Die ÖVP im Dilemma: „Die Wahl zwischen Pest und Cholera“

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Kommenden Freitag wird Josef Pröll mit breiter Mehrheit zum Chef der Volkspartei gewählt. Doch der Unmut über eine wahrscheinliche Koalition mit der Faymann-SPÖ ist groß.

Die Welle des schwarzen Protests wogt nun auch schon durch das Internet. Unter www.stvp.at gibt der Obmann der steirischen Volkspartei, Hermann Schützenhöfer, vor laufender impuls aktuell-Webcam seine Ablehnung einer Neuauflage der Großen Koalition zum Besten. Eingezoomt zwischen den Parteilogos von SPÖ und ÖVP verdammt der streitbare VP-Fürst das drohende rot-schwarze Bündnis: „Die Wähler haben bei den Nationalratswahlen die Koalition von SPÖ und ÖVP abgewählt. Jede Neuauflage dieser Regierung wäre der Nährboden für weitere Niederlagen.“ Das „Gebot der Stunde“ nach dem Willen Schützenhöfers: ein Bündnis mit FPÖ und BZÖ.

Mit seiner Meinung steht Schützenhöfer bei weitem nicht alleine in der Volkspartei: In Kärnten, im Burgenland, in Salzburg, überall sträuben sich die Funktionäre der Partei gegen das Bündnis, das Pröll in Wien gerade mit Werner Faymann schmiedet. Der Sprecher der steierischen VP, Klaus Hatzl, berichtet sogar von Drohungen altehrwürdiger ÖVP-Bürgermeister, bei kommenden Wahlen nicht mehr für die Volkspartei, sondern als Bürgerliste antreten zu wollen.

Josef Pröll hat ein schweres Erbe übernommen. Nicht nur, dass er in Werner Faymann ein Gegenüber hat, das für eine Schlagzeile im Boulevard bereit ist, vieles, vor allem aber den Frieden mit der ÖVP zu opfern. Pröll hat auch keine Alternativen zu der Koalition mit Faymanns SPÖ. Denn der Gang in die Opposition ist angesichts von Arbeitslosigkeit und Krisenangst keine Option. „Damit würde sich die ÖVP in einer schwierigen Zeit aus der Verantwortung stehlen“, bringt Werner Fasslabend, Ex-Minister und Präsident der Politischen Akademie der ÖVP, die Partei-Meinung auf den Punkt.

Andere Koalitionsformen scheiterten trotz der Stoßgebete aus den rebellischen VP-Ländern und Sondierungsgesprächen Prölls und anderer Spitzen der Volkspartei an den potenziellen künftigen Partnern. Die FPÖ etwa erfreut sich an ihrer Oppositionsrolle. FPÖ-Bundesgeschäftsführer Harald Vilimsky sagt: „Wir warten darauf, dass die Koalition mit der SPÖ für tot erklärt wird, erst dann können wir reden.“ Die ebenfalls von der ÖVP umworbenen Grünen wollen nicht gemeinsam mit dem BZÖ und schon gar nicht mit der FPÖ in Koalition gehen. Prölls Alternativen sind damit erschöpft, die Partei steht ohnmächtig hinter ihrem ebenfalls ohnmächtigen Obmann.

Sie wird ihn am kommenden Freitag auch gegen die Stimmen einiger rebellischer Delegierter zum Nachfolger von Wilhelm Molterer zum Parteivorsitzenden wählen. Den Zeitplan für seine Kür soll Pröll bereits am Dienstag festgelegt haben – und zwar im Gespräch mit Werner Faymann. Im Lauf der kommenden Woche, auf jeden Fall aber vor dem Parteitag der Volkspartei in Wels am Freitag könnte die Große Koalition stehen.

Doch in der ÖVP selbst wird aus der dahinterstehenden Misere kein Hehl gemacht. Werner Fasslabend bezeichnet die Große Koalition als „geringeres Übel“, ein anderer hoher Partei-Funktionär spricht von der „Wahl zwischen Pest und Cholera“.

Die konservativen Granden stoßen sich vor allem an SPÖ-Chef Werner Faymann. „Das Vertrauen in die Handschlagqualität Faymanns ist sehr begrenzt“, sagt etwa der langjährige Wirtschaftssprecher der Partei, Günter Stummvoll. Ex-Obmann Erhard Busek meint: „Ich bin nicht optimistisch. Man hört immer nur über gute Stimmung in den Verhandlungen, sieht aber keinen Inhalt, das kann es nicht sein.“

Ein anderes Minenfeld, auf das sich Josef Pröll zubewegt, ist die innere Reform seiner Partei. Ernst Strasser, ehemals Innenminister unter Wolfgang Schüssel, bringt die Dringlichkeit auf den Punkt: „Die Partei braucht eine Verjüngung an der Spitze. Die Enddreißiger und Anfang-Vierziger müssen das Ruder übernehmen.“ Es müsse auch für Vertreter liberaler Gesellschaftsmodelle Platz sein. Das Grundsatzprogramm der ÖVP, so Strasser, „ist 25 Jahre alt. Die Partei muss das den geänderten Lebens- und Arbeitsverhältnissen anpassen“.

Die Erwartungen in den neuen Obmann sind groß. Schon unken einige, Pröll habe sich mit seinen 10 Fragen an die SPÖ lächerlich gemacht und brauche erfahrene, gewiefte Berater bezüglich seiner Taktik gegenüber Faymann. Vor allem ein Name, den Pröll gar nicht gerne hören wird, fällt dabei immer wieder: Wolfgang Schüssel.

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