Die Landesfürsten und ihre Trümpfe

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Sie sind wichtige "Player" in Österreichs politischer Arena: die neun Landeshauptleute. Eine Analyse ihrer Macht zwischen Realpolitik und Verfassung. Der Föderalismus soll ein modernes Gesicht bekommen. Aber welches? Im Rahmen der Bundesstaatsreform sollte eine Antwort gefunden werden - ohne große Erfolgsaussicht. Während sich Vorarlbergs Landeschef Herbert Sausgruber gegen die Formel "Zentral ist genial" wehrt, fordert der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler eine Entmachtung der Länder in großen Bereichen. Redaktion: Regine Bogensberger

Landeshauptleute in Österreich sind sehr mächtig. Sie können sogar Bundesgesetze außer Kraft setzen. Diesen Eindruck konnte man zumindest gewinnen, als der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) um die Jahreswende erklärte, er werde dafür sorgen, dass das neue Gesetz, das die Pflegeamnestie beenden und die Beschäftigung illegaler, vor allem ausländischer Pfleger und Pflegerinnen unter Strafe stellen sollte, in "seinem" Bundesland vorerst nicht exekutiert werde. Zwar handelte es sich beim starken Auftritt des Landeshauptmannes in erster Linie um eine Wahlkampfaktion (für die Landtagswahlen am 9. März), sie wirft jedoch ein bezeichnendes Licht auf das Selbstverständnis so mancher Landeshauptleute in Österreich, die sich gerne als umfassende Vertreter der Interessen "ihrer" Landesbürger und -bürgerinnen sehen.

Begrenzte Befugnisse

Der Landeshauptmann (bzw. die Landeshauptfrau) hat in seinem Bundesland eine herausragende Position inne, die sich bereits aus der Bundesverfassung ergibt. Im Grunde übt er gleichzeitig vier Funktionen aus, deren Ausübung freilich auch an Schranken stößt:

* Er ist Vorstand des Amtes der Landesregierung, des einheitlichen - sowohl die Bundes- als auch die Landesverwaltung besorgenden - Verwaltungsapparates des Landes.

* Der Landeshauptmann ist weiters Vorsitzender der Landesregierung. Allerdings heißt das nur, dass er deren Sitzungen einberuft, leitet und für die Regierung nach außen spricht. Er ist also nicht Vorgesetzter der übrigen Regierungsmitglieder und kann diesen keine Weisungen erteilen. Das fällt umso mehr ins Gewicht, als die Landesregierung in immerhin noch fünf Bundesländern (Burgenland, Kärnten, Ober- und Niederösterreich, Steiermark) - bis 1998 auch in Salzburg und Tirol - eine Proporzregierung darstellt. In den genannten Ländern wird die Regierung nicht aufgrund freier Koalitionsabsprachen gebildet, sondern alle Parteien haben ein Recht darauf, entsprechend ihrer Stärke bei den Landtagswahlen an der Regierung beteiligt zu werden und Ressorts zugeteilt zu erhalten. Die Folge waren bzw. sind Zwei-, Drei- oder sogar Vierparteienregierungen, und zwar auch dann, wenn die "Landeshauptmann-Partei" im Landtag über die absolute Mehrheit (mehr als 50 Prozent) verfügt.

* Der Landeshauptmann ist darüber hinaus Träger der "mittelbaren Bundesverwaltung": in bestimmten Bereichen, für die eigentlich der Bund zuständig ist (zum Beispiel im Gewerbe- oder Wasserrecht), ist er hauptverantwortlich für die Umsetzung im Land (freilich untergeordnet unter das zuständige Bundesministerium). Das bedeutet im positiven Fall einen Informationsvorsprung und damit zusätzliche Macht, andererseits wird bei politischen Fehlern oder Versäumnissen (zum Beispiel im Skandal um die Grundwasserverschmutzung durch die "Fischer-Deponie" in der Mitterndorfer Senke 1988/89) die politische Verantwortung häufig vom Land auf den Bund und von dort wieder zurückgeschoben.

* Schließlich ist der Landeshauptmann als Vertreter des Landes nach außen (in erster Linie gegenüber den Bundesorganen) so etwas wie ein Landes-"Staatsoberhaupt", das allein rechtsverbindliche Akte setzen (zum Beispiel Verträge unterzeichnen) kann, wenngleich auf die vorhergehende interne Willensbildung auch andere Landesorgane Einfluss nehmen können.

