Die Verstoßung eines Schwierigen

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Johannes Voggenhuber liebt nichts mehr in seinem Leben als die freie Rede. Was konnte der Mann nicht lautstark dozieren über Gott, die Welt und die EU im Besonderen. Ganze Abende und halbe Nächte lang hörte man ihn in Brüssel und Straßburg Reden schwingen, wenn er Journalisten zu sich geladen hatte. Jede Pressekonferenz, jedes kleine Interview wurde von Voggenhuber als Schaffensfeld für die treffendste Pointe, die deftigste Politschelte, die äußerste Empörung wahrgenommen. Manchmal konnte man schmunzeln, zumeist aber einfach nur staunen angesichts von soviel polemischer Energie - der Mann war (und ist) eine Wortgewalt.

Jetzt haben die Grünen Voggenhuber zum alten Eisen gelegt. Mit einer Generationsablöse wolle man sich "neu aufstellen" in Brüssel. Nun, bei dem "alt aufgestellten" Voggenhuber wusste man immer, wo er stand. Er drehte sich nach keinem Wind und stand zu seinen Überzeugungen, so umstritten sie auch waren: Europabegeistert bis zur Haltlosigkeit, wenn es um das EU-Parlament und die Demokratisierung Europas ging; bissig und zynisch bis zur Untergriffigkeit, wenn es gegen die Regierungen der Mitgliedstaaten ging. Das war vorhersehbar - aber Grüne Wähler liebten ihn dafür.

Voggenhuber wurde 2004 mit einer Rekordzahl an Vorzugsstimmen bei der EU-Wahl bestätigt und zog inmitten der aufgeheizten Kampagne des Boulevards gegen die neue EU-Verfassung auch noch Wähler an sich, indem er die Verfassung gegen alle Anwürfe als besten Kompromiss verteidigte.

Längst war er in Brüssel mit dem EU-Verfassungskonvent und in Fragen der Bürgerrechte und der Justiz zum zum Experten geworden. Doch mit der inhaltlichen Versiertheit und der steigenden europäischen Verwurzelung wuchs auch die innerparteiliche Entfremdung von der Parteizentrale. Die Grünen Österreichs bewegten sich in eine neue Richtung: Von "links, intellektuell, radikal, urban" zu "hübsch, gescheit, für alle wählbar". Verkörperung des Trends: Eva Glawischnig.

Nichts für Voggenhuber, der die neue Richtung als zu seicht empfand und lauthals polternd die Entpolitisierung seiner Partei beklagte. Seine Ablehnung ließ er die Führungsriege in persönlichen Herablassungen und über Interviews betreffend falscher Parteitaktik immer wieder schmerzhaft fühlen.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Konflikt eskalieren würde. Die Gelegenheit fand sich in der Wahlnacht, als sich Altparteichef Van der Bellen und Glawischnig für den verlorenen Wahlkampf beklatschen ließen. Auf Van der Bellens "Das war mein bester Wahlkampf" bellte Voggenhuber ein fassungsloses "Da bleibt mir nur mehr der Mund offen". Gleich darauf opponierte er offen gegen Glawischnig, sie habe "den bisherigen Weg mitzuverantworten". Diese Feststellung war inhaltlich zwar richtig, für Voggenhubers politische Zukunft aber letal. Denn nun drehten sich die parteiinternen Räder eindeutig gegen ihn. Auch viele an der Parteibasis wollten von der EU-Verfassung und dem Widerspenstigen nichts mehr hören. Voggenhuber wurde am Sonntag von seiner Partei in die Wüste geschickt. Ulrike Lunacek tritt nun an seine Stelle: sympathisch, kompetent, einsatzfreudig. Ein Zugpferd im Wahlkampf aber? Die verbliebenen "Machos" in der Partei zweifeln daran. Was macht nun Voggenhuber selbst? Er schweigt - und die Grünen müssen zittern. Denn wehe, er wagt eine unabhängige Kandidatur bei der EU-Wahl. Die junge grüne Frauenpower könnte dann am Abend des 7. Juni wirklich alt aussehen.

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