Dörfer der Hoffnung in Madagaskar

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31. Jänner 1999: Weltlepratag. Verstümmelt, verachtet, verstoßen, hoffen weltweit Millionen von Leprakranken auf Hilfe. Zurecht, denn Lepra ist heilbar, wie auch die folgenden Beispiele aus Madagaskar zeigen.

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31. Jänner 1999: Weltlepratag. Verstümmelt, verachtet, verstoßen, hoffen weltweit Millionen von Leprakranken auf Hilfe. Zurecht, denn Lepra ist heilbar, wie auch die folgenden Beispiele aus Madagaskar zeigen.

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Madagaskar, die rote Insel, ist krank. Noch immer leben hier Tausende Leprakranke. Von dem großen Vorhaben der Weltgesundheitsorganisation, die Lepra bis zum Jahr 2000 auszurotten, ist man in Madagaskar noch weit entfernt.

Seit 1987 arbeitet der oberösterreichische Kamillianerpater Engelbert Gruber im Süden Madagaskars. Ihm ist die Leprastation Ilena anvertraut. Das kleine Dorf liegt sieben Kilometer südlich der zweitgrößten Stadt des Landes, Fianarantsoa. Vielleicht ist manchem der Name noch vom Motto des Weltlepratags 1989 bekannt: Ilena - das Dorf der Hoffnung. Damals entdeckten viele Österreicher ihr Herz für die Leprakranken Madagaskars.

Inzwischen hat der madegassische Staat das Lepradorf den Kamillianern ganz übergeben. Sie sind nun nicht nur für die Krankenpflege und -seelsorge zuständig, sondern auch für das wirtschaftliche Fortkommen der rund 250 Einwohner. Der Anbau von Mais, Zuckerrohr, Erdnüssen und verschiedenen Gemüsearten bildet die Existenzgrundlage. 1990 wurde eine neue Wasserleitung installiert; seitdem ist der Brunnen das Herz des Dorfes und spendet gesundes Wasser - die wichtigste Maßnahme zur Bekämpfung von Krankheiten, einschließlich der Lepra.

Mittelpunkt des Dorfgeschehens ist das Büro des 49jährigen Kamillianerpaters. Nicht nur er ist hier anzutreffen, sondern auch eine von den Kamillianern angestellte Krankenschwester. Sie behandelt die Leprakranken, wäscht und verbindet ihre verstümmelten Hände und Füße und sorgt dafür, daß sie regelmäßig ihre Medikamente bekommen. Ilena hat Aufnahme in den nationalen Leprabekämpfungsplan gefunden.

Ziel ist es, Neuerkrankungen zu verhindern und bereits Geheilte zu resozialisieren. Das heißt, sie wieder in ihr Dorf und in ihre Familie zurückzuführen, wo sie, so gut es geht, ihren Beitrag zum Lebensunterhalt leisten. Auch die Schule in Ilena will die Kinder der Leprakranken, die man früher den Eltern einfach weggenommen hatte, auf das Leben außerhalb der schützenden Dorfmauern vorbereiten.

Eher bedrückend ist hingegen die Situation der alten Menschen, die schwer von ihrer Krankheit gezeichnet sind. Sie trauen sich oft schon seit Jahren nicht mehr aus ihren Häusern. P. Engelbert versucht ihnen seelsorglichen Trost zu spenden, getreu der Weisung seines Ordensvaters Kamillus (1550-1614), der Krankenpflege und Krankenseelsorge verbunden wissen wollte.

Eine Tagesreise von Ilena entfernt, liegt Isifotra. Auf der Landkarte wird man es kaum finden. In Österreich würde Isifotra einen höheren Bekanntheitsgrad verdienen. Das ist das Verdienst von Elisabeth und Enzo Caruso, die seit Anfang 1997 hier arbeiten. Die beiden Krankenpfleger aus Wien haben sich den Kamillianern angeschlossen und bereits in einer Leprastation im westafrikanischen Benin gearbeitet.

Ihre große Liebe zu den Kranken hat sie jetzt dorthin geführt, wo es keinen Arzt und keine Krankenschwester gab: in das 700 Seelen zählende Dorf Isifotra. Die Menschen, ursprünglich Nomaden, leben in einfachsten grasgedeckten Lehmhütten. Hier, am "Ende der Welt", gibt es weder Strom noch so moderne Errungenschaften wie Fernsehen und Telephon.

Das Leben in dieser kargen Gegend ist alles andere als eine Idylle. Regelmäßig zerstören Wirbelstürme die wenigen Reisfelder. Den Rest vernichten Heuschrecken, die in riesigen Schwärmen über das Land herfallen. Hunger und Mangelernährung sind zu treuen Begleitern der Menschen geworden. In ihrer Not graben sie nach Wurzeln, um sich von ihnen zu ernähren.

Hilflos sind sie den Krankheiten ausgeliefert, die gleich den Heuschrecken über sie herfallen: Malaria, Bilharziose, Amöbiase, Lungen- und Wurmerkrankungen. Am schlimmsten aber ist die Lepra. Nicht weniger als 175 Leprafälle haben die beiden Krankenpfleger aus Wien in den zwei Jahren neu entdeckt, und das bei Menschen, die völlig ahnungslos waren, daß sie den gefährlichen Krankheitskeim längst in sich trugen.

Bei einer Visite im kleinen Gebirgsdorf Lovolo Anfang November 1998 zum Beispiel waren es allein sechzehn an einem einzigen Tag. Sie haben Glück, denn dank der Medikamente, die von Wohltätern aus Österreich finanziert werden, bleibt ihnen ein grausames Schicksal erspart.

In nur zwei Jahren haben Elisabeth und Enzo Caruso ein ganzes Gesundheitsnetz aufgebaut. Begonnen hat es mit einem Dispensarium, einer einfachen Krankenstation mit Medikamentenausgabe. Der Zulauf ist immens, manche Kranke sind drei bis vier Tage unterwegs. Da immer mehr mit ansteckenden Krankheiten kamen, erwies sich der Bau einer eigenen Isolierstation für Lepra- und Tbc-Kranke als notwendig. Lungen-Tuberkulose und Lepra, beide gelten als "Geschwister der Armut", und gerade die Tbc ist in erschreckendem Vormarsch.

Ihren Dienst im Dispensarium beginnen Elisabeth und Enzo mit einem Gebet. Bei den Menschen findet das großen Anklang. Heil und Heilung gehören für sie zusammen. Nachmittags stehen Hausbesuche auf dem Programm. Dabei geht es um Fragen der Gesundheitserziehung, Hygiene und gesunden Ernährung. Am Nachmittag findet auch der Katechismusunterricht statt. Das Christentum stößt auf großes Interesse. Die Zahl der Taufbewerber nimmt von Tag zu Tag zu. Die ersten vier Taufen im Dorf gab es am vergangenen Osterfest.

Das Aufgabenfeld in Isifotra scheint unermeßlich. Ein Brunnen mit sauberem Trinkwasser wurde gegraben. Mühselig mußte der zum Betonieren notwendige Schotter aus großen Steinen geschlagen werden. Da der vom Staat angestellte Lehrer kaum Unterricht hält, haben Enzo und Elisabeth privat drei Lehrer engagiert, die die 145 Schüler unterrichten.

Um die Lebenschancen im Dorf nachhaltig zu verbessern, wurden fünf junge Männer in die nächstgrößere Stadt geschickt. Sie erhalten dort eine Grundausbildung in Landwirtschaft, Viehzucht und in Handwerken wie Tischlerei, Schlosserei und Kraftfahrzeugmechanik. Auch dieses Projekt wird vom Gesundheitsdienst der Kamillianer getragen.

Lepra - eine Krankheit der Armut Leprahilfe heute heißt nicht mehr nur Wunden zu verbinden. Sie muß ansetzen an einer Verbesserung der Lebensbedingungen der armen und unterprivilegierten Menschen in der Dritten Welt. Lepra ist eine Krankheit der Armut. Sie gedeiht am besten dort, wo es den Menschen schlecht geht: Hunger, Mangelernährung, verschmutztes Trinkwasser sind der ideale Nährboden, in Madagaskar wie in allen armen Ländern der Welt.

Leprahilfe heißt auch, durch Früherkennung zu verhindern, daß die gefürchtete Krankheit überhaupt zum Ausbruch kommt. Und Leprahilfe bedeutet vor allem Resozialisierung, das heißt, den Geheilten wieder ein Leben in Würde zu ermöglichen in einer Gesellschaft, die sie nicht aussetzt, sondern aufnimmt.

Der Krankenpflegeorden der Kamillianer kämpft weltweit gegen die Lepra, zum Beispiel in Ilena und in Isifotra. Er bringt Hilfe in vielfältiger Form, wobei insbesondere folgendes dringend benötigt wird: * Medikamente und Verbandmaterial. Die Heilung eines Leprakranken kostet bis zu 2.000 Schilling. Jeder Schilling trägt zur Heilung vieler bei.

* Prothesen und Schuhwerk. Eine Prothese kostet 500 Schilling, ein Rollstuhl bis zu 5.000 Schilling.

* Finanzierung einer Informationskampagne über Hygiene und gesunde Ernährung. Nur durch eine Verbesserung der Lebensbedingungen kann die Lepra besiegt werden.

Spendenkonten PSK Wien 2482.200, BLZ 60000 Raiba Wien, Nr. 2.317.352, BLZ 32000 Schelhammer & Schattera Wien, Nr. 165.290, BLZ 19190 Kennwort Madagaskar Projektpartner in Madagaskar: P. Engelbert Gruber OSCam, Religieux Camilliens, B. P.1255, 301 Fianarantsoa, Madagaskar, Telefon: 00261-2075-511.69; Telefax: 515.16; E-Mail: camille@dts.mg.

Enzo und Elisabeth Caruso, E.C.A.R., B. P. 33, 313 Ihosy, Madagaskar

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