Die Minderheiten-Rallye

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Ob Schwarze, Hispanics oder Schwule und Lesben. Die US-Wahl 2012 wird durch das Stimmverhalten großer Randgruppen bestimmt werden - und durch das der Frauen.

Bria und Chrissy lassen sich die Gelegenheit nicht nehmen, die ihnen der überraschende Regenschauer bietet. Mehr als hundert Besucher des Straßenfestes zum Parteitag der Demokraten in Charlotte haben sich unter ein schützendes Dach gedrängt, da fangen die beiden jungen Frauen aus Atlanta an, vor der Menschenmenge zu singen. Ein Lied darüber, dass sie lesbisch sind, sich lieben und gern heiraten möchten - und wie die Republikaner ihnen diese Freiheit verwehren. "Wir singen für Gleichstellung“, trällert das Paar a cappella, während dicke Regentropfen auf den Asphalt prasseln. "Obama unterstützt uns dabei besser als Romney.“

Die große Euphorie über die Wahl Barack Obamas zum Präsidenten vor vier Jahren mag in den USA weitgehend verflogen sein, seine blumigen Versprechen von "Hoffnung und Wandel“ der harten politischen Realität gewichen. Doch das Treffen Zehntausender Anhänger diese Woche in der Südstaaten-Metropole in North Carolina beweist: Viele Menschen glauben weiter an "ihren“ Mann, der es als erster Schwarzer ins Weiße Haus geschafft hat, der versteht, was es heißt, Minderheit zu sein in Amerika. Sie finden eine Heimat in der demokratischen Partei und einen Verbündeten in deren Anführer. "Sweet home Obama“, heißt es auf Ansteckern, die einige Besucher der Convention in Charlotte tragen. Nicht zufällig bieten die Parteitagsorganisatoren verschiedensten Gruppen der Gesellschaft ein breites Forum. Es geht um die Interessen von Leuten wie Bria und Chrissy, wenn sich am Dienstag die Gruppe für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle in Raum 203AB des Kongresszentrums trifft.

Lateinamerikanische Immigranten bilden ebenso einen der sogenannten "Caucuses“ wie Ureinwohner, Asiaten oder Afroamerikaner. Unter den Hispanics der USA hatte sich schon im Juni eine solide Mehrheit für Barack Obama abgezeichnet. 66 für Obama zu 25 Prozent für Romney lautete das Ergebnis einer Gallup-Umfrage.

Gewinnfaktor Frau

Den größten Saal für ihr Treffen benötigen die Frauen, die sich von republikanischen Angriffen auf ihr Recht, zu verhüten und selbst über Abtreibungen zu entscheiden, ebenfalls gesellschaftlich ausgegrenzt fühlen. Alle zusammen können zahlenmäßig die kommende Wahl entscheiden - und nach Umfragen sieht es so aus, als habe Obama unter Minderheiten und Frauen weiter wesentlich mehr Fans als sein Herausforderer Mitt Romney. Der kam kürzlich in einer Umfrage des "Wall Street Journals“ tatsächlich auf eine Zustimmungsrate von null Prozent unter Schwarzen. Bei Frauen war Obama zuletzt mit gut 50 Prozent im Vorteil, Romney lag etwa 10 Prozentpunkte dahinter. Wenn Obama diesen Vorteil in die Wahl am 6. November rette, bleibe er im Weißen Haus, meint der Politikexperte William H. Frey vom Forschungsinstitut Brookings in Washington. Solche Expertisen beziehen sich auf traditionelles Abstimmungsverhalten der US-Amerikaner. Demnach hat ein demokratischer Kandidat nur dann Chancen gegen einen republikanischen Gegner, wenn eine überwiegende Mehrheit der Frauen für ihn stimmt. die Männer Amerikas sind in der Überzahl Wähler republikanischer Kandidaten.

"Das Resultat wird größtenteils vom Enthusiasmus der Wählerblöcke unter den Minderheiten abhängen“, schrieb Brookings-Analyst Frey in seinem Bericht. Die nötige Begeisterung zu entfachen, ist Hauptzweck des Parteitags und der weiteren Basisarbeit in den kommenden neun Wochen. "Ihr müsst die Kampagne leben, im Schlaf an sie denken, sie atmen“, ruft Parteichefin Debbie Wasserman Schulz daher einer Gruppe junger Wahlkampfhelfer zu. Ziel müsse sein, den Menschen erneut das euphorische Gefühl von 2008 zu verleihen, als Obama den Republikaner John McCain klar besiegte.

"Das war phänomenal. Magisch“, erinnert sich die Afroamerikanerin Debra Burke. Sie ist extra 1.400 Kilometer aus Boston gereist, um zu erleben, wie Obama am Donnerstag vor 70.000 Fans seine Antrittsrede als Kandidat für eine zweite Amtszeit halten wird. Die fröhliche Frau trägt ein rotes T-Shirt mit dem berühmten "Yes, we can“-Slogan aus dem Wahlkampf 2008 auf dem Rücken. Angst, dass die Worte ihres Idols diesmal weniger Begeisterung auslösen könnten, hat sie nicht: "Sie werden in Massen kommen, um ihn zu wählen“, sagt sie.

Marco Mierke ist Korrespondent der dpa

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