"Die SPÖ braucht eine demokratische Streitkultur“

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Seit dem letzten Wiener Parteitag ist die "Sektion 8“ der Innbegriff der rebellischen Basis. Warum sie trotzdem keinen Putsch planen, erklären Katharina Kreissl und Nikolaus Kowall.

Die Furche: Die Bestellung von Niko Pelinka zum Büroleiter wird heftig kritisiert. Wie sehr schadet die Sache in Ihren Augen der SPÖ?

Nikolaus Kowall: Es ist kein Schaden für die SPÖ sondern für die Leute, die die SPÖ-Spitze auf Bundesebene derzeit repräsentieren. Wenn die Partei in fünf Jahren ein völlig anderes Auftreten hat, können dieselben Leute, die jetzt einen Zorn haben, vielleicht wieder positiv eingestellt sein.

Katharina Kreissl: Es ist auch gut möglich, dass nur ein Image bestärkt wird, dass schon da war.

Die Furche: Elfriede Jelinek erklärt die Sozialdemokratie für tot und gibt dafür auch "Parteienkindern“ Schuld. Fühlen Sie sich angesprochen?

Kowall: Nein. Wir beide kommen nicht einmal aus sozialdemokratischen Elternhäusern. Aber auch bei uns gibt es Politiker-Kinder, und die gehören zu den besten Leuten, die wir haben.

Kreissl: Es kommt ja nicht darauf an, aus welcher Familie man kommt, sondern wofür man steht, was man macht. Ärgerlich ist, dass in der Debatte um die jungen, vernetzten "Sprösslinge“ das eigentliche Thema außer Acht gelassen wird: Nämlich dass es Strukturprobleme gibt.

Kowall: Pelinka, Rudas und Co. machen das, was sie gelernt haben. Die Frage ist, wie sehr man ihnen das persönlich anhaften kann. Das ist ein kulturelles Problem der Sozialdemokratie.

Die Furche: Inwiefern?

Kowall: Es gibt keine Streitkultur, zu wenig Demokratie. Parteidisziplin hat historische Gründe, die durchaus berechtigt waren. Aber heute dient sie nicht mehr dazu, Inhalte durchzusetzen, sondern um die tagespolitischen, taktischen Entscheidungen der Bundesführung abzusegnen. Der Kommerzialisierungsprozess der Politik, weg von Überzeugungen und Inhalten hin zu Taktierern, findet auch in der SPÖ statt.

Kreissl: Aber es gibt nicht nur treue Parteisoldaten. Viele Menschen in diversen Positionen innerhalb der SPÖ sind nicht angepasst.

Die Furche: Warum sind dann Sternstunden der innerparteilichen Demokratie, wie der Schwenk beim Verbot des kleinen Glücksspiels am Wiener Parteitag, so selten?

Kowall: Die SPÖ ist sehr demokratisch aufgebaut, die gesamte statutarische Gewalt geht von unten nach oben. Ich bin als Sektionsleiter der kleinste Funktionär, den es in der Partei gibt, und trotzdem kann mir niemand etwas anschaffen, außer meine eigenen Mitglieder. In der Alltagskultur wird das aber zu wenig ausgelebt. Wir loten jetzt diese Spielräume aus und fordern auch andere dazu auf.

Kreissl: Und wir schauen, wo man diese Möglichkeiten noch erweitern kann. Mit den Ergebnissen werden wir auch die Partei konfrontieren.

Die Furche: Am Bundesparteitag?

Kreissl: Möglicherweise. Aber einen Kulturwechsel kann man nicht mit einem Beschluss herbeiführen. Wir können nur Impulse setzten.

Die Furche: Proben die Jungen den Aufstand?

Kowall: Wir wollen keinen Putsch. Wir wollen mit den Leuten, die da sind, über mehr demokratische Möglichkeiten in der Partei verhandeln. Nur so kann es zu einer Repolitisierung kommen. Wir glauben, dass es zwischen demokratischen Entscheidungen und ihren Inhalten eine Beziehung gibt. Weniger Demokratie bedeutet schlicht: Schlechtere Inhalte.

Kreissl: Wenn Positionen nicht mehr von oben diktiert, sondern ausgestritten werden, müssen sich die Leute mit Inhalten beschäftigen. (dol)

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