zunehmend mit Länderinteressen in Konflikt gerät, seit die Steiermark und Salzburg SPÖ regiert sind. Damit bekam sie auch riesige Probleme.

Das Gespräch führte Regine Bogensberger.

"Schweige-LH" wider Willen

Dass man auch Tiroler werden kann und nicht nur als ein solcher geboren werden muss, hat er bewiesen: Herwig van Staa, seit 2002 an der Spitze des Bundeslandes und doch in Oberösterreich vor fast 66 Jahren geboren. Zum Studium der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie der Volkskunde und Soziologie zog es ihn 1960 nach Innsbruck. Nach Karriere an der Universität war van Staa zwischen 1994 und 2002 Bürgermeister der Tiroler Landeshauptstadt. 2002 wurde er vom Landtag zum Nachfolger von Landeshauptmann Wendelin Weingartner gewählt. Bei den letzten Landtagswahlen 2003 fuhr er 49,9 Prozent der Stimmen ein, mandatsmäßig reichte es zur absoluten Mehrheit, dennoch ging van Staa eine Koalition mit der SPÖ ein. Eines seiner Kernanliegen ist neben dem Zukunftsprojekt des Brennerbasistunnels der Ausbau der Wasserkraft. Der umstrittene Machtpolitiker und Schwiegersohn von "Landesvater" Eduard Wallnöfer stand 2007 oft im unliebsamen Rampenlicht und machte sich etliche Feinde. Allen voran Alexander Van der Bellen (nicht einmal das Wörtchen "van" in beider Namen bietet einen Ansatz für Gemeinsamkeiten). Van Staa beleidigte den Grünen-Chef durch zweifelhafte Andeutungen über dessen Vater (es stand im Raum, ob der Vater eine Nähe zum NS-Regime hatte). Zuletzt geriet der VP-Politiker unter Beschuss, weil er den deutschen Ex-Außenminister Joschka Fischer ein "Schwein" genannt haben soll, van Staa will "das Schweigen" gesagt haben.

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