Die Suche nach Wegen aus dem Chaos

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Auf dem Flughafen von Port-au-Prince stauen sich die Hilfsgüter, die eigentlich schon seit Tagen hätten verteilt werden sollen. Medizinische Ausrüstung und dringend benötigte Medikamente bleiben in überfüllten Lagern. Bis zu 25 Flugzeugen pro Tag wird die Landung verweigert. Meldungen wie diese sind auch vier Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti eher die Regel als die Ausnahme.

Tatsächlich werden die USA und die UNO erst langsam Herren der Lage in der Katastrophenregion. Noch immer sind Teile der Hauptstadt praktisch ohne Hilfe, laut Washington Post gibt es noch „Hundertausende, die weder Nahrung noch Unterkunft haben“. Die seit Jahren in Haiti tätige deutsche Entwicklungshelferin und Ärztin Barbara Höfler berichtete am Montag: „Der Himmel weiß, wer die Hilfe koordiniert. Eine übergreifende Koordination findet nicht statt. Jede Hilforganisation macht ihr Ding. Je kleiner die Hilfsorganisation, desto effektiver.“

Erste Erfolge

Zumindest der gute Wille ist den Amerikanern und UNO-Angestellten nicht abzusprechen. Mehr als 1,5 Millionen Nahrungsmittelpakete wurden verteilt, mehr als 150.000 Zelte als Notunterkünfte errichtet, die medizinische Notversorgung in großen Teilen des Landes verbessert – und das trotz nicht existierender Staatsstrukturen und weitreichender Korruption. Doch mit dem Erreichten wird es noch lange nicht getan sein.

Kurzfristig droht eine rapide Verschlechterung der Gesundheitslage durch starke Regenfälle. „Ärzte ohne Grenzen“ berichtet von einer steigenden Zahl an Durchfallerkrankungen und schweren Hautentzündungen, Folgen der kaum funktionierenden sanitären Versorgung. Die UNO organisiert derzeit ein dringend notwendiges Impfprogramm für die gesamte Bevölkerung. Den Vereinten Nationen stehen auch noch mittelfristig logistische Großeinsätze zur Nahrungsmittelversorgung ins Haus. Denn schon in zwei Wochen beginnt in Haiti die Pflanzsaison, dazu müssen Tausende Tonnen Saatgut angeliefert werden. Nur über eine solche Hilfe zur Selbsthilfe ist die Entwicklung eines leistungsfähigen Versorgungssystems möglich.

Jahrelange Fehlentwicklung

Eine der größten Fehlentwicklungen in den vergangenen Jahren war laut Entwicklungsexperten gerade die Öffnung des haitianischen Handels für Importe von Lebensmitteln aus den großen Landwirtschaftsnationen. Haitianische Reisbauern konnten gegen die billigere industrielandwirtschaftliche Konkurrenz nicht mehr reussieren. Die Konsequenz war eine nahezu totale Abhängigkeit von den Weltmarktpreisen. Enorme Preissteigerungen führten 2007 zu Hungeraufständen in Haiti. Die Hoffungen, dass all das besser werden könnte, ruhen nun auf Ex-US-Präsident Bill Clinton, der seit Freitag Chefkoordinator der UNO auf Haiti ist. Bleibt zu hoffen, dass Clinton seine Aufgabe diesmal ernster nimmt als als „Koordinator“ der US-Hilfe vor zwei Wochen. Damals war er im Flugzeug angereist, hatte sich beim Entladen von Hilfskisten filmen lassen und war wieder entflogen.

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