Das ist die rechtliche Situation, von der die Praxis durchaus abweichen kann - was insbesondere von den weiteren "politischen" Ressourcen des Landeshauptmannes herrührt: So ist er in der Regel zugleich Vorsitzender der stärksten Regierungspartei und kann auf diesem Weg zumindest die Politik in den Ressorts der Regierungsmitglieder seiner eigenen Partei beeinflussen. Ob es ein Landeshauptmann tatsächlich zum "Landesfürsten" bringt, hängt damit auch davon ab, ob er als Spitzenkandidat seine Partei zu Wahlerfolgen führen kann. Mit Vorliebe präsentieren sich die Landeshauptleute, die auch im Zentrum der medialen Berichterstattung stehen, daher als über den Parteien thronende "Landesväter". Eine überzogene Personalisierungsstrategie, bei der im Wahlkampf sogar auf das Parteilogo verzichtet wird (wie zum Beispiel in einigen Landtagswahlkämpfen in der Steiermark und in Tirol in den 1990er Jahren der Fall), kann jedoch leicht zu Unmut unter den Parteifunktionären führen und damit den Wahlerfolg gefährden. Sicherlich trägt die größere Nähe der Landeshauptleute zu den Bürgern und Bürgerinnen (jedenfalls im Vergleich zu Bundespolitikern) zu ihren meist hohen Umfragewerten bei. Wenngleich man daraus noch keinen Anspruch auf eine starke politische Rolle ableiten sollte - denn dann müssten zuerst die Bürgermeister aufgewertet werden, wogegen die Landeshauptleute in der Regel etwas einzuwenden haben.

Näher beim Bürger?

Ausdruck ihrer einflussreichen Stellung ist auch, dass die Landeshauptleute auf zum Teil beachtliche Amtszeiten zurückblicken können: Von den amtierenden Landeshauptleuten können Erwin Pröll (Niederösterreich, seit 1992) and Michael Häupl (Wien, seit 1994) auf die längsten Amtszeiten verweisen. Es ist mehr als ein Zufall, dass gerade sie als die beiden mächtigsten Landeshauptleute gelten - mit beträchtlichem Einfluss auch auf die Bundespolitik ihrer Parteien.

Auch nach außen hin, gegenüber dem Bund, gelten die Landeshauptleute als die wichtigsten Landespolitiker. Viel mehr als der ohnmächtige Bundesrat, der kaum über Vetomöglichkeiten gegenüber dem Nationalrat verfügt und zudem von den Parteien (und nicht etwa von Länderkoalitionen) dominiert wird, sind sie es, die - über die verfassungsrechtlich nicht geregelte Landeshauptleutekonferenz - die Länderinteressen vertreten. Entschieden wird nach dem Prinzip der Einstimmigkeit, was häufig zu wenig profilierten Beschlüssen führt, diesen aber gleichzeitig eine hohe Legitimation verleiht. Für Peter Bußjäger, den Leiter des Instituts für Föderalismus in Innsbruck, reicht die Macht der Landeshauptleutekonferenzen "in der Praxis nicht so weit, den Bund dazu zu bewegen, positive Maßnahmen etwa im Sinne einer Stärkung der Länder zu ergreifen". Es gelinge jedoch häufig, "den Bund von Vorhaben abzubringen, die für die Länder problematisch sein können". Die Landeshauptleute sind qua Funktion auch in die zentralen Entscheidungsgremien ihrer Bundesparteien eingebunden und nehmen zum Beispiel führend an Koalitionsverhandlungen teil. Umgekehrt haben sie nur geringe Hemmungen, sich bei als negativ wahrgenommenen Einflüssen von ihren Bundesparteien abzuschotten, etwa wenn diese eine unpopuläre Politik mit zu verantworten haben.

"Schuld ist Wien"

Wohin steuert die Entwicklung? Österreich zählt im internationalen Vergleich (etwa zu den USA, der Schweiz oder Deutschland) zu den "schwachen" Bundesstaaten, das heißt, die österreichischen Bundesländer verfügen nur über geringe (Gesetzgebungs-)Kompetenzen. Die Landeshauptleute als deren führende Repräsentanten werden auch in Zukunft immer wieder darüber klagen, allerdings scheinen bei ihren Reformvorstellungen häufig weniger föderalismustheoretische, als vielmehr Macht und populistische Gesichtspunkte im Vordergrund zu stehen. So fordert man zwar gerne "mehr Kompetenzen", aber die Mehrheit der Länder sträubt sich nach wie vor dagegen, selbst die Verantwortung zur Erhebung der dafür notwendigen - sicherlich wenig populären - Steuern zu übernehmen.

Da ist man lieber von finanziellen Zuweisungen des Bundes abhängig (zirka zwei Drittel der Einnahmen der Länder ohne Wien stammen aus dem Finanzausgleich), dem man dann auch die Schuld zuweisen kann, wenn "kein Geld" für sinnvolle Maßnahmen vorhanden ist.

Steuerhoheit: Nein, Danke

So wurde bisher auch die seit Beginn der 1990er Jahre verfolgte Einrichtung von Landesverwaltungsgerichten (zur Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs) vor allem mit der Begründung abgelehnt, dass deren Finanzierung nicht geklärt sei. Man kann freilich annehmen, dass die Landesverwaltungsgerichte auch deshalb mit Argwohn betrachtet werden, weil sie die Einflussmöglichkeiten der Regierung und der Verwaltung beschränken würden. Es ist aber wohl auch naiv anzunehmen, dass die Landeshauptleute an dem Ast sägen werden, auf dem sie sitzen - zumal sie ja wirklich (formal, weniger faktisch) nur beschränkte Macht im österreichischen Bundesstaat besitzen.

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Salzburg.

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