Die Rache an den Banken

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Die billige Polemik um die Äußerungen des Chefs der Erste Bank Andreas Treichl führen vollkommen am Thema vorbei: Die Bundesregierung sollte sich vielmehr des Know-hows der Banker bedienen, als sie mit Vorurteilen zu prügeln.

Vor gar nicht allzu vielen Jahren geschah es noch, dass sich die Eliten der Gesellschaft mit "Schleppjagden“ die Zeit vertrieben. Zu diesem Behufe wurde zunächst ein toter Hase durchs Gelände gezogen. Der Spaß bestand nun darin, dass Hunde und Reiter als großer, rufender, schnaubender, bellender, galloppierender Haufen der Fährte folgten und schließlich den Kadaver "erlegten“.

Heute hat es den Anschein, als machten sich Personen durch eigenes Rufen selbst zum "Hasen“ - auf dass sich die Debattenmeute auf sie stürze. Andreas Treichl, der Chef der Erste Bank, hat das vergangene Woche vorgeführt und sozusagen wütend wachelnd auf sich aufmerksam gemacht. Zunächst hat er das Salär seiner Aufsichtsräte verdoppelt und dann die Politiker der Republik als zu blöde bezeichnet, einfache wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten zu durchschauen. Seither folgt ihm bellend ein Haufen aus Politikern und Meinungsmachern. So nicht, Herr Treichl! Nicht Sie (Banker, der mit Steuergeld seine Bank retten musste)! Nicht in diesem Ton!

Die Krisenverursacher

Das Skandalgeschrei hat ja auch seine schönen Seiten für die Politik. Vergessen ist endlich der gemeinsame Stillstand der Regierung, die kollektive Handlungsverweigerung zur Staatsreform, die multiplen Gebrechen des bürgerlichen Lagers, die lähmende Machtverwesung der SPÖ - und was sonst noch die Republik in Wahrheit bedrückt. Der Kanzler höchstpersönlich lässt es sich ein Anliegen sein, die Banken zu rüffeln. Der Finanzstaatssekretär darf via Standard Richtung Treichl kalauern, er würde gerne mal "sachliche Beiträge von Krisenverursachern“ sehen. ÖVP-Chef Spindelegger bat gar zum klärenden Gespräch, bei dem es vermutlich weniger um den Inhalt als um die Form ging. Schade darum.

Denn die Diskussion, die der Banker eigentlich anregen wollte, nämlich jene über neue Richtlinien für strengere Eigenkapitalregeln bei den Banken und über die mangelnde Wirtschaftskompetenz der Politik, müsste dringend geführt werden.

Faymanns Reaktion und das Schweigen der Volkspartei beweisen, dass die Regierung die Kritik unter Umständen wirklich nicht verstanden hat. Treichl weist ja darauf hin, dass die spekulierenden Investmentbanken bei der Neuregelung grob bevorzugt würden gegenüber jenen Kreditinstituten, die eng mit Unternehmen und Realwirtschaft zu tun haben, also auch die meisten österreichischen Banken. Wenn die Regierung sich mit dieser Gefahr auseinandersetzte, wäre das also auch im nationalen Interesse. Sicher aber wäre es besser, als mit halblauen antikapitalistischen Rülpsern, die sich seit Tagen auf den Boulevard ergießen, Rache an den Banken zu üben.

Auch in der Debatte um die Schuldenkrise Griechenlands vermisst Treichl Wirtschaftskompetenz der Politik - und in der Tat ist es mager darum bestellt, nicht nur in Österreich, sondern dummerweise an entscheidenderen Stellen in Berlin und Brüssel.

Kurpfuscher am Sterbebett

Der griechische Patient wirkt trotz Euro-Schutzschirms wie ein von Kurpfuschern betreuter Sterbefall. Wie es aussieht, wird das Land - noch dazu unter Milliardeneinsatz von Steuergeld anderer Staaten - in den volkswirtschaftlichen Infarkt getrieben. Statt einen nachhaltigen Plan zu entwickeln, der die notwendigen Einschnitte mit wachstumsfördernden Maßnahmen kombiniert, klammert man sich in Brüssel starr an das Trugbild, Athen könne seine Schulden bald wieder bedienen.Nicht, dass die Politiker diese umfassenden Programme selbst entwerfen müssten - dazu gibt es Experten und kompetentes Fachpersonal - vielleicht sogar Andreas Treichl. Aber die Politik muss die Expertise eben auch einfordern. Mit Plattitüden, von wegen "Athen soll seine Hausaufgaben machen“, erreicht man nichts - nur das weitere Toben der Anleihenmärkte. So gesehen lautet die Frage, die sich in der Debatte um politische Dummheit stellt nicht: "Hat Treichl recht?“ Sie lautet: "Wird er recht behalten?“ Es ist dies eine Schicksalsfrage für Europa.

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