Die Mafia an den Schalthebeln der Macht

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Der guatemaltekische Staat ist unterwandert von mafiösen Strukturen, Korruption und Gewalt. Javier Figueroa, ehemaliger Kripo-Chef des Maya-Staates, wurde wegen krimineller Delikte per internationalen Haftbefehl gesucht - und erhielt mit seiner Familie in Österreich Asyl.

Vor 15 Jahren wurde in Guatemala nach einem 36-jährigen Bürgerkrieg, bei dem durch die Massaker der Armee vor allem die schutzlose indigene Bevölkerung dezimiert wurde, ein Friedensvertrag vereinbart. Doch trotz intensiver Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft konnten Frieden und Versöhnung nicht richtig Fuß fassen in dem mittelamerikanischen Staat.

Die Oberhand gewann hingegen ein Netzwerk organisierter Kriminalität, das bis in die höchsten Ränge von Politik und Wirtschaft hineinreicht. Daran änderte auch der gegenwärtige Präsident Álvaro Colom nichts, der sich selbst als Sozialdemokrat präsentiert und dessen (Ex-)Frau Sandra Torres nunmehr zu einer guatemaltekischen Kopie von Evita Perón stilisiert wird - eine Schutzfrau der Armen, die die nächsten Wahlen gewinnen will. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ließ sich das Ehepaar kürzlich scheiden, da eine amtierende First Lady nicht zu Wahlen antreten kann.

Mafiöse Strukturen

Eine der Folgen der Unterwanderung staatlicher Institutionen durch mafiöse Strukturen ist die Untätigkeit und Unfähigkeit der staatlichen Justiz. Die Straflosigkeit liegt bei über 95 Prozent, das heißt, dass die Täter und deren Hintermänner gerichtlich nicht belangt oder wieder freigesprochen werden, besonders in Fällen politischer Gewalt oder organisierter Kriminalität.

Diese Tatsache hat mit der Zeit auch international Aufmerksamkeit erregt. Nach Verhandlungen zwischen der UNO und der guatemaltekischen Regierung wurde 2007 die CICIG ins Leben gerufen, die "Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala“. Ihre Aufgabe besteht einerseits in der Säuberung des Staatsapparates von der Infiltrierung durch illegale Gruppierungen, die mit gewalttätigen Mitteln Sicherheit und Ordnung nach eigenem Gutdünken herstellen oder sich selbst bereichern. Andererseits sollte die Kommission das Justizsystem untersuchen, um in Zukunft die Verfolgung von Gewalttätern - unabhängig von deren Stellung - zu gewährleisten. Zudem wurde eine eigene Staatsanwaltschaft für die strafrechtliche Verfolgung der Täter eingerichtet.

Unter der Amtszeit von Coloms Vorgänger Oscar Berger (2004-2008), und zweifellos zumindest mit seinem Mitwissen, hatte sich im Innenministerium des Maya-Staates eine hochrangige mafiöse Vereinigung gebildet. Zuerst ernannte der Staatschef Carlos Roberto Vielmann, den Spross einer reichen Familie und Besitzer der größten Kette von Sicherheitsfirmen in Guatemala, zum Innenminister.

Dieser bestellte sogleich den guatemaltekisch-schweizerischen Doppelbürger Erwin Sperisen zum Generaldirektor der Nationalpolizei. Nun drehte sich das makabre Postenkarussell schnell weiter. Der Gynäkologe Javier Figueroa, ein enger Freund von Sperisen, wurde in den staatlichen Polizeidienst aufgenommen, wo er es bis zum Kripo-Chef brachte. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat Alejandro Eduardo Giammattei Falla wurde von Vielmann zum neuen Leiter der Nationalen Gefängnisverwaltung bestellt.

Internationaler Haftbefehl

Die Freundesclique sollte auch später im Schicksal vereint bleiben. Heute werden sie alle, insgesamt 19 Funktionäre der Berger-Regierung inklusive dem einstigen Innenminister, von der UN-Kommission CICIG per internationalen Haftbefehl gesucht oder befinden sich bereits in Haft. Einige, nicht ohne Zufall die Ranghöchsten, haben sich durch Flucht ins Ausland der Strafverfolgung entzogen. Vorgeworfen wird ihnen unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung und die außergerichtliche Tötung von dreizehn Häftlingen.

Die Zunahme von planmäßigen Morden in der Regierungszeit von Oscar Berger war so auffällig, dass 2006 die UNO ihren Sonderberichterstatter für außergerichtliche Hinrichtungen, Philip Alston, nach Guatemala entsandte. In seinem Bericht schreibt er über Vielmann, Giammattei, Sperisen und Figueroa: "Diese Personen waren Teil einer kriminellen Organisation, die seit 2004 vom Innenministerium aus operierte und sich extralegalen Tötungen widmete.

Diese Gruppe verfolgte lange Zeit hindurch kriminelle Aktivitäten wie unter anderem Morde, Drogenhandel, Entführungen und Erpressungen.“ Für den australischen Menschenrechtsexperten Alston handelte es sich bei der Gruppe um Vielmann "um etwas mehr als um einfache individuelle Aktionen einiger korrupter Funktionäre, nämlich eine von oben sanktionierte Politik“.

Mit dem Bericht Alstons wendete sich das Blatt für die mafiöse Gruppe um Innenminister Vielman. Nach ihrer Konstituierung im Jänner 2008 nahm die CICIG Ermittlungen über die Aktivitäten von Vielmann & Co auf. Doch die guatemaltekische Politik zeigte sich alles andere als hilfsbereit. Präsident Berger hatte gehofft, durch die Entfernung der von Alston genannten Personen dem Skandal den Wind aus den Segeln zu nehmen. Innenminister Vielmann hatte im März 2007 sein Amt quittiert, im selben Monat wurde der Vertrag von Javier Figueroa aufgelöst, Erwin Sperisen, der auch Schweizer Staatsbürger ist, hatte sich in seine Zweitheimat zurückgezogen. Doch das Kalkül des Präsidenten ging nicht auf; die Mühlen der CICIG mahlten langsam, doch gründlich. Im Sommer 2010 stellte sie internationale Haftbefehle gegen die beschuldigten Funktionäre des Innenministeriums aus.

Überstellung nach Guatemala?

Fristgerecht im vergangenen April langte bei den zuständigen österreichischen Behörden das Ersuchen ein, Figueroa festzunehmen, ihm das Asyl abzuerkennen und ihn schließlich nach Guatemala auszuliefern, was schließlich Ende Mai auch geschah.

Javier Figueroa erwarten in seiner Heimat weder Folter noch die Todesstrafe, ist ein guatemaltekischer Insider, der nicht genannt werden will, überzeugt. Er würde in einer Sonderanstalt in U-Haft genommen werden. Solange die CICIG noch in Guatemala tätig sei, könne Figueroa einen fairen Prozess erwarten.

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