Die letzten Krokodile

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Afrika hat 13 der 20 längstdienenden nichtmonarchischen Staatslenker als Präsidenten oder Premierminister. Porträt einer Liga der Korruption und des Wahlbetrugs.

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Afrika hat 13 der 20 längstdienenden nichtmonarchischen Staatslenker als Präsidenten oder Premierminister. Porträt einer Liga der Korruption und des Wahlbetrugs.

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Thomas Sankara, dessen heute in Burkina Faso viel gedacht wird, wollte nicht nur sein Land von Korruption und postkolonialer Abhängigkeit befreien. Als Staatschef verfügte er 1984 die Umbenennung vom kolonialen Obervolta in Burkina Faso: "Land der Aufrichtigen bzw. Unsterblichen". Er hatte auch eine freche Zunge. So nannte er einst in aller Öffentlichkeit den ivorischen Präsidenten Félix Houphouët-Boigny: "du altes Krokodil". Manche meinen, er hätte mit dieser Respektlosigkeit gegenüber dem altgedienten Intriganten sein eigenes Todesurteil unterzeichnet. Herman Cohen, der ehemalige US-Botschafter und Vizeaußenminister für Afrika, berichtet jedenfalls in seinen Memoiren von einem Gespräch mit Houphouët-Boigny, in dem er angedeut habe, die USA sähen Sankara als Störenfried. Daraufhin habe Houphouët-Boigny gelächelt und gesagt, er solle sich keine Sorgen machen. Das Problem würde sich bald erledigen. Wenig später - im Oktober 1987 - putschte Blaise Compaoré gegen seinen Weggefährten und renkte die gestörten Beziehungen zum Westen wieder ein. Nach dem Tod von Houphouët-Boigny übernahm er dessen Rolle als Mann Frankreichs in Westafrika.

Unerfüllte Mindeststandards

Houphouët-Boigny ist schon über 20 Jahre tot. Aber die alten Krokodile sind in Afrika nicht ausgestorben. Afrika kann sich rühmen, 13 der 20 längstdienenden nichtmonarchischen Staatslenker als Präsidenten oder Premierminister zu erdulden. Rekordhalter ist derzeit Paul Biya, Präsident der Republik Kamerun, der am 30. Juni ein Jubiläum feiern konnte. 40 Jahre vorher war er als Premierminister Präsident Ahmadou Ahidjos vereidigt worden. Seit 1982 ist er selber Präsident. Das Einparteiensystem, das ihm in den 1980er-Jahren das Leben erleichterte, musste Biya in den 1990ern aufgeben. Aber die Opposition hat ihn nicht daran gehindert, sich eine siebenjährige Amtszeit nach der anderen zu sichern. Der Vorwurf des Wahlbetrugs prallt an ihm ab. Schließlich weiß er, dass Paris hinter ihm steht. Die nächste Wahl steht erst 2018 an.

Erst 36 Jahre regiert Teodoro Obiang Nguema Mbasogo, der sich 1979 in Äquatorialguinea an die Macht putschte. Seinen bis dahin herrschenden Onkel ließ er wegen Genozids, Massenmordes, Unterschlagung öffentlichen Eigentums und anderer Verbrechen exekutieren. 1982 wandelte er sich vom Junta-Chef zum Präsidenten. Obiang gebietet zwar nur über ein Territorium von 28.000 Quadratkilometern und eine Dreiviertelmillion Menschen, kann aber kaum eine bessere Menschenrechtsbilanz vorweisen als sein korrupter Onkel. Pressefreiheit ist inexistent. Äquatorialguinea gilt als Ausgangspunkt von Kinder- und Frauenschmuggel in die Sexsklaverei. Ein US-Bericht über Menschenhandel listet das knapp nördlich des Äquators liegende Land als eines, "dessen Regierung die (demokratischen) Mindeststandards nicht erfüllt und auch keine erkennbaren Anstrengungen unternimmt, das zu ändern". Eine Verfassungsreform von 2011 erlaubt die zweimalige Wiederwahl des Amtsträgers. Der 73-jährige Obiang wird seinem Land also wohl auch nach den Wahlen von 2016 erhalten bleiben.

Auch Angolas Präsident Eduardo dos Santos regiert seit 1979. Als die sozialistische Befreiungsbewegung MPLA das Land 1975 in die Unabhängigkeit von Portugal führte, war er als Außenminister bereits dabei. Dos Santos überstand den Bürgerkrieg gegen die rechten Milizen des von Südafrika und den USA gesponserten Jonas Savimbi und den Übergang zur Demokratie. Er erhielt viel internationales Lob für die Modernisierung der Ölindustrie, muss sich aber vorwerfen lassen, eines der korruptesten Regimes des Kontinents etabliert zu haben. Während drei Viertel der Bevölkerung im Elend leben, schwelgt sein Clan im Luxus. Seine älteste Tochter Isabel gilt als mächtigste Frau Angolas und wird vom Forbes Magazine als erste Milliardärin Afrikas geführt.

Armenhaus statt Kornkammer

Seit die ehemalige britische Kolonie Rhodesien sich 1980 als Zimbabwe für unabhängig erklärte, kennt das Land keinen anderen Staatslenker als Robert Mugabe. Er hat vorexerziert, wie eine an sich längst fällige Landreform nicht gemacht werden sollte. Sein Land ist extrem polarisiert und die einstige Kornkammer des südlichen Afrika wurde zum Armenhaus. Dennoch genießt der ehemalige Guerillaführer in manchen Ländern Afrikas hohes Ansehen wegen seiner trotzigen Haltung gegenüber westlichen Ratschlägen. Der 90-Jährige trifft derzeit die Vorbereitungen, um seine Frau Grace als Nachfolgerin zu installieren.

Zum Krokodil entwickelt hat sich auch Ugandas Yoweri Museveni, der sein Land 1986 von langjähriger Gewaltherrschaft befreite. Er bescherte Uganda wirtschaftliche Stabilität und eines der erfolgreichsten Anti-AIDS-Programme des Kontinents. Das Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit ist aber zuletzt vor allem durch die drakonischen Gesetze gegen Homosexuelle in die Schlagzeilen geraten. Von Opposition hält der 70-jährige Präsident auch nicht viel.

Über 20 Jahre regieren auch Eritreas Isaias Afewerki (seit der Unabhängigkeit 1993) und Gambias Yahya Jammeh (seit 1994). Beide Länder werden despotisch regiert und sind unerschöpflicher Quell politischer Flüchtlinge. In Gambia wird im März 2016 gewählt. Aber Machthaber Jammeh hat Opposition und Armee schon wissen lassen: "Keine Abstimmung und kein Putsch werden mich von der Macht vertreiben".

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