Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Die Zeit stellt die Aufgabe
„Die Furche” stellt in loser Folge die katholischen Studentenorganisationen an den österreichischen Hochschulen vor. (Vgl. Nr. 2/1966: Erhard Mock: „Grundsätze, keine Teilziele! — Was ist der CV?”)
Wer sich mit den katholischen Akademikeror.ganisationen befaßt, ist zunächst geneigt zu fragen, ob deren Zahl nicht einer Zersplitterung gleichkommt, welche die Wirksamkeit eines einheitlichen gemeinsamen Vorgehens beeinträchtigt. Alle Organisationen katholischer Akademiker haben ja im wesentlichen ein Ziel: sie wollen die katholischen Grundsätze im akademischen Bereich verwirklichen. Bei genauer Betrachtung kommt man jedoch zum Ergebnis, daß die Vielfalt der Organisationen aus zwei Gründen gerechtfertigt ist: einmal durch die Individualität des Menschen selbst, und zum anderen dadurch, daß die Wege zur Erreichung des einen Zieles verschieden sein können. Eine Vielfalt von Organisationen kann die unterschiedlichen Interessen leichter berücksichtigen und daher auch einen weitaus größeren Personenkreis erfassen. Man wird daher auch hier sagen müssen: Einheit im Grundsätzlichen, Vielfalt in der
Form. Diese Erkenntnis hat sich schon durchgesetzt, als in der Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten katholischen Studentenverbindungen entstanden, die sich bald in drei großen Verbänden organisierten: im farbentragenden Cartellverband (CV, 1865), im nichtfärbentragenden Kar- tellverbamd (KV, 1866) und im Uni- tas-Verband (UV, 1855). Bis zum Jahre 1933 waren die nichtfarbentragenden katholischen Studentenverbindungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz in einem gemeinsamen Verband, dem KV, organisatorisch zusammengefaßt. Die politischen Ereignisse des Jahres 1933 in Deutschland führten am 26. Juli 1933 zur Gründung eines eigenen österreichischen Verbandes, des ÖKV, der am 23. Juni 1938 gemeinsam mit den übrigen katholischen studentischen Verbänden in Österreich verboten wurde. Damit war wohl die Organisation als solche zerschlagen, doch zeigte sich in den folgenden Jahren, daß die Idee des KV in seinen Mitgliedern lebendig geblieben war. Nach dem Kriegsende bedurfte es nur kurzer Zeit bis zur Wiedererstehung der im Jahre 1938 aufgelösten Verbindungen. Dazu kamen Neugründungen in Wien, Graz, Linz und Salzburg.
Eine Tradition lebt weiter
Im Rahmen der Union der österreichischen Akademiker ist der ÖKV hochschulpolitisch tätig und hat in den zwanzig Jahren seit dem Wiedererstehen Österreichs vor allem im Zentralausschuß der österreichischen Hochschülerschaft und in den Hauptausschüssen an den Universitäten Wien und Graz, aber auch an den anderen österreichischen Hochschulen, entscheidend mitgewirkt und in vielen Fällen die Vorsitzenden und Fachschaftsleiter gestellt. Angehörige des ÖKV haben bereits im Jahre 1945 einen wesentlichen Beitrag zur Aufnahme des Studien- betriebes an den Wiener und Grazer Hochschulen geleistet. Damit haben sie eine Tradition aus der Zeit vor 1938 wieder aufgenommen, wo der ÖKV in der Katholischen Studentenschaft führend tätig gewesen ist. In Wien waren es KVer, die maßgeblich daran teilhaitten, daß die Hochschulen im Jahre 1945 nicht unte? die kommissarische Verwaltung von Kommunisten gekommen sind. Seit der Zeit dieses kämpferischen Einsatzes für die Lehr- und Lemfrei- heit an unseren Hochschulen haben Angehörige des ÖKV immer eine maßgebliche Rolle im akademischen und studentischen Leben gespielt. Obwohl die Altherrenschaft des ÖKV zahlenmäßig an die anderer Verbände nicht heranreicht, ist der Prozentsatz der akademischen Lehrer in unserem Verband außergewöhnlich hoch. Siebzehnmal wurden Verbandsangehörige vom Professorenkollegium zu Rektoren und zwei- undvierzigmal zu Dekanen gewählt.
Wem heute Jugend anvertraut ist, der trägt Verantwortung im höchsten Maße. So sieht es der ÖKV als seine vorne hmliche Aufgabe an, dieser Jugend, die heute an den Hochschulen nur noch ein spezialisiertes Fachwissen vermittelt erhallten kann, möglichst zu einer universellen geistigen Bildung zu verhelfen. Der Verwirklichung dieser Aufgabe dienen Vorträge aus den verschiedensten Wissensgebieten und Diskus- sionsabende, auf welchen der junge Akademiker mit den aktuellen Problemen der Gegenwart konfrontiert wird. Hierbei wird auch besonderer Wert darauf gelegt, daß die aktiven Mitglieder sich in den Diskussionen selbst ein objektives Bild über die Probleme machen und lernen, sich ein eigenes Urteil aus dem Widerstreit der Meinungen zu erarbeiten.
Bekenntnis ist zuwenig!
Die in letzter Zeit auch von höchster kirchlicher Seite geforderte Teilnahme des Laien am kirchlichen Leben soll im Rahmen des Verbandes durch die Auseinandersetzung mit religiösen Problemen unserer Zeit besonders gefördert werden. Das bloße Bekenntnis zur Kirche genügt nicht; von jedem Mitglied wird die Verwirklichung der religiösen Forderungen in seinem eigenen Leben erwartet.
Für einen Angehörigen unseres Verbandes ist das Bekenntnis zu Österreich, zu seiner geschichtlichen Vergangenheit und zu seiner Aufgabe in der Gegenwart eine selbstverständliche Verpflichtung. 1965 wurde zum erstenmal ein österreichischer Nationalfeiertag am 26. Oktober gefeiert. Entsprechend der vorhin erwähnten Verpflichtung hat der Verband zu diesem Zeitpunkt für seine aktiven Mitglieder ein Symposion abgehalten, das Österreichs Stellung im europäischen Raum in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gewidmet war. Einen besonderen Platz in diesem Symposion nahm die brennende Frage Südtirol ein, eine ernste Verpflichtung für unseren Verband, dem Vorkämpfer für Südtirols Freiheit, wie Dr. Josef Noldin, Kanonikus Doktor Gamper und Msgr. Franz Kolb als Mitglieder angehören. Diese Veranstaltung dürfte klarer als eine lange Formulierung den Standort unseres Verbandes gegenüber Österreich bestimmen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!