Die Zahlungsmoral verschlechtert sich

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Im ersten Halbjahr 1997 wurde der Kreditschutzverband von 1870 (KSV) beauftragt, im Inland ein Forderungsvolumen von 676 Millionen Schilling als Inkassodienst einzutreiben. Das ist eine Steigerung des Auftragsvolumens um rund neun Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr. Schon damals war das Jahresergebnis mit 1,5 Milliarden um sieben Prozent über dem des Jahres 1995 gelegen. Insgesamt wird somit ein Trend zur Verschlechterung der Zahlungsmoral in Österreich festgestellt. Auch die Öffentliche Hand trage durch schleppende Begleichung von Rechnungen zu dieser Entwicklung bei.

Den größten Brocken machen die Schulden Privater mit einem Anteil von 14 Prozent aus, dicht gefolgt von der Bauwirtschaft mit 12,5 Prozent (beide lagen schon 1996 an der Spitze). Schlechte Zahler sind heuer weiters die Bereiche Spiel/Sport/Musik/Freizeit und Transportmittel. Die beste Zahlungsmoral findet man in den Sektoren Bergbau/Energie, Papier/Druck/Verlagswesen, Foto/Optik und Geld/Versicherung.

Daß die Privaten sich mit dem Zahlen schwer tun, hängt vor allem mit zwei Erscheinungen zusammen: der Arbeitslosigkeit und den Scheidungen (siehe S. 15). Letztere stürzen viele Familie in einen Strudel von finanziellen Problemen.

"Unser Wirtschaftssystem ist mehr und mehr von der Gewährung von ,Krediten' gekennzeichnet," stellt Wolfgang Schwarz, Bereichsdirektor des KSV für Inkassodienste fest. Und: "Nicht immer sind aber Notfälle die Ursache für Zahlungsverzug. Manche Leute reizen da gezielt alle Möglichkeiten aus."

Vergleicht man die Zahlungsmoral der österreichischen Bundesländer, so fällt vor allem eine Zahl ins Auge: der massive Anstieg der Probleme in Kärnten. Er wird mit dem dort herrschenden Schwierigkeiten im Fremdenverkehr in Beziehung gebracht.

Ein internationaler Vergleich läßt erkennen, daß Österreich durchaus kein Ausreißer ist. Auch in anderen Ländern verschlechtert sich die Zahlungsmoral. Mehr als ein Viertel der Unternehmen müssen laut Bericht des "Europäischen Netzes für Klein- und Mittelbetriebe" mehr als 90 Tage auf ihr Geld warten.

Verzug hat System Daten über die durchschnittliche Außenstandsdauer von Forderungen zeigen, daß die Situation in Österreich mit 43 Tagen relativ günstig ist. Was die Zahlungsmoral anbelangt, gibt es in Europa ein Nord-Süd-Gefälle: In Italien, Griechenland oder Spanien läßt man sich sehr viel Zeit mit dem Zahlen. Finnland und Dänemark sind im Vergleich dazu vorbildlich.

Die EU-Kommission hält in einem Bericht fest, daß Zahlungsverzug keineswegs als konjunkturelles Phänomen anzusehen sei. Es lasse sich vielmehr feststellen, daß "viele Unternehmen die Überschreitung der Zahlungsfristen systematisch als Mittel der Finanzplanung einsetzen."

Die unterschiedlichen Praktiken der EU-Länder in diesem Bereich beeinträchtigen das Funktionieren des Binnenmarktes. Daher arbeitet die EU-Kommission an einer Richtlinie über "Zahlungsfristen im Handelsverkehr". In ihr sollen gesetzlich Verzugszinsen, die automatisch erhoben werden, und Kosten für die Eintreibung von Schulden durch Gebühren festgelegt werden. Ein Mindestmaß an Harmonisierung der Rechtsvorschriften wird angepeilt.

CG Aussenstandsdauer in Europa (Anzahl in Tagen, nach denen Rechnungen bezahlt werden) Italien 84 Griechenland 77 Spanien 73 Frankreich 64 Portugal 61 Irland 59 Luxemburg 56 Belgien 52 Großbritannien 50 Schweiz 50 Niederlande 46 Österreich 43 Deutschland 38 Schweden 37 Dänemark 35 Finnland 24 Quelle: Grant Thorton Int. European Business Surveys, KSV-W.u.F

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