Die Träume sind längst verflogen

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Freda Meissner-Blau im Interview. die furche, 9. 11. 1995

Die Furche: Wo wünschen Sie sich deutlichere Konturen grüner Politik?

Freda Meissner-Blau: Ich wünsche mir, daß die Lebensgrundlagen meiner Enkelkinder besser gesichert werden, als das im Moment der Fall ist. Das einzige, was den Politikern einfällt, sind alte, überholte Rezepte. Es gibt keine konsequente Energiepolitik, keine Ökosteuer, keine ökologische Revolution, die notwendig wäre. Rezepte haben wir ja alle. Wir wissen ganz genau, wie eine sinnvolle Energiepolitik ausschauen müßte, eine ebensolche Verkehrs- und Industriepolitik. Aber es fehlt an Mut, das auch umzusetzen. Und was sagt man in Wien und Brüssel? "Wir haben andere Sorgen als die Umweltfragen." Das wird sich rächen. [...]

Die Furche: Haben Sie aufgegeben?

Meissner-Blau: Nein, ich bin nur nüchterner geworden. International ist die Situation ja oft noch schlimmer als bei uns. Ich weiß nicht, was den Menschen passieren muß, damit sie sich nicht mehr alles gefallen lassen, und die Regierung oder die eu zwingen, etwas zu tun. Solange wir eine Bevölkerung haben, die immer mehr resigniert und andere Sorgen hat - etwa den Jobverlust - wird sie sicher nicht an den schönen, grünen Wald denken.

Die Furche: Fehlt den Grünen nicht auch das Gefühl für das Machbare? Schätzen Sie im Grunde nur die Teilhabe an der Macht realistisch ein?

Meissner-Blau: Das ist eine sehr subtile Frage. Der letzte Teil stimmt. In der Einschätzung der Teilhabe an der Macht ist man realistischer geworden. Der Grund dafür ist klar: Wir haben das Pferd von hinten gesattelt. Anstatt an der Basis, in den Gemeinden und Bezirken, aufzubauen, sind wir ins Parlament gegangen. Das ist ganz bestimmt nicht ideal, andererseits hatten wir damals aber keine andere Möglichkeit. Heute fehlt der grünen Arbeit die theoretische Basis in Form einer gründlichen Orientierungshilfe: Wohin wollen wir eigentlich, und wie können wir dorthin kommen? Die ideologische Basis wurde immer nur von der Tagespolitik abgeleitet. Aber für Änderungen ist es nicht zu spät.

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