Die SPD hört die Signale – wo keine sind

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Die CDU verliert teils massiv in drei Bundesländern, die SPD verliert in einem Land und gewinnt mäßig in zweien: Daraus einen großen Erfolg für die Sozialdemokraten herauslesen zu wollen, ist gewagt. Noch dazu, wo durch die Absage von Rot-Rot im Bund keine linke Wende möglich ist.

München ist anders: In Thüringen, Sachsen und im Saarland wurde am vergangenen Sonntag gewählt. In der bayerischen Hauptstadt hat am gleichen Tag mit nicht viel weniger Publikums- und Medieninteresse Ulkfilme-Macher „Bully“ Herbig seinen Kinostreifen „Wickie und die starken Männer“ präsentiert. Für München passt der Filmplot perfekt: Wie bei Wickie gibt es in der bayerischen Landespolitik nur einen Helden und die angeblichen starken Männer sind bloße Staffage. Und wenn ein CSU-Ministerpräsident nicht diesem Bild entspricht, dann regiert er nicht lange – siehe Günther Beckstein.

Für die anstehenden deutschen Bundestagswahlen wollte die Schwesterpartei CDU dieses Setting kopieren: Eine Spitzenkandidatin, die als Kanzlerin alle starken Männer überstrahlt, sollte das Umfragehoch über den Wahltag am 27. September retten. Doch seit den teils heftigen Einbrüchen bei den Landtagswahlen am Sonntag steuert eine politische Kaltfront auf Angela Merkel zu. Offiziell sprechen sich CDU-Spitzenpolitiker zwar noch gegen einen Strategiewechsel im Wahlkampf aus. Doch der Druck vonseiten der CDU und noch mehr von der CSU und am meisten vom nächsten Lieblingskoalitionspartner FDP steigt.

Start in „Rote Socken-Kampagne“

Ein Lagerwahlkampf gegen Rot-Rot-Grün, einmal „Rote Socken-Kampagne“ genannt, soll helfen. Oder wie es ein CDU-Präsidiumsmitglied ausdrückt: „Wir müssen uns frühzeitig impfen, damit dieser Virus die Bundes-CDU nicht ansteckt.“ Doch Angela Merkel will weder den Ton gegen Koalitionspartner SPD noch Linkspartei verschärfen. Ihr Ziel sind „klare und stabile Verhältnisse“; und damit auch die Seehofers in München und die Westerwelles in Berlin die Botschaft verstehen, stellt sie in der Pressekonferenz nach der Präsidiumssitzung am Montag eindeutig klar: „Ich werde nicht in Lagern denken, sondern um Menschen werben.“

Um Stimmen werben will Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier selbstverständlich auch. Nach den Wahlen vom Sonntag ist ihm aber auch Lagerdenken willkommen: „Schwarz-Gelb wird nicht gewollt“, lautet seine Wahlanalyse und Kampfansage gegen ein Zusammengehen von Union und Freien Demokraten nach dem 27. September. Steinmeier: „Die lesen den Bankern doch weiter die Wünsche von den Lippen ab“ und stehen für „die Denke, die uns in die Krise gebracht hat“. Auf Bundesebene kommt für Steinmeier aber auch kein Bündnis zwischen SPD und Linkspartei in Betracht. In den Ländern können die Landesparteien jedoch „eigenverantwortlich entscheiden“, mit welchem Partner sie Koalitionen eingehen.

Steinmeier kopiert damit unter umgekehrten ideologischen Vorzeichen den Umgang der österreichischen Sozialdemokratie mit der FPÖ. In den Bundesländern wird Rot-Blau geduldet, so wie in Deutschland Rot-Rot; für den Bund selbst aber bleiben diese Koalitionen verpönt, weil zu rechts- oder, im deutschen Fall, zu linksextrem – ein Zeichen, dass das Unprinzip „Durchwurschteln“ nicht auf Österreich beschränkt ist.

Und noch ein Vergleich trifft auf die SPD und ihr österreichisches Pendant gleichermaßen zu: Dort wie da wird nicht zu stark Verlieren schon als Sieg verbucht. Allein die Dauerflaute der Sozialdemokraten erklärt, warum Steinmeier die Ergebnisse seiner Partei bei den Landtagswahlen als „Rückenwind“ für die Auseinandersetzung im Bund interpretieren kann. Am Grundsatzproblem der SPD ändert sich dadurch nichts: In der Mitte kann sie neben der CDU nicht mehr richtig Fuß fassen und links verliert sie an die Linkspartei. Um Boden gut zu machen, feixte Steinmeier gegen Merkels Kanzlerin-Bonus: „Die Union und Frau Merkel unterschätzen, dass die Menschen Antworten haben wollen auf die Frage, wo stehen wir in der Krise und wie kommen wir da heraus.“ Merkel kündigte daraufhin an, das Thema soziale Gerechtigkeit stärker zu betonen – was nicht im Sinne des SPD-Spitzenkandidaten gewesen sein kann, dem damit ein klassisches SPD-Thema streitig gemacht wird.

Die Kanzlerin scheint sich dagegen an einen Le Figaro-Ratschlag zu halten. Das Pariser Blatt hatte Merkel geraten, sich von der Öffnung nach links, die Frankreichs Präsident Sarkozy praktiziert, inspirieren zu lassen: „Die Sozialdemokraten werden von der Partei Die Linke nach links gezerrt, und da sollte die Bundeskanzlerin das Terrain im Mittelfeld des politischen Schachbretts besetzen.“

Ein neues Fünfparteiensystem

Ein Brett, auf dem es in Deutschland in Zukunft enger wird. Mit der Etablierung der Linkspartei zur gesamtdeutschen Kraft ist Deutschland in ein Fünfparteiensystem eingetreten. Der Duisburger Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte nennt das einen „Mehr-Parteien-Markt“, der eine neue Unübersichtlichkeit zur Folge habe. Korte gilt als Erfinder des Begriffs „Jamaika-Koalition“ – Schwarz-Gelb-Grün schließen sich bei dieser Variante zu einer Regierung zusammen. Bei einer „Ampelkoalition“ ist Rot-Gelb-Grün an der Reihe. Für Rot-Rot-Grün gibt es noch keinen Namen: „Ouagadogou-Koalition“ böte sich an, denn Burkina Faso hat in seiner Flagge die beiden Farben und einen Revolutions-Stern vereint.

Doch Dreierbündnisse, wie sie jetzt im Saarland oder in Thüringen diskutiert werden, sind in Deutschland die Ausnahme. Zwei Ampelkoalitionen auf Landesebene gab es in den 1990ern, beide scheiterten vorzeitig. Eine Jamaika-Koalition oder Rot-Rot-Grün hat es auf Landesebene nie gegeben, auch wenn 2008 in Hessen nicht viel dazu gefehlt hat. Und was für die deutschen Länder gilt, stimmt für den Bund noch mehr: Die SPD will kein Rot-Rot, die Grünen verweigern Jamaika. Und die FDP kann sich mit der Ampel nicht anfreunden. Was dann? Wahrscheinlich eine Neuauflage von Schwarz–Rot. in unsicheren Zeiten finden Revivals nicht nur in Deutschland Zulauf – siehe Wickie!

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