Die Zukunft Kubas steht in den Sternen

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Nach dem Tod von Revolutionsführer Fidel Castro ist die Stimmung auf Kuba geteilt. Die große Frage lautet, ob der baldige US-Präsident Donald Trump die Annäherungspolitik seines Vorgängers Barack Obama wieder rückgängig machen wird. Eine Reportage aus Havanna.

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Nach dem Tod von Revolutionsführer Fidel Castro ist die Stimmung auf Kuba geteilt. Die große Frage lautet, ob der baldige US-Präsident Donald Trump die Annäherungspolitik seines Vorgängers Barack Obama wieder rückgängig machen wird. Eine Reportage aus Havanna.

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Stundenlang stand Julián Padrón in der sengenden Mittagssonne Havannas an, um dem verstorbenen Revolutionsführer Fidel Castro die letzte Ehre zu erweisen. "Es ist ein enormer Schmerz, den wir alle spüren. Fidel hat es verdient, dass wir hierher kommen. Das ganze Volk wird herkommen, um Abschied zu nehmen." Wie Padrón waren Hunderttausende Kubaner am Montag von den frühen Morgenstunden bis spät in die Nacht und auch am Dienstagvormittag noch an einem Schrein mit Blumengebinden, Ehrenabzeichen, einer Fotografie des Comandante en Jefe und einer Ehrenwache im monumentalen José-Martí-Denkmal auf der Plaza de la Revolución im Herzen Havannas vorbeidefiliert und hatten sich in die ausliegenden Kondolenzbücher eingetragen. Padrón ist seit einigen Jahren Rentner. Seitdem kümmert er sich vor allem um seinen geistig behinderten Sohn. Nur mühsam kann er seine Tränen zurückhalten: "Mit Fidel haben wir einen großen Staatsmann und Politiker verloren. Er war ein genialer Anführer, der ein halbes Jahrhundert lang dem Imperium der USA widerstanden hat."

Das Vermächtnis Fidels

In den Tagen nach Fidels Ableben am Abend des 25. November hatte sich eine ungewohnte, respektvolle Stille über die sonst so lebendigen Straßen der kubanischen Hauptstadt gelegt. Am Sonntag wurde Fidel auf dem Friedhof Santa Ifigenia in Santiago de Cuba, auf dem auch Nationalheld José Martí begraben liegt, in einer privaten Zeremonie beigesetzt.

Padrón betont das Vermächtnis Fidels: Kuba habe heute die höchste Lebenserwartung in Lateinamerika, es gebe weder Unterernährung noch Analphabetismus, jedes Kind gehe zur Schule. "Mein Sohn wird die ganze Woche über in einer Behinderteneinrichtung betreut. Kostenlos." Im Ausland war er zwar noch nie, weiß aber, dass sich dort viele keine Krankenversicherung leisten können und auch nicht jeder Zugang zu Bildung hat. Seinem anderen Sohn, der vor einigen Jahren nach Miami gegangen ist, gehe es schlecht, erzählt er. Streit mit der Frau, keinen Job, wenig Geld. "Ich habe ihm gesagt, er solle zurückkommen. Aber das will er nicht." morgen weg. So wie Rodolfo, Anfang 30, der sich seit ein paar Jahren mit Gelegenheitsjobs durchschlägt. Seinen richtigen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Auf die Frage, ob er auf der Plaza war, zeigt er ein spöttisches Lächeln und schüttelt den Kopf. "Fidel war Idealist, Raúl ist pragmatischer." Seit der Regierungsübernahme durch Raúl Castro 2008 verfolgt Kuba einen Kurs vorsichtiger wirtschaftlicher Öffnung. "In den letzten Jahren hat es Verbesserungen gegeben, etwa der Internetzugang in den Parks", sagt Rodolfo. Insgesamt gehe es aber viel zu langsam. "Die Veränderungen kommen vor allem Ausländern und Touristen, denen die Geld haben, zugute. Für die einfachen Kubaner hat sich nicht viel geändert."

US-Besuchsvisum abgelehnt

Drei von Rodolfos Geschwistern leben in den USA. Zweimal schon hat er einen Antrag auf ein Besuchsvisum gestellt, das immer abgelehnt wurde. Dabei will er gar nicht unbedingt dort bleiben. "Mir gefällt Kuba", sagt er. "Aber eine meiner Schwestern habe ich seit mehr als 15 Jahren nicht gesehen." Dann erzählt er, dass er hoffe, dass sich irgendwann Möglichkeiten ergeben, mit "ehrlicher" Arbeit Geld zu verdienen. Er hat mehrere Jahre auf Baustellen geschuftet - ein Knochenjob bei brütender Hitze -und umgerechnet 25 US-Dollar im Monat verdient. Später arbeitete er in einer privaten Hamburger-Braterei. Dort kassierte er umgerechnet 10 US-Dollar - am Tag. Zwei Tage Arbeit, dann zwei Tage frei, usw. Lange durchgehalten hat er nicht. Wegen der Transportsituation, wie er meint. Entweder habe er nach einem 12-Stunden-Tag stundenlang auf den Bus warten müssen oder viel Geld für ein teures Sammeltaxi ausgeben müssen.

Und was erwartet er von US-Präsidenten Trump? "Ich hoffe nicht, dass er die Annäherung zwischen Kuba und den USA beendet. Aber zuzutrauen ist ihm alles. Andererseits ist er Geschäftsmann ... Und auf Kuba könnten die US-Amerikaner gute Geschäfte machen." Überzeugt klingt er nicht.

Noch ist unklar, ob Trump die von Vorgänger Obama betriebene Annäherung an Kuba rückgängig macht. Die ersten Signale sind widersprüchlich. Im Vorwahlkampf hatte Trump sich von seinen Parteirivalen abgesetzt, indem er wie Obama die US-Blockadepolitik für gescheitert erklärte. Er bemängelte aber, dass dieser Havanna zu wenig abverlangt habe. Erst zum Ende des Wahlkampfes, beim Werben um konservative Wähler in Florida, erweckte Trump den Eindruck, er werde Obamas Politik zurücknehmen. Mit Mauricio Claver-Carone hat er einen harten Kritiker des Annäherungskurses in sein Transitionsteam aufgenommen.

Zwar kann Trump den vor allem auf präsidialen Exekutivvollmachten beruhenden Annäherungskurs Obamas relativ einfach beenden, d. h. er benötigt dafür nicht den Kongress, er dürfte dabei aber auf Widerstand jener USamerikanischen Unternehmen stoßen, die nach Obamas Politikschwenk fest auf Geschäfte auf der Karibikinsel gesetzt haben. Vergangene Woche drohte Trump der kubanischen Regierung klarer als bisher, wieder eine härtere Linie zu fahren. Sofern Kuba nicht bereit sei, "einen besseren Deal" einzugehen, werde er diesen aufkündigen, schrieb Trump auf Twitter. Reince Priebus, sein designierter Stabschef, hatte am Tag zuvor die Bereiche aufgezählt, in denen man Zugeständnisse erwarte: "Unterdrückung, Marktzugang, Religionsfreiheit, politische Gefangene". Wenig Zweifel besteht, dass der Ton der bilateralen Beziehungen unter Trump wieder konfrontativer wird. Mit seiner aggressiven Rhetorik inmitten der Trauerfeierlichkeiten zum Tod Fidels scheint der designierte US-Präsident sich in die Gruppe jener einzureihen, die meinen, mit Druck Veränderungen auf Kuba bewirken zu können. Mit dieser Politik aber sind zehn US-Präsidenten mehr als 50 Jahre lang gescheitert.

Profitiert von Castros Öffnung

Ligdana, die einen Teil ihrer Wohnung an Touristen vermietet, hofft, dass es nicht soweit kommt. Die Zimmer sind in hellen Pastellfarben gestrichen, an den Wänden viele Bilder. Als "Arbeiterin auf eigene Rechnung", wie Kubas Kleinunternehmer genannt werden, gehört die junge Frau zu jenen, die von Raúl Castros Öffnungskurs profitieren. Kubas Regierung hatte in den vergangenen Jahren die Wirtschaft für ausländisches Kapital geöffnet, den Staatssektor reduziert, den An- und Verkauf von Immobilien legalisiert, mehr Privatinitiative zugelassen. Hunderttausende haben sich seitdem selbständig gemacht.

"Es gibt viele Errungenschaften der Revolution, die es anzuerkennen gilt: unser Gesundheits-u nd Bildungssystem, die Sicherheit auf den Straßen. Aber es wurden eben auch viele Fehler begangen", sagt Ligdana. "Ohne Fidel, auch wenn er seit zehn Jahren nur noch im Hintergrund gewirkt hat, wird es Veränderungen geben. Ich glaube, Kuba wird sich weiter öffnen." Jetzt, wo Fidel Raúl nicht mehr über die Schulter schaue, wie sie hinzufügt. "Raúl wird 2018 abtreten, und die neue Generation hat nicht dieselbe Legitimation wie die historische Garde. Dann kommt die wirkliche Zäsur." Sie hofft, dass Raúl bis dahin weiter reformiert, aber viel hänge von den USA ab. "Wenn ich an Trump denke und was passieren kann, ist mir ein wenig mulmig", sagt Ligdana. Ihr Lächeln ist plötzlich verschwunden. "Er könnte alles, was Obama angestoßen hat, wieder zurücknehmen " Doch den Gedanken wischt sie schnell beiseite. Dann entschuldigt sie sich. Gleich treffen neue Gäste ein - ein Ehepaar aus den USA.

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