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DR. WILHELM SCHLIESSLEDER / SALZBURG

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Nach Beendigung des zweiten Weltkrieges sah sich die österreichische Caritas vor gewaltige und neue Aufgaben gestellt. Zunächst galt es, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Schon bald jedoch konnte daran gedacht werden, für verschiedene Probleme Dauerlösungen vorzubereiten. Insbesondere in den Diözesen Linz und Salzburg, wo sich die große Masse der Flüchtlinge und Evakuierten aus vom Krieg schwer heimgesuchten österreichischen Gebieten befanden, drängte sich die Notwendigkeit auf, Häuser und Wohnungen zu erstellen, um die außerordentliche Wohnungsnot mitbeseitigen zu helfen, durch welche die Grundlagen der Familie und des christlichen Lebens untergraben zu werden drohten.

Zunächst kam nur die Mithilfe bei Eigeninitiative in Frage. Am Beginn der kirchlichen Siedlungsarbeit steht daher die Unterstützung von Selbsthilfemaßnahmen, insbesondere aus den Reihen der Flüchtlinge, im Raum von Oberösterreich.

Mit ausländischer Finanzhilfe — vor allem Schweizer Europahilfe und der Ford-Foun-dation — wurden einzelnen Siedlern und später auch ganzen Siedlergruppen Initiativkredite gewährt. Auf diese Weise sind zunächst in Oberösterreich und Salzburg, dann auch in der Steiermark, also in den Hauptgebieten der Flüchtlingsnot, Hunderte von Einzelhäusern entstanden.

Schon von Anbeginn an war es klar, daß mit diesen Aktionen nur ein begrenzter Personenkreis erfaßt werden konnte und für die große Masse jener, die nicht am Bau ihres Hauses mitzuarbeiten in der Lage waren, andere Wege gesucht und gefunden werden mußten. Angesichts der Fülle der Aufgaben der Caritas, für die schließlich die Bei-atellung von Wohnraum nur eines unter vielen Problemen war, war auch eine wesentliche und ins Gewicht fallende finanzielle Unterstützung dieser Vorhaben auf, die Dauer nicht möglich. Auch aus dem Ausland flössen die Mittel, insgesamt betrachtet, doch nur sehr spärlich, weil von dort aus gesehen zunächst noch eine ganze Reihe von dringenderen Notständen zu beseitigen war. So entschloß sich auf Grund der bisherigen Erfahrungen die Caritas der Erzdiözese Salzburg im November 1951, eine Siedlungsgesellschaft mit beschränkter Haftung nach den Bestimmungen des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen zu gründen, um auch österreichische Mittel in Anspruch nehmen zu können.

Am 14. Jänner 1952 wurde diese Gesellschaft, die sich den Namen „Heimat Österreich“ gegeben hatte, in das Handelsregister in Salzburg eingetragen und damit funktionsfähig. Das Amt der Salzburger Landesregierung hatte der Gründung am 21. November 1951 die Gemeinnützigkeit zuerkannt, womit die notwendige Voraussetzung für ihre Tätigkeit auf dieser Basis gegeben war.

Als erste Aufgabe übernahm die Gesellschaft die Weiterführung eines vom Siedlungsreferat der Caritas Salzburg übernommenen kleinen Siedlungsvorhabens von zwölf Einfamilienhäusern in Eisbethen, wofür das Erzstift St. Peter einen Baugrund zu einem geringfügigen Anerkennungspreis zur Verfügung gestellt hatte. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug bei ihrer Gründung S 50.000.—. Schon im Frühjahr 1952 erhielt die Gesellschaft Bewilligungen aus dem Salzburger Landeswohnbauförderungsfonds, so daß die erste Erweiterung der Elsbethener Caritassiedlung auf achtzehn Häuser möglich wurde.

Auf der Caritasdirektorenkonferenz in Salzburg am 15. und 16. Oktober 1952 wurde das Tätigkeitsgebiet der „Heimat Österreich“ durch Beitritt der Caritasverbände Linz und Wien und der Diözese St. Pölten auch auf die Gebiete dieser Diözesen ausgedehnt, wobei der Zweigstelle in Oberösterreich die großen Erfahrungen, die das Siedlungsreferat der Caritas Linz in den ersten Nachkriegs jähren gewonnen hatte, zugute kamen.

