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Die Verwaltungsreform

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Es ist wohl nicht mehr notwendig, das geradezu ungeheuerliche Anwachsen der Verwaltung und ihrer Kosten nachzuweisen. Nur wenige Beispiele sollen angeführt werden.

Das alte Großösterreich war ein wohlhabender Staat von 36 Millionen Einwohnern mit einem Budget (ohne Hofstaat, Wehrmacht und Bahnen) von 234 Milliarden und 1 5 8.000 Beamten in 14 Kronländern. Heute sind wir etwa ein Sechstel dieses Staates, unsere Wirtschaft ist noch schwach, aber das Budget soll siebeneinhalb Milliarden erreichen. Die Zahl der Beamten (ohne Bahnen) betrug in Großösterreich 158.000. Jetzt ist sie für das verbliebene Sechstel größer als für das ganze alte Österreich, nämlich 170.0 0 0.

Dazu kommen noch 90.000 Bahnbedienstete. Die Bahnen ergaben seinerzeit einen allerdings kleinen Reinertrag, jetzt sind sie mit mehr als 700 Millionen passiv. D i e St e ue r b e 1 a s t u n g einer Familie betrug einstmals im Durchschnitt 230 Schilling, jetzt 4 6 9 0 Schilling. Alle Menschen mit festem Einkommen, darunter die Beamten, sind trotz einigen Gehaltserhöhungen in der Kaufkraft ihrer Bezüge auf etwa ein Viertel gesunken. Bekanntlich verdient jetzt ein tüchtiger Eisendreher oder Holzarbeiter mehr als ein Landesgerichtsrat. Trotz diesem geringen Gehalte beträgt der Gesamtaufwand für die ungeheure Zahl der Staatsbeamten über 3 34 Milliarden. Das gleiche Bild wie nach dem ersten Weltkrieg. Diese Entwicklung beweist überzeugend, daß eine zielbewußte Neuordnung der Staatswirtschaft schon im Interesse der Staatsbeamten eine Lebensnotwendigkeit ist. Schließlich wollen wir noch anführen, daß in den anderen Ländern Europas auf je vier bis zehn Schaffende je ein Beamter entfällt. In unserem schwachen Staat sollen je zwei Schaffende einen Beamten erhalten. Wen dieser Vergleich nicht überzeugt, der dürfte überhaupt nicht zu überzeugen sein.

Die Aufgabe ist schwierig und nur mit tatkräftiger Mithilfe der Beamten selbst lösbar. Die wahre Schwierigkeit liegt aber keineswegs in der eigentlichen Verwaltungsreform, der Vereinfachung des Dienstbetriebes, der Gesetze und dergleichen. Hier kann von unüberwindlichen Aufgaben gar nicht die Rede sein. Schwierig ist es nur, die Fehler einer planlosen Personalwirtschaft der letzten Jahre ohne unerträgliche Härten gutzumachen. Die Lösung kann nur darin bestehen, daß unter Einsetzung aller verfügbaren Mittel der frei werdende Teil der Beamten umgeschult und in die schaffende Wirtschaft eingegliedert werden soll.

Nach den reichen Erfahrungen aus der Zeit nach dem ersten Weltkrieg ist es allerdings fast unbegreiflich, wie man derartige Fehler der Personalwirtschaft neuerlich begehen konnte. Die Erkenntnis unserer Lage ist vielleicht derzeit noch nicht ausreichend verbreitet. Man hofft noch, daß irgendein Wunder der Währung Rettung bringen werde, aber es gibt in den Fragen des Staatshaushalts keine Wunder, sondern nur die strengen Grundsätze richtiger Berechnung, die eine strikte Ordnung des Staatshaushalts verlangen. Wir hören oft die Ansicht, wir müssen vorläufig die Gesetze, die Arbeit der Ämter vermindern, erst dann sei es möglich, den wirtschaftlichen Erfolg zu erreichen. Das Ergbnis eines solchen Plans würde wohl kein Sterblicher erleben. Er wäre auch sachlich ganz unrichtig. Zahlreiche Aufgaben können ohne nennenswerte Vorarbeiten sofort durchgeführt werden. Wir hatten 1937 ein Kanzleramt und sechs Ministerien, jetzt sind es zwölf, was die Arbeit nicht beschleunigt, sondern erschwert und verzögert. Um hier Ordnung zu schaffen, bedarf es keiner umständlichen Überlegungen, sondern nur ernsten Willens. Der Zustimmung von Volk und Wirtschaft kann man sicher sein.

Sich ausführlich über die Gesetzgebung zu äußern, ist überflüssig. Die Stimme des Volkes hat den Stab über sie gebrochen. Aus den frei werdenden Kräften sind die Tüchtigsten mit der Aufgabe zu betrauen, zum Teil unverständliche, sich widersprechende Normen zusammenzufassen, einen großen Teil gänzlich verschwinden zu lassen. Die Frist zur Fertigstellung ist festzulegen.

Nach den bisher gemachten Erfahrungen möchte man vielleicht glauben, eine solche Verwaltungsreform sei undurchführbar. Überzeugender als alle Abhandlungen sind einige Beispiele richtiger Verwaltungsreform, die in vergangenen Jahren mit bestem Erfolg durchgeführt wurden. Dahin gehört die Einführung des weltberühmten österreichischen Zivilprozesses, den Franz Klein ungeachtet leidenschaftlicher Widerstände durchgeführt hat. Ein weiteres Beispiel ist der Sanierungsplan des Jahres 1924, der uns aus dem Zusammenbruch gerettet hat. Auch diesmal müssen wir uns dazu entschließen, die grundlegenden Erkenntnisse der Wirtschaft nicht nur zuzugeben, sondern sie auch durchzuführen. Das Ergebnis dieses Mangels an Entschlußfähigkeit soll in der folgenden Übersicht überzeugend veranschaulicht werden:

Alle Erfahrungen der letzten Jahrzehnte sprechen überzeugend dafür, daß für unseren kleinen Staat nur eine entsprechend kleine Verwaltung tragbar ist. Wir müssen unbedingt mit einem Höchststand von 10 0.0 00 Beamten der Verwaltung und 50.000 Kräften bei den Bahnen das Auslangen finden. Diese Grenzen hat im Jahr 1924 der Kommissär des Völkerbundes berechnet und durchgeführt. Nach dieser Entlastung hat sich unsere Wirtschaft überraschend schnell aufgerichtet und wir waren mit einem Schlag ein wohlhabender, lebensfähiger Staat.

Unsere Volkswirtschaft erfordert zur Durchführung des ganzen Geschäftsverkehrs einen Notenumlauf von 1 Milliarde Schilling. Die angeführten Zahlen sind ebenso zuverlässig wie das Einmaleins. Wenn man glaubt, sich über diese Grundgesetze unserer Wirtschäft hinwegsetzen zu können, weil politische, parteimäßige Gründe dies „unbedingt erfordern”, dann wird der Staat auch ohne Rücksicht auf das Einmaleins seiner Wirtschaft vielleicht andere Wege gehen. Aber ganz zweifellos wird er bald sehen, daß er die Staats- und Volkswirtschaft dabei zugrunde richtet. Im Jahr 1932 haben wir diese Personal- und Aufwandsgrenzen nur um 10.000 Beamte und 400 Millionen Schilling jährlich überschritten, aber bald mußten wir sehen, daß die Folgen untragbar waren. Wir mußten mitten im Budgetjahr ein neues „Sparbudget” aufstellen, um notdürftige Ordnung zu schaffen.

Jetzt haben wir im Staat und seinen Betrieben zweifellos um 110.000 Angestellte zuviel, der Notenumlauf dieser recht schwachen Wirtschaft beträgt nicht 1 Milliarde, sondern 6 Milliarden. Schon ein Mindestmaß von Einsicht sagt uns, daß dieser Staatshaushalt ganz unmöglich ist, daß er uns alle bedroht. Die obige Tabelle zeigt, wohin wir jetzt bereits gekommen sind.

Kann wirklich irgend jemand, kann unsere Finanzverwaltung glauben, daß in unserer kleinen und schwachen Wirtschaft jeder Staatsbürger in Vielfaches an Steuerntragen kann als in den reichsten Staaten der Welt? Die Antwort ist wieder ebenso klar wie das Einmaleins. Diese Belastung ist unmöglich, auch beim besten Willen aller arbeitenden und schaffenden Kräfte. Wer diese einfachste Erkenntnis nicht wahrhaben will, wer ein über das Maß des möglichen hinausgehendes Budget durchführen will, wird bald sehen, daß dies unmöglich ist. Daran würde auch der Druck von weiteren Banknoten nichts ändern.

Es ist. vollkommen unrichtig, wenn man behauptet, zielbewußte Reformen seien aus irgendwelchen Gründen nicht durchführbar. Immer waren es die richtigen Männer, die auch in schwieriger Zeit den richtigen Weg gewiesen haben. Gegenwärtig stellen uns die Alliierten den Reichtum ihrer Güter zur Verfügung, um uns über die schwierige Gegenwart hinwegzuhelfen. Aber dies geht nicht ohne uns. Nun ist es unsere Aufgabe, unsere Pflicht, selbst einen zielbewußten Plan für unseren eigenen Aufbau zu schaffen. Was dieser Plan erzielen muß, ist für jeden Einsichtigen gegeben.

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