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Diese Pseudo-Landesverteidigung hat keine Zukunft

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Darf das Bundesheer am Ring paradieren? Die Debatte über diese Frage warf ein grelles Licht auf Österreichs Haltung zur Landesverteidigung.

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Darf das Bundesheer am Ring paradieren? Die Debatte über diese Frage warf ein grelles Licht auf Österreichs Haltung zur Landesverteidigung.

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Ehrlich - kann man sich Argumente, wie sie da zu hören waren, anderswo vorstellen? Nein, was da an Argumenten zu hören war, wirft wirklich die grundsätzliche Frage auf: Will sich Österreich überhaupt nach außen verteidigen?

Als Sohn eines Offiziers und später als mäßig motivierter Beserveoffizier habe ich die 40 Jahre Bundesheer einigermaßen aus der Nähe miterlebt: Welche Doppelbödigkeit! Große Worte bei Angelobungen oder anderen feierlichen Anlässen und konsequenter Mangel an politischer Bereitschaft, etwas in die Landesverteidigung zu investieren. Erfolgreich wird seit Jahrzehnten unter den Industrieländern der letzte Platz bei den Budgetaufwendungen für das Heer verteidigt. Generationen von Soldaten,

Offizieren und Unteroffizieren wurden frustriert, von einer Beform zur nächsten vertröstet. Jungen lauten wird zugemutet, acht Monate - ja vielleicht einmal sogar ihr Leben -für ein Anliegen einzusetzen, das die Entscheidungsträger ganz offensichtlich nicht ernstnehmen.

Ich denke, daß 40 Jahre Spiegelfechtereien genug sind. Daher noch einmal die Frage: Will sich Österreich überhaupt verteidigen?

Möglicherweise ergeben Überlegungen, daß wir als Gemeinschaft gar keine Ideale haben, für die es sich lohnen würde, das Leben einzusetzen. Was sollte uns zur Verteidigung Österreichs bewegen?

Bei häherer Betrachtung erkennt man, daß vieles, was in der Theorie hochgehalten wird, im Alltag längst unter die Räder kommt. Etwa die Freiheit: Wir bauen an einer Welt, in der die Sachzwänge enorm zunehmen. Gesetze und Verordnungen -von Jahr zu Jahr zahlreicher - regulieren immer mehr Bereiche oft bis in kleinste Details.

Oder die Solidarität: Das Sparpaket ist nur eines der Zeichen dafür, daß wir mitten in einem Abbau sozialer Verantwortung stehen. Gleiches signalisiert der Verlust an Zivilcourage: „Was warst du so dumm, dich einzumischen?”, bekam ein Freund zur Antwort als er einem von Bandalie-rern Bedrängten zur Hilfe kam und dabei selbst Prügel bezog. Auch die steigenden Scheidungsziffern sind kein Hinweis auf größere Solidarität.

Wir halten uns viel auf unsere Lebensqualität zugute, bauen aber an einer Arbeitswelt, die einige immer mehr verheizt und andere ganz ausbootet. Ja, selbst mit dem Wert des Lebens wird Schindluder getrieben: Soll man für ein Land, das in Friedenszeiten Hunderttausende Kinder am Gewissen hat, weil es gelangweilt zur Kenntnis nimmt, daß man sie ungeboren tötet, das eigene Leben im Falle der Bedrohung von außen einsetzen? Ist eine solche Todeszone ver-teidigenswert?

Ich hege den Verdacht, daß die mangelnde Verteidigungsbereitschaft unbewußt auf all das zurückzuführen ist. Für ein hohes Konsumniveau setzt niemand sein Leben aufs Spiel. Andere Länder haben dasselbe Problem - wenn auch weniger ausgeprägt. Auch dort ruft man nach dem Berufsheer, den Profis, die man sich für die eigene Sicherheit hält. Sie kosten allerdings viel Geld ...

So verständlich Österreichs Option des Leisetretens ist, so gefährlich dürfte sie allerdings auch sein. Die Zukunftsforscher sagen jedenfalls auch dem reichen Westen ein stärker bedrohtes Umfeld voraus. Im 21. Jahrhundert werde es eine wachsende Zahl terroristischer, von religiösem Eifer oder vom Nationalismus angetriebener Bewegungen geben. Mittel der Massenzerstörung stünden heute schon weitverbreitet zur Verfügung. Organisiertes Verbrechertum und Terrorismus beginnen zu kooperieren.

Über all diese Fragen wäre ernsthaft zu debattieren, um gemeinsam eine vertretbare Linie zu finden.

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