Die personifizierte "steirische Breite"

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Auch mit 86 hieß er noch "der junge Krainer". Sohn eines großen Vaters, galt Josef Krainer den Steirern immer als der dynastische "Zweite". Das war Ausdruck des Respekts und der Anerkennung, des Vertrauens, ja auch der Zuneigung zu diesem außerordentlichen Mann. Er wurde von der "gewaltigen politischen Erbmasse" (Gerd Bacher), die ihm sein Vater hinterlassen hatte, nicht erdrückt, sondern hat sie sich angeeignet und ist weit über sie hinausgewachsen. Meine erste Begegnung mit Krainer hatte ich 1961. Es war in der kleinen Juristen-Fakultätsbibliothek der Grazer Universität, als mir jemand auf die Schulter klopfte: "Ich bin der Joschi." Das ist der Name, mit dem ihn viele in der Steiermark anreden durften. Er war Assistent auf dieser Fakultät. Von mir wusste er nur, dass ich in der Katholischen Hochschulgemeinde mitarbeitete. Für ihn war es eine von unzähligen Begegnungen, in denen er Menschen in seine Nähe zog, ihnen seine Freundschaft anbot und auf denen seine legendäre Kenntnis des Landes und der Leute beruhte. "Zu groß für die große Steiermark" sei er gewesen, schrieb ein Kommentator. Bischof Egon Kapellari nannte ihn einen Politiker, bei dem "das Religiöse und das Katholische integraler Bestandteil im Denken und Handeln" gewesen seien. Krainer hat in Graz, in Bologna und in den USA studiert. Die Universität war nur eine kurze Station, bevor er für sechs Jahre Generalsekretär der Katholischen Aktion wurde, die damals noch eine mächtige Organisation war. Er war der Prototyp jenes selbstbewussten, gebildeten und kirchenbewussten Laien, den das Konzil im Auge gehabt haben mochte. Der Weg in die Politik war ihm aber vorgezeichnet. 1966 wird er Geschäftsführer des Bauernbunds, 1970 kommt er in den Nationalrat, lehnt es aber kurz darauf ab, ÖVP-Obmann zu werden. 1971 stirbt der Vater überraschend. Der "junge Krainer" wird Landesrat an der Seite von Friedrich Niederl und geschäftsführender VP-Obmann. Die Ära Krainer begann schon mit diesen Jahren, lange bevor er dann 1980 selbst Landeshauptmann wurde und es bis 1995 bleiben sollte.

Krainer, gebildet und weltgewandt, befreundet und vertraut mit vielen in Politik, Geistesleben und Kultur, ein Intellektueller in den festen Schuhen des Politikers, gab dem Land nach der Krise des Niedergangs der obersteirischen Industrie-und Bergbauregion ein neues, modernes Verständnis von sich selbst. Die "steirische Breite", von der gern die Rede ist, war auch die Weite seines Herzens und Geistes.

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