Die Regierung gerät außer Tritt

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Wer Ankündigungen sät, die er nicht einzuhalten vermag, erntet Kritik statt erhoffter Anerkennung. In dieses Stadium öffentlicher Abhandlung schlitterte Josef Pröll, Finanzminister und ÖVP-Obmann. Er hat hinsichtlich der Budgetkonsolidierung und struktureller Reformen mehr an Erwartungen ausgelöst als er zu erfüllen vermochte. Das rächt sich, noch dazu, wo ihm niemand zur Hilfe eilt, ganz im Gegenteil, wo sich die Problemlage Tag für Tag von selbst verschärft.

Es sind die Gipfelgespräche zum Sparpaket im Gruppenverfahren, die neuerlich Enttäuschung auslösen - und Bundeskanzler Werner Faymann lässt den Vizekanzler alleine im Hagel der Proteste stehen. Dass mit der ÖVP ausgerechnet jene Partei, die den Wert der Familie betont, die Kürzung an Familienleistungen vornimmt, könnte sich eines Tages noch bitterer rächen, als es schon bei der Wiener Landtagswahl der Fall war. Denn etwa der Mangel an deutlich höheren Etats für Bildung und Forschung löst bei der studierenden Jugend verständlichen Zorn aus. Die Verbitterung und der Zynismus, den etwa die Vorsitzende der Hochschülerschaft über die Gespräche ausdrückt, ist nur Spiegelbild der von ihr als bitter und zynisch empfundenen Verhältnisse. Und für diese wird mit Josef Pröll der Finanzminister und ÖVP-Chef verantwortlich gemacht.

Verlust an Autorität

Die Bevölkerung empfindet das Sparpaket nicht als ausgewogen, es fehlen Reformen und Kostenminderungen im unmittelbaren Umfeld der politischen Macht, konkret in den Strukturen und in der Bürokratie. Diese sind hier tatsächlich aufwändiger als andernorts. Eine Art von Doppelmühle verschärft diese Problematik, die zu einem Verlust an Vertrauen und an Autorität der Bundesregierung führt.

Es fehlt nicht an Expertise. Ganz im Gegenteil. Sowohl vom Rechnungshof als auch von Experten liegen ausreichend Konzepte und Vorschläge vor, wie etwa die Spitalstrukturen zu ändern, die Schulverwaltung zu vereinfachen, die Kinderbetreuung zu verbessern wären und so weiter, und so fort. Allein, es fehlt der Bundesregierung an erkennbarer Fähigkeit und am Willen, die verfügbare Expertise aufzugreifen und in Politik zu formen.

Woran es der Koalition mangelt

Dabei wäre dies das einzig probate Mittel, nicht nur die offenen Sachfragen zu lösen, sondern zugleich die aufgebrachten Gemüter zu beruhigen und die bereits verlorene Zustimmung in der Bevölkerung wiederzugewinnen. Denn, das ist die andere Seite der Doppelmühle, mit dem Sparpaket hat sich herumgesprochen, wie ernst die Lage ist, wie sehr es an Mitteln mangelt.

Kurz und allgemein gefasst: Die Öffentlichkeit erlebt und sieht, wie sich manche strukturellen und finanziellen Probleme verschärfen, beobachtet aber zugleich, dass die Regierung zu wenig Anstalten unternimmt, die bereits verfügbaren Mittel zu deren Behebung anzuwenden. Schlimmer noch. Die Koalition von Werner Faymann und Josef Pröll hat sich auseinandergelebt, so sie denn je zusammengelebt hat.

Derartige Phasen pflegen das Ende der Zusammenarbeit in einer Koalition einzuleiten. Was folgt - und es lässt sich bereits beobachten - ist ein ständiges gegenseitiges Belauern der Partner, ein ständiges Misstrauen über verborgene Strategien und der stete Versuch, die eigene Machtposition abzusichern. Reformpolitik gelingt unter solchen Umständen nicht mehr.

Der Koalitionsregierung fehlt das gemeinsame Projekt, welches der Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften in den 90ern noch bot. Es fehlt das einigende Band gemeinsamer Vorhaben, großer Ziele. Damit mangelt es der Regierung an Überzeugungskraft, denn wovon sollte sie die Öffentlichkeit zu überzeugen versuchen?

Ob Faymann und Pröll das Blatt noch einmal wenden können? Es ist ungewiss - und es sieht derzeit nicht danach aus.

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