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Die Ursachen des Zusammenschlusses

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Als aber die Schweizer Kantone zur Zeit Napoleons in europäische Krisen verwickelt wurden, waren sie als loser Staatenbund diesem Notstand nicht gewachsen. Dieses Versagen dürfte neben wirtschaftlichen Zielen eine der Ursachen für den Zusammenschluß zum Bundesstaat im Jahre 1848 gewesen sein. Als Bundesstaat hat sich die Schweiz im deutsch-französischen Krieg, im ersten und zweiten Weltkrieg gegenüber allen Gefahren behauptet. Heute ringen die Schweizer mit ähnlichen Problemen wie wir in Österreich. Mächtige Organisationen der Wirtschaft und der Arbeitnehmer stellen naturgemäß eine stark zentralistisch wirkende Kraft dar. Die immer stärker werdende internationale Verflechtung von Handel und Verkehr fördern zentralistische Bestrebungen.

Und doch könnten wir Vöit der Schweiz lernen. Die Kantone fördern Föderalismus nicht nur dem Bund gegenüber, sondern üben ihn auch gegenüber den unterstellten Körperschaften.

Volksbegehren und Volksabstimmung wird nicht von oben her propagiert, sondern „von klein auf“ in den Gemeinden geübt. Man darf auch nicht übersehen, daß in der Schweiz die Viersprachigkeit eine starke Stütze für den Föderalismus ist, dem aber anderseits ein über jeden Zweifel erhabenes Staatsbewußtsein gegenübersteht, so daß der Föderalismus nicht in Separatismus ausarten kann. Föderalismus ist vergleichbar mit der Unruhe der Uhr: Nur in einem festen Gehäuse ist sie sinnvoll. Föderalismus — Zentralismus ist letzten Endes eine Frage des rechten Maßes.

Selbständiges Tirol?

Zuletzt ist noch die Frage zu überlegen, ob Tirol als selbständiger Staat denkbar gewesen wäre. Selbst als unverbesserlicher1 Optimist könnte ‘ man diese Frage kaum bejahen. Die geographische Lage Tirols in seinen historischen Grenzen und der Reichtum an Bodenschätzen (Salz und Silber) haben den Erwerb und den Besitz Tirols für die Machthaber Mitteleuropas stets als erstrebenswertes Ziel der auswärtigen Politik erscheinen lassen. Einen uneigennützigen Protektor, der willens und auch mächtig genug gewesen wäre, die staatliche Freiheit Tirols zu schirmen, sucht man aber in der europäischen Geschichte vergebens.

Nimmt man alles nun in allem, so erfüllt den Tiroler die Erkenntnis, daß Tirol im Bund mit Österreich seine Freiheit bewahren konnte, mit aufrichtigem Dank gegenüber unserem Vater-

land. Die Geschichte lehrt, daß nicht schöne, stolze Reden die Landesfreiheiten zu erhalten vermögen, sondern daß eine auf soziale Gerechtigkeit aufbauende, korrekte und mustergültige Landesverwaltung beste Garantie für föderalistische Freiheit ist.

So kehren wir zurück zur Landtagssitzung vom 26. Jänner, zu einem Vermächtnis und Bekenntnis, das uns der leider zu früh verstorbene Landeshauptmann Dr. Hans Tschiggfrey hinterlassen hat: „Unsere Aufgabe ist es, dafür Sorge zu tragen, die von der

Vergangenheit überlieferten Werte zu erhalten und jene Werte zu schaffen, die unseren Kindern eine gesicherte und frohe Zukunft gewährleisten. Sechs Jahrhunderte sind ein großes Stück gemeinsamen Weges. Das Tiroler Volk war durch all diese Jahrhunderte von einer tiefen und unerschütterlichen Glaubenstreue erfüllt. Mit voller Berechtigung richten wir daher heute die Bitte an unseren Herrgott: Schütze unser herrliches Heimatland Tirol in einem glücklichen Vaterland Österreich!“

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