Die Universität in der Teeplantage

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Eine Universität auf sieben Hügeln soll für die nordostindische Region Assam zum Zentrum des sozialen Wandels werden. Rektor Stephen Mavely hat eine Vision: den "Traum-Campus“.

Noch ziehen Elefantenherden über die grünen Hügel, wo bald ein weitläufiger Universitäts-Campus inmitten von Teeplantagen entstehen soll. In diesen Tagen startet der Bau der Assam Don Bosco University. Es wird die erste katholische Universität Indiens und die weltweit erste englischsprachige Don Bosco-Universität sein. Das internationale Hilfswerk der Salesianer Don Boscos ist im Bundesstaat Assam im Nordosten Indiens seit Langem mit Entwicklungsprojekten wie Zentren für Straßenkinder oder Frauenförderungsprogrammen präsent. "Dass hier eine Universität mitten im Dschungel entstehen soll, hat uns überrascht. Doch je länger wir uns mit diesem Projekt befassen, umso visionärer und nachhaltiger erscheint es uns“, erzählt Reinhard Heiserer, Geschäftsführer von Jugend eine Welt.

In fünf Jahren sollen 6000 bis 8000 Studierende gemeinsam mit den Lehrenden inmitten eines 150 Hektar großen Naturgebietes wohnen, lernen und forschen. Auf einer Anhöhe wird sich das Hauptgebäude erheben, umgeben von sieben Hügeln, an die terassenförmig die Fakultätsgebäude gebaut werden. Die Studierenden und Lehrenden werden in einem eigenen "Dorf“ an einem sechs Hektar großen See leben. Das Gebiet liegt 45 Minuten entfernt vom bisherigen Campus der 2008 gegründeten Universität in Assams Hauptstadt Guwahati. Es soll ein lebendiges Zentrum der Innovation werden - nicht nur für Ausbildung und Forschung, sondern für alle Lebensbereiche.

Stephen Mavely, der Rektor der Assam Don Bosco University, ist die treibende Kraft hinter dem Großprojekt. "Indischen Universitäten fehlt die akademische Atmosphäre, denn sie sind für gewöhnlich mitten in der Stadt an einer lauten und stark befahrenen Straße gelegen. Ich hatte das Privileg, einige der besten Universitäten in den USA und Großbritannien zu besichtigen. Sie haben alle eines gemeinsam: Das Leben der Studierenden spielt sich am Campus ab“, erklärt Mavely im Zuge seines Österreichbesuchs gegenüber der FURCHE. "Er ist derjenige, der die Vision hat, mit anderen Menschen teilt und umsetzt. Tag und Nacht arbeitet er für dieses Projekt“, sagt Heiserer über seinen Projektpartner.

Ein Traum wird Wirklichkeit

Seit Jahren ist der indische Bildungsexperte in der ganzen Welt unterwegs, um Geldgeber für seine Idee zu gewinnen. Durch zinsgünstige Kredite, Darlehen, Zuschüsse und Spenden sollen 50 Millionen Euro zusammenkommen. Davon konnte Mavely bereits knappe 13 Millionen auftreiben. Die Mittel kommen von der internationalen Don Bosco Gemeinschaft, anderen religiösen Kongregationen, Stiftungen und Institutionen aus Europa und den USA. "Das Zentralgebäude und drei weitere Institutsgebäude sind bereits finanziert. Wir dürfen mitverfolgen, wie unsere Träume Schritt für Schritt Wirklichkeit werden“, berichtet der engagierte Rektor. Der gesamte Campus soll in drei bis fünf Jahren fertiggestellt sein, denn vergeudete Zeit kostet Geld. Sobald die Infrastruktur geschaffen ist, möchte sich die Universität durch die Studiengebühren und die Einnahmen der dazugehörigen Teeplantage, der Unterkünfte am Campus sowie der Online-Kurse selbst erhalten.

Die Gelegenheit zur Umsetzung seiner Vision bot sich dem Kulturwissenschaftler 2005, als er von einem Sabbatical aus den USA zurückkehrte. Durch eine Gesetzesänderung war es nun möglich, in Indien private Universitäten zu gründen. "Wir erkannten die Chance, eine Universität frei nach unseren christlichen Werten zu gestalten“, erzählt der Salesianer. Die indische Wirtschaft wächst und mit ihr die Nachfrage nach Bildungsangeboten. Heute besteht in Indien die Wahl zwischen günstigeren, aber oft mangelhaften öffentlichen Universitäten und teuren Privatuniversitäten. Don Bosco möchte eine gute Ausbildungsqualität anbieten, die für die indische Mittel- und Unterschicht leistbar ist.

Studieren für Randgruppen möglich

60 bis 70 Prozent der Studierenden an der Assam Don Bosco University erhalten staatlich geförderte Bildungskredite. Es gibt Stipendien für Minderheiten wie Muslime, Christen, Sikhs oder Buddhisten. "Damit ermöglichen wir der ländlichen Bevölkerung den Zugang zu höherer Bildung. Öffnung und Gleichheit sind Säulen unserer Philosophie“, betont Pater Mavely. Eine Schule am Campus wird Platz für 1000 bis 2000 Kinder aus der ländlichen Umgebung bieten. Durch Online-Lehrgänge werden sich sehr viele Menschen unabhängig von ihrem Aufenthaltsort qualifizieren können. "Wir planen 100.000 bis 200.000 Studienplätze für Online-Studiengänge. Dann können indische Tellerwäscher in den Vereinigten Arabischen Emiraten an unserer Universität studieren“, erklärt der ambitionierte Rektor.

Das Phänomen der "gebildeten Arbeitslosen“ ist ein großes Problem in Indien. "Deshalb bieten wir nur zukunftsträchtige Studiengänge der Sektoren Technologie, Dienstleistungen und Soziales an. Mit Angeboten wie ‚Rural Management‘ oder ‚NGO Management‘ gehen wir auf die Bedürfnisse der Region ein“, erläutert Rektor Mavely. Mehr als die Hälfte der Studierenden kommen schon jetzt aus dem Ausland. Der Frauenanteil beträgt 40 Prozent, Tendenz steigend. In den technischen Studiengängen sind Frauen viel stärker vertreten als etwa in Österreich.

Assam-Tee vom Öko-Campus

Ein Viertel des Campus-Grundstücks ist Plantage, der Rest ist Dschungel. "Menschen aus den umliegenden 45 Dörfern werden die Teeplantage ökologisch bewirtschaften. Wir werden Kurse in ‚Tea Technology‘ anbieten, damit sie auch lernen, ihren eigenen Tee anzubauen“, erzählt Mavely. Für den Kauf der Teeblätter hat sich ein bio-zertifizierter Fair Trade-Importeur aus Deutschland gefunden.

Eine Solarfarm soll den Campus mit Solarenergie versorgen. Alternative Energien werden in Indien staatlich gefördert, weil das riesige Land seinen Energiebedarf nicht mehr selbst decken kann. "So sind wir grün und verdienen damit sogar Geld. Wir möchten ein Modellprojekt sein - nicht nur in sozialer und pädagogischer Hinsicht, sondern auch im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit“, betont Projektinitiator Mavely. Der Campus ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar.

Herausforderungen gilt es noch einige zu bestreiten: Es ist nicht einfach, qualifiziertes Lehrpersonal zu finden, weil die Universität den Lehrenden nicht so hohe Gehälter zahlen kann wie andere Privatuniversitäten. Netzwerker Mavely hat daher Kooperationen mit Universitäten in den USA, Asien, Europa und Australien initiiert. "Ich werde dieses Projekt verfolgen, solange ich kann, vielleicht noch 10 Jahre. Dann werden andere meine Arbeit fortführen“, sagt der 62-jährige. Bis dahin soll seine Vision vom "Traum-Campus“ verwirklicht sein.

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