"Die Niederlande haben eben kein Druckmittel"

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Die EU und die UNO sollten die Aufklärung des MH17-Abschusses forcieren, meint der Parlamentarier Pieter Omtzigt. | Das Gespräch führte Tobias Müller

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Die EU und die UNO sollten die Aufklärung des MH17-Abschusses forcieren, meint der Parlamentarier Pieter Omtzigt. | Das Gespräch führte Tobias Müller

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Pieter Omtzigt hat sich im Parlament in Den Haag mit kritischen Interventionen zum Thema MH17 einen Namen gemacht. Der 43-Jährige vertritt die christdemokratische Partei CDA in Außen- und Europaangelegenheiten.

DIE FURCHE: Sie gelten in den Niederlanden als einer der kritischsten Abgeordneten, was das Thema MH17 betrifft. Woher kommt das?

Pieter Omtzigt: In der Woche nach dem Abschuss sagte der US-Außenminister Kerry, sie hätten gesehen, wie das Flugzeug getroffen wurde und vom Radar verschwand. Die Russen hielten eine lange Pressekonferenz, bei der sie Radarbilder zeigten und eine andere Erklärung gaben. Doch derniederländische Untersuchungsrat bekam für seine Recherchen von niemandem Primär-Radarbilder. Auf solchen Bildern könnte man die Rakete höchstwahrscheinlich einige Male sehen. Dann hat man den Beweis, woher sie abgefeuert wurde.

DIE FURCHE: Dazu hakten Sie im Parlament ja nach.

Omtzigt: Ich fragte, ob die Regierung ein Beispiel einer Flugkatastrophe in Europa aus den letzten zehn Jahren hätte, bei der Rechercheure Radarbilder haben wollten, aber diese nicht bekamen. Die Regierung kennt kein solches Beispiel. Bedenken Sie: Dieses Flugzeug wurde über einem Kriegsgebiet abgeschossen! Russland, die USA und andere Länder hatten dieses Gebiet mittels Satelliten und Radar eng im Blick. Und zweieinhalb Jahre später gibt es noch immer keinen offiziellen Verdächtigen, während viele Menschen dringend wissen wollen, was passiert ist.

DIE FURCHE: Premier Rutte versprach, den "untersten Stein nach oben zu holen". Ist das gelungen?

Omtzigt: Das wichtigste Ziel war es, die Täter vor Gericht zu stellen. Doch es ist noch nicht einmal ein Gericht aufgestellt oder angewiesen worden. Zweieinhalb Jahre nach dem Abschuss ist noch keine Person beschuldigt worden. Offensichtlich ist dieses Ziel nicht erreicht worden.

DIE FURCHE: In welchen Punkten bewerten Sie die niederländische Regierung positiv, und wo hätte sie besser handeln können?

Omtzigt: Die Niederlande gingen sehr würdevoll mit den Opfern um. Gut war auch, dass es den trauernden Nationen gelang, den UNO-Sicherheitsrat zur Annahme eine Resolution zu bringen, die alle Länder zur Mitarbeit aufruft. Nur, dass danach nicht kooperiert wurde und Beweise nicht öffentlich, ja nicht einmal zugänglich gemacht wurden. Die Niederlande und andere Länder müssten dazu deutliche Fragen stellen - im UNO-Sicherheitsrat, aber auch als EU.

DIE FURCHE: Hier zeigt sich auch der kleine Manövrierraum, der den Niederlanden zur Verfügung steht. Scheitert man als kleines Land hier nicht auch an geopolitischen Verhältnissen?

Omtzigt: Die Niederlande haben eben nichts, womit sie drohen können, aber ich finde es doch befremdlich, dass die Niederlande wie auch andere betroffene Länder nicht öffentlich um Aufklärung und Kooperation bitten.

DIE FURCHE: Wie zufrieden sind Sie mit dem Bericht der internationalen Ermittler von September?

Omtzigt: Ich bin erst zufrieden, wenn es zu einem Gerichtsprozess kommt. Dass das Joint Investigation Team (Ermittler aus den betroffenen Opfer-Ländern Niederlan de, Belgien, Malaysia und Australien sowie Ukraine als Ort der Katastrophe) sein Beweismaterial nicht zeigt, ist begreiflich. Es wäre nicht schlau, jetzt alles einsehen zu lassen. Also warte ich ab.

DIE FURCHE: Wie sollten die Niederlande und Europa in diesem Fall weiter verfahren?

Omtzigt: Sie sollten schauen, ob die Ermittler die angeforderten Information haben: die Autopsie-Berichte der ersten Tage, die im Donbass gemacht wurden, die Satellitenbilder, die Russland nach zwei Jahren plötzlich wiederfand: Sind sie echt? Die Radardaten der Ukraine und die Radarund Satellitenbilder der USA. Wenn eins davon nicht vorliegt, muss die EU Druck ausüben auf die betreffende Partei, um sie zu übergeben.

DIE FURCHE: Auch die Arbeitsgruppe "Wahrheitsfindung" will den politischen Druck erhöhen?

Omtzigt: Die Briefe der Angehörigen an Putin und Poroschenko wurden nie persönlich beantwortet. Das ist unverschämt. Es ist berechtigt, dass die Angehörigen fragen. Das Mindeste was Politiker tun können, ist antworten. Dazu müssen die Niederlande erklären, ob die Zusammenarbeit, die die UNO zusagte, geleistet wurde, und ob es eine weiterführende Strategie gibt.

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