Die Tötung als Triumph

Werbung
Werbung
Werbung

Die USA haben sich und die Welt des Dämons Osama bin Laden entledigt. Doch eine Erschießung per Todeskommando ist weder ein Ruhmesblatt für die rechtsstaatlich verfasste westliche Welt noch eine Lösung des Terrorproblems.

Wir feiern also. In Washington und New York brüllen sie "USA, USA!“. In weiten Teilen des politischen Äthers macht sich "Genugtuung“ breit. Und aus den Kommentaren wallt die Kunde von der "Wende in der amerikanischen Außenpolitik“, dem "Auftrieb“, den Barack Obama jetzt verspüre und überhaupt: "Sein größter Erfolg“, berichtete da ein Korrespondent des ORF aus Washington - und traurigerweise hat er auch noch recht.

Der Präsident der USA hat den größten Erfolg seiner fortgeschrittenen ersten Amtszeit gelandet, weil er einen Menschen "gezielt töten“ ließ. Was für ein Triumph - und was für ein Wandel: Noch 2009 erhielt derselbe Mann noch unter Jubel den Friedensnobelpreis. Irgendwo in den Tiefen des Indischen Ozeans ruht nun der Leichnam von Osama bin Laden. Tut er jemandem leid? Nein, er war ja eine Bestie, hat mehrere Tausend Menschen auf dem Gewissen, hat mit Al Kaida Schrecken in der westlichen, aber auch in der islamischen Welt verbreitet. Wenn man ihn schon verewigen wollte, er wäre wohl ein Dämon des Hasses. Bin Laden - das Böse schlechthin. Umgebracht und Ende der Diskussion?

Der Rechtsstaat über Bord

In der aufgeheizten Atmosphäre werden ja gerne die Grundsätze des Rechtsstaates vergessen, oder nicht? Kein Prozess, keine Gefangennahme, sondern Liquidierung. Der CIA-Direktor darf sich die Show von Abbottabad sogar per Livecam ins Büro übertragen lassen und berichtet dann, dass nach Abschluss der letalen Mission Jubel aufgekommen sei.

Erinnern wir uns doch der auf Video festgehaltenen Besprechung Bin Ladens mit seinen Spießgesellen in seiner Höhle am Hindukusch, als er 2001 die Terroranschläge von 9/11 feierte und triumphierte? War das, was sich bei der CIA abspielte, so ganz anders, lässt man einmal beiseite, dass diesmal die uns besser zu Gesicht Stehenden gewonnen haben? 2001 und 2011: zwei Triumphe im rechtsfreien Raum.

Ein seltsamer, beinahe kindischer Dualismus feiert da dieser Tage ein wildes Fest. Wenn Weiß und Gut Schwarz und Schlecht umbringt, heißt das: Weiß hat gewonnen und alle sind glücklich. So wie damals zu "High Noon“ spielt das Leben also? Nun, dann müssen wir schnell vergessen, dass dieselbe CIA, die jetzt seinen Tod bejubelt, Bin Laden ausgebildet hat - als islamistisches Kanonenfutter im Afghanistankrieg gegen die Sowjets. Haben wir überdies vergessen, dass der Dämon Bin Laden nur entstehen konnte, weil die Armut und die Chancenlosigkeit von Millionen in der islamischen Welt ihn speiste?

Es ist kein Wunder, dass ausgerechnet Afghanistan und Pakistan die fruchtbarsten Zuchtanstalten für Nachwuchsterroristen sind - und bleiben. Gemessen an den dort herrschenden Zuständen, Armut, Gewalt und Perspektivlosigkeit ist es geradezu ein Mirakel, dass es nicht mehr von ihnen gibt.

Das Problem Bin Laden lebt

Wir sollten nicht frohlocken, wir sollten nachdenklich werden: Wie gehen wir mit der Verzweiflung der Massen um, denen die arabischen Aufstände (selbst wenn sie erfolgreich Diktatoren vertrieben haben) existenziell nichts als die schon bekannte Armut bringen? Andere Bin Ladens werden kommen und auf diesem Meer des Elends ihre Segel hissen.

Bin Laden ist tot. Das Problem, das ihn erzeugt hat, aber lebt. Und es sprießt mit jedem Tag, an dem das Heer der Jungen und Enttäuschten wächst, in den Slums von Kairo, in Islamabad oder Jakarta. Die hoffnungslosen Opfer von heute sind vielleicht die lebensmüden Terroristen von morgen. Unschuldig und schuldig sind in diesem Zusammenhang keine stationären Zustände mehr. Es sind ineinanderfließende Möglichkeiten mit dem Zufall als Steuerungsfaktor.

Wer daran in Zukunft tatsächlich grundlegend etwas ändern will, braucht keine über dem Recht stehenden Kopfjägertruppen in Pakistan, sondern einen sinnvollen und weitreichenden Plan, der die Massen der Armut entreißt. Dafür bekommt man dann auch gerechterweise einen Nobelpreis.

* oliver.tanzer@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung