"Die SPÖ muss einfach solche Forderungen vertreten"

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Der steirische Soziallandesrat Kurt Flecker (SPÖ) über die Notwendigkeit der "Reichensteuer", die Versäumnisse der Koalition und die Erfolgsaussichten der umstrittenen Reformvorschläge. Das Gespräch führte Oliver Tanzer

Kurt Flecker ist Soziallandesrat in der Steiermark. Er gilt als prononciertester Befürworter einer neuen Verteilungsgerechtigkeit in der SPÖ-Politik.

Die Furche: Die Parteiführung scheint von den Vorschlägen des Zukunftspapiers einigermaßen überrascht gewesen zu sein. Hat man die Inhalte zu wenig diskutiert?

Kurt Flecker: Also für die handelnden Personen war die Überraschung sicher enden wollend. Ich verstehe die Aufregung nicht. Es ist doch unbestritten, dass ein Umdenken notwendig ist und dass man Alternativen überlegen muss - auch im Rahmen der SPÖ.

Die Furche: Aber Sie verstehen, dass die SPÖ als Regierungspartei damit Probleme bekommen könnte.

Flecker: Ob und wie das in der Koalition aufgenommen wird, ist eine andere Frage. Aber wir können nicht auf die Diskussion verzichten, nur weil der Koalitionspartner sich dagegen wehrt.

Die Furche: Der Kanzler verweist darauf, dass eine neue Steuer nicht dem Koalitionsabkommen entsprechen würde.

Flecker: Aber man wird ja doch zur Kenntnis nehmen, dass es demnächst zu einem ordentlichen Einnahmenrückgang des Staates kommen wird, zu stark steigenden Arbeitslosenzahlen und zu einem Gewinnrückgang. Das alles führt aber zwangsweise zu einem Problem bei der Finanzierung des Sozialbereichs. Gerade deshalb können wir es nicht allein mit den Investitionen und der Konjunkturbelebung bewenden lassen.

Die Furche: Gehört die bedarfsorientierte Mindestsicherung auch dazu?

Flecker: Die gehört eindeutig dazu. Gerade in der Krise muss für die Armen besonders gesorgt werden, denn die trifft es ja auch am härtesten. Alleine in der Steiermark gab es 2007 um 36 Prozent mehr Anmeldungen für die Sozialhilfe. Man braucht nicht anzunehmen, dass diese Zahlen sinken werden. Und gerade diesen Menschen eine schon von Bund und Ländern akkordierte Lösung vorzuenthalten, ist nicht zu verstehen.

Die Furche: Die Regierung sagt, sie will das nicht über neue Steuern, sondern über Einsparungen im Beamtenbereich absichern. Reicht Ihnen das nicht?

Flecker: Einsparungen, etwa ein Aufnahmestopp bei den Beamten verursacht ja auch nicht nur Einsparungen, sondern auf der anderen Seite eben weniger Jobmöglichkeiten und dadurch indirekt mehr Arbeitslose. Wer sonst außer der öffentlichen Hand sollte Arbeitsplatzerhalter sein? Wir folgen generell einer alten Strategie der kapitalorientierten Ideologie. Damit sollte jetzt aber wirklich Schluss sein.

Die Furche: Was hat die Regierung demnach also falsch gemacht?

Flecker: Sehen Sie sich die Bilanz an. Wir hatten bereits eine akkordierte Mindestsicherung, also die wirksamste Art der Armutsbekämpfung. Das wird auf die lange Bank geschoben. Wir hatten bereits eine akkordierte Vermögenszuwachssteuer. Plötzlich wird die nicht mehr diskutiert. Jetzt reicht uns als SPÖ die Steuerreform, über die die Klientel der ÖVP mehr als zufrieden sein kann. Dann muss man auch soweit sein zu sagen: Jetzt müssen wir über neue, sozial faire Einnahmen nachdenken können.

Die Furche: … also die Reichensteuer.

Flecker: In einer Zeit, in der die arbeitende Bevölkerung immer mehr mit Kurzarbeit konfrontiert wird, also aktiv auf Lohn verzichtet, kann auch die Forderung nach einer vermehrten Besteuerung von Vermögen gestellt werden. Ich bin absolut überzeugt, dass das in der Bevölkerung mehrheitsfähig ist. Die SPÖ hat einfach solche Positionen zu vertreten. Wenn eine solche Maßnahme auf beispielsweise fünf Jahre befristet ist, kann dem auch die ÖVP zustimmen. Wir müssen aber noch über viel mehr reden.

Die Furche: Beispielsweise?

Flecker: Wie wir in Europa gerade im Bereich der Industrie unsere Standortqualität sichern. Da muss es auch Schutzmechanismen geben, dass nicht teuer ausgebildete Fachkräfte in andere Länder abwandern.

Die Furche: Dagegen sprechen aber die Grundfreiheiten der EU.

Flecker: Ich finde, man darf auch vor protektionistischen Maßnahmen nicht haltmachen. Man kann das Hierbleiben durch einzelne Förderungen interessant machen oder aber an eine Bestrafung für Abwandernde denken.

Die Furche Wie wollen Sie denn den Bundeskanzlervon der Wichtigkeit Ihrer Ideen überzeugen?

Flecker: Wir werden auf zwei Schienen vorgehen. Zum einen werden wir das jetzt offiziell zum Thema der SPÖ machen. Die Steirer werden das auf jeden Fall im Bundesparteivorstand vorlegen. Da erwarte ich eigentlich eine satte Mehrheit. Dem kann sich dann auf der zweiten Schiene in der Bundesregierung niemand mehr verschließen. Nicht die SPÖ, aber auch nicht die ÖVP. Die sehen ja dann auch, wie sehr Faymann unter Druck gerät.

Die Furche: Würden Sie notfalls auch einzelne Maßnahmen, wie etwa die Mindestsicherung, allein in der Steiermark umsetzen?

Flecker: Nein, dazu fehlen dem Land mit Sicherheit die finanziellen Ressourcen. Es wird keinen Alleingang geben.

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