Die Schurken lenken ein

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Gaddafis Wandel vom Bombenbastler zum Chefabrüster, Nordkoreas Zugeständnisse und die Abrüstungssignale aus Syrien und Iran - ist das der "Kollateralnutzen" des Irak-Kriegs?

Erstmals nach zwei Jahren gibt es wieder eine direkte Eisenbahnverbindung zwischen Indien und Pakistan. Ein Zug fährt seit letzter Woche über jene Grenze, an die Anfang 2002 Indiens Premier Atal Bihari Vajpayee Truppen mit dem Auftrag gestellt hat: "Bereitet euch vor auf Opfer - denn nun ist die Zeit für einen entscheidenden Kampf." Dem Säbelrasseln folgte effizientes diplomatisches Süßholzraspeln; und heute lässt sich Vajpayee teÆte-à-teÆte mit seinem pakistanischen Kollegen Pervez Musharraf fotografieren, und beide rufen dazu auf, das "Erbe des Misstrauens und der Spannung" zu überwinden.

Der aus Indien kommende Zug braucht in Pakistan nicht Halt zu machen, sondern kann schnurstracks in den Iran weiterfahren. Innenpolitisch sitzen dort Reformer ihren Machtkampf mit konservativen Ayatollahs aus, doch außenpolitisch ist von starrer Haltung nichts zu spüren: Sein Land sei zu Verhandlungen mit allen Ländern bereit, verkündete der iranische Außenminister und sein Präsident, Mohammed Khatami, lässt Taten folgen und trifft sich mit Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak. Seit Abbruch der Beziehungen nach der islamischen Revolution hat es zwischen beiden Ländern keinen so hochrangigen Kontakt mehr gegeben. Schließlich öffnet der Iran mit der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum Atomsperrvertrag seine Nuklearanlagen für Inspektionen.

Die Signale sind aber auch noch anderswo auf Abrüstung und Entspannung gestellt: freie Fahrt via Türkei nach Syrien. Anfang des Jahres besuchte Bashar Assad als erster syrischer Präsident die Türkei. Vergessen, dass es noch vor vier Jahren um ein Haar zu einem syrisch-türkischen Krieg gekommen wäre. Jetzt wird Assad zu Friedensgesprächen nach Israel eingeladen. Noch ziert er sich; der Streit geht um den von Israel annektierten Golan, ums Wasser und um strategisch wichtige Positionen. Außerdem haben sich beide Seiten wieder heftig in eine Art Stellvertreter-Krieg verstrickt, von syrischer Seite aus operiert die Hisbollah, und aus Israel werden Luftangriffe gegen angebliche Terroristenlager in Syrien geflogen.

Trotz dieses Abtastens, dem Schritt nach vor und wieder zurück, gibt es Anzeichen, dass inzwischen an einem größeren Rad gedreht wird, dass um Syrien und Israel herum ein Umfeld für Verhandlungen geschaffen wird. Die Türkei bietet sich als Vermittler an; vor allem aber die US-Regierung knetet seit dem Irak-Krieg die Syrer weich - mit Drohungen, mit Versprechen. Genauso wie die Amerikaner Israel nötigen, wenigstens ab und zu guten Willen zu demonstrieren.

Syrisch-israelische Annäherung - ein "Kollateralnutzen" des Irak-Kriegs, genauso wie die iranische Bereitschaft zur Kooperation mit der Atomenergiebehörde? Und die Wandlung des Muammar al-Gaddafis vom Bombenbastler zum libyschen Chefabrüster - ist auch diese Bekehrung eine positiver Nebeneffekt des Irak-Kriegs? Und die Einladung aus Nordkorea zur Inspektion der größten Atomaufbereitungsanlage - ein weiterer Kollateralnutzen?

Alle genannten Beispiele über einen Leisten zu schlagen, geht sicher nicht. Weder innere Umstände noch äußere Rahmenbedingungen sind identisch. Außerdem wäre es verfrüht, angesichts erster Anzeichen von Deeskalation in Freudentaumel auszubrechen: Die Welt ist nicht friedlich, sondern nur in einigen Regionen friedlicher geworden. Dass dazu auch der Nahe Osten gehört, mag angesichts des israelisch-palästinensischen Konflikts und der Attentate im Irak zynisch klingen - aber es stimmt: So viele diplomatische Erfolge hat die Region seit den Zeiten eines Sadat und Begin nicht mehr erlebt. Außerdem, wer hätte vor einem Jahr, als die US-Truppen am Golf Aufstellung genommen haben, an so ein Szenario geglaubt: "Der ganze Nahe Osten wird in Flammen stehen", lauteten damals viele Schlagzeilen.

Hat das Feuer im Irak also den Brand in der Region und darüber hinaus gelöscht? Hat sich die präventive Gewaltanwendung der USA bewährt? Die Schurken von Bushs Ungnaden lenken ein - ein großer Sieg, bravo Amerika! Bush und der ganzen Welt sei dieser Erfolg gegönnt. Aber ist das nicht die falsche Front? Der Kampf gegen den Terror ist doch das eigentliche Ziel. Und an dieser Front ist das Feuer im Irak dabei, den Brand erst richtig anzufachen.

wolfgang.machreich@furche.at

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