Die Wähler wollen belogen werden

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Eine Welle von politischen Wahrhaftigkeitsforderungen rollt durch die Medienwelt. Es sei an der Zeit, den Menschen die Wahrheit zu sagen. Sie sei ihnen zumutbar. Es gebe eine Nachfrage nach Wahrheit, auch wenn diese unerfreuliche Botschaften beinhalte. In manchen europäischen Wahlkämpfen seien sogar politische Sparbotschaften gut angekommen. Wenn man sich auf diesen Befund verlassen könnte, wäre es nur die Dummheit der Politiker, die nicht erkennen, wo ihre Chancen bei der Wählerschaft liegen. Aber kann man sich auf das Wahrhaftigkeitspostulat verlassen? Ein Gegenbeispiel ist die „Niessl-Strache-Welt“: Die Unsinnigkeit eines fortgeführten Bundeswehr-Einsatzes an einer nicht existierenden Grenze genügt, um ein paar Prozente an Wählerstimmen zu sichern.

Oder der neue „Linkskurs“ des Kanzlers: Dieselben Medien, die fordern, man müsse den Menschen endlich die Wahrheit sagen, können auf der nächsten Blattseite jenem politischen Geschick ihre Anerkennung nicht versagen, mit dem durch illusionäre Vorhaben und Versprechungen Mythen produziert werden; denn diese einen die eigene Partei und machen sie schlagkräftig. Pensionen sind sicher. Gesundheit ist kein Problem. Armut wird beseitigt. Die Banken und die Reichen werden alles zahlen. Keine Krise.

Jeder Taschenrechner würde genügen, die Märchen als solche zu erweisen. Es ist deshalb keine sichere Sache, ob die Menschen die Wahrheit wirklich hören wollen. Die ÖVP führt aus diesem Grunde einen Eiertanz auf: ein bisschen Wahrheit, klitzeklein, oder doch ein bisschen mehr, und dann wieder zurückrudern. Die SPÖ hat sich entschieden: Vergiss die Wahrheit. Alles wird besser.

Die Wähler wollen Wahrhaftigkeit? Konkrete Reaktionen verraten anderes: Die Menschen wollen belogen werden. Solange es geht. Bis zum Zusammenbruch – und auch noch darüber hinaus.

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