Am Ende des ersten Geschäftsjahres standen dreiundreißig Wohneinheiten in Bau, und die Bilanzsumme betrug rund 1,2 Millionen Schilling. Die ganze Geschäftsführung bestand aus zwei Personen, die nur halbtägig für die Gesellschaft arbeiteten und auch dafür noch zum Teil von der Caritas besoldet wurden, die auch die Räumlichkeit und die Geschäftsausstattung zunächst kostenlos beistellte. Die Einnahmen im ersten Jahr wären selbstverständlich viel zu klein gewesen, um die Ausgaben zu decken. Dennoch erschien die Überschreitung der ersten Million bei der Bilanz den damaligen Freunden und Helfern der Gesellschaft schon ein sehr großer Erfolg. Am Ende des zweiten Geschäftsjahres waren bereits 40 Wohneinheiten fertiggestellt, 60 in Bau und 110 in Planung, mit deren allmählicher Verwirklichung aber in absehbarer Zeit gerechnet werden konnte. Die Bilanzsumme war auf rund 2,9 Millionen Schilling, also auf mehr als das Doppelte des ersten Jahres, angestiegen. Die Einnahmen aus der Bautätigkeit ermöglichten es, den sehr bescheidenen Personalstand zum erstenmal aus eigenen Mitteln zu tragen.

Im dritten Geschäftsjahr wirkte sich die nun anlaufende Tätigkeit in den anderen Diözesen durch eine sprunghafte Steigerung der Bilanzsumme auf über 11 Millionen Schilling aus. In den drei folgenden Jahren gelang es dann, jedes Jahr die Bilanzsumme auf fast das Doppelte der vorhergehenden zu steigern.

Erst das Jahr 1958 brachte dann einen ruhigeren Geschäftsverlauf, jedoch konnte auch in diesem und in den Folgejahren die Tätigkeit stets erheblich ausgeweitet werden, so daß mit Mitte des Jahres 1963 über zweitausend Wohnungen fertiggestellt beziehungsweise im Bau sind. Weitere rund tausend Wohnungen sind noch geplant. Die Bilanzsumme für das Jahr 1962 beträgt rund 240 Millionen Schilling, wobei zu berücksichtigen ist, daß achtzig Wohnungen beziehungsweise Einfamilienhäuser zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung bereits in das Eigentum der Interessenten übertragen waren und daher in den Büchern der Gesellschaft nicht mehr aufscheinen. Der Jahresumsatz 1962 betrug rund 150 Millionen Schilling und wird 1963 voraussichtlich diese Summe etwas übersteigen, während die Bilanzsumme 1963 durch weitere Eigentumsübertragungen an die Interessenten in gleicher Höhe bleiben, späterhin sogar absinken dürfte.

Selbstverständlich konnte die Gesellschaft in den Jahren ihres Bestehens nicht nur Erfolge aufweisen, sondern hatte auch eine Reihe von Rückschlägen hinzunehmen. Nicht alle Projekte konnten in der erwünschten Schnelligkeit durchgeführt werden, und einige geplante Anlagen werden aus örtlichen Gründen überhaupt nicht verwirklicht, teils — wie in der Steiermark —, weil seitens des Landes die notwendigen Mittel nicht zugeteilt werden, teils, weil sich inzwischen die Verhältnisse wesentlich geändert haben und daher Umplanungen erforderlich geworden sind.

In ihrem heutigen Umfang stellt die „Heimat Österreich“, auf Bundesebene gesehen, im Rahmen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft ein mittleres Unternehmen dar, dessen Größe der Geschäftsführung die not wendigen persönlichen Kontakte mit den Interessenten noch gestattet. Eine wesentliche Ausweitung der Gesellschaft über den heutigen Rahmen hinaus ist nicht mehr vorgesehen und angesichts der finanziellen Lage der verschiedenen Wohnbauförderungsfonds in nächster Zeit auch kaum zu erwarten oder auch nur möglich.

Der Zweck der Gründung lag ja nicht darin, ein Monsterunternehmen zu schaffen, sondern zu versuchen, im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden und durch Inanspruchnahme der für diesen Zweck bereitgestellten öffentlichen Gelder auch der Caritas die Möglichkeit zu bieten, in einem bescheidenen Rahmen das Ihre zur Bestreitung der Wohnungsnot beizutragen.

Viele der herangetragenen Wünsche konnten schon aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht erfüllt werden. Die „Heimat Österreich“ muß, um lebensfähig zu sein, streng nach kaufmännischen Gesichtspunkten geführt werden. Ebenso wie andere gemeinnützige Unternehmen muß die Gesellschaft kostendeckend arbeiten und kann nur insoweit über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus soziale Leistungen erbringen, als Ausgaben hiefür von dritter Seite vergütet werden, sei es durch kostenlose Beistellung von Baