Die zweite Mondlandung

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Mit Barack Obamas Wahl zum 44. US-Präsidenten haben die Vereinigten Staaten an frühereErfolge angeschlossen, die Grenzen des für möglich Gehaltenen erneut überschritten.

Danke, Amerika! Danke fürs Möglichmachen, des von so vielen als unmöglich Gedachten. Danke den Kleinspendern, die gezeigt haben, dass ein Kandidat keine Millionäre braucht, wenn er Millionen Bürger auf seiner Seite hat. Danke für die riesige Wahlbeteiligung. Danke für das lange Anstehen vor den Wahllokalen. Danke fürs Springen über den Rassenschatten. Danke für Barack Obama als Wiedergutmachung für zweimal George W. Bush. Danke für das Aufmachen eines weit über Amerika hinaus offenstehenden Mondfensters. Danke für diese Chance auf Change!

"America, wenns ihr ma glaubads, wia ma euch vermissen kann …", sang Falco in den 80ern des vorigen Jahrhunderts. Wie recht er damit hatte, musste die Welt in den 00ern dieses Jahrhunderts erleben. Die USA haben in doppeltem Sinn gefehlt: Abgegangen sind sie bei der Durchsetzung der von ihnen einmal mit eingeführten internationalen Weltordnung - Stichwort: Internationaler Strafgerichtshof. Und vergangen haben sie sich an ihren eigenen rechtsstaatlichen Prinzipien - Stichwort: Guantánamo.

1974, 2008: "Der lange Alptraum ist vorbei!"

Mit den Worten: "Der lange Alptraum ist vorbei!" hat Gerald Ford einst das Präsidentenamt von seinem über den Watergate-Skandal gestürzten Vorgänger Richard Nixon übernommen. Obama wird sich hüten, eine derart harsche Kritik zu üben, wo er gerade beginnt, das rote und das blaue, das weiße und das schwarze Amerika zu versöhnen. Dennoch wird in den USA und mit den selben Mehrheitsverhältnissen in der Welt Obamas Wahl mit einem Stoßseufzer der Erleichterung kommentiert: "Vorbei, endlich!"

Was nicht heißt, dass auf den Bush-Alptraum automatisch der Obama-Traum folgt. Der berechtigte Einwand, dass ein US-Präsident Obama nicht alles anders, besser machen kann und wird als sein Vorgänger, ist selbst bei den eingefleischtesten Obama-Anhängern angekommen. Trotzdem gibt es gute Gründe, sich mit Obama von der zynischen, aber leider oft wahren Vorstellung zu trennen, dass US-Demokraten nur besser angezogene US-Republikaner sind. Obama ist nicht nur fesch. Obama ist in jeder Hinsicht die bessere Wahl, als es die republikanische Alternative je hätte sein können. Und das liegt nicht an den Schwächen John McCains. Obama ist schlichtweg das größte politische Talent dieser Zeit.

Übertrieben? Mitnichten! Obama meisterte das härteste politische Auswahlverfahren der Welt mit Bravour. Legion waren die Vorbehalte, die man gegen ihn vorbrachte: zu jung, zu intellektuell, zu unerfahren, zu schwarz, zu wenig schwarz, zu viel Rhetorik, kaum Expertise, zu viel Blabla, zu wenig Programm … Doch keines dieser Vorurteile ließ sich in den 20 Monaten Wahlkampf zu einem Urteil verhärten. Obama verbrauchte sich nicht im Kampf mit Hillary Clinton, noch erwischte ihn die Finanzkrise am falschen Fuß. Im Gegenteil, je länger der Wahlkampf dauerte, umso mehr konnte er seine größten Stärken ausspielen: innehalten, sich beraten lassen, nachdenken, entscheiden.

Der bessere "mitfühlende Konservative"

"Obamas Geniestreich in diesem Wahlkampf war", schreibt Jurek Martin, der frühere Washington-Büro-Chef der Financial Times, "fast niemanden bedroht zu haben, der sich nicht schon durch seine bloße Existenz bedroht gefühlt hat." Stimmt, anstatt sich in die "Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann"-Ecke treiben zu lassen, ist Obama in Guter Hirte- Manier den verlorenen demokratischen Schafen nachgegangen. Vom politischen Gegner hat sich Obama zudem den "mitfühlenden Konservativismus" geklaut und als ehemaliger Sozialarbeiter wesentlich glaubhafter vermittelt als alle republikanischen Berufssöhne mit "friends in high places" zusammen.

Das gibt Zuversicht, denn "Wahlkämpfen und Regieren, sind zwar unterschiedliche Dinge", schreibt Jurek Martin, "aber beides ist nicht von unterschiedlichen Planeten." Und Obama ist ganz gewiss nicht von einem anderen Stern. Auch wenn er sich mit seinem Wahlsieg in eine Reihe mit Mondlegende Neil Armstrong gestellt hat. Wobei die Größe des Obama-Schritts für die Menschheit in den nächsten vier Jahren vermessen wird.

wolfgang.machreich@furche.at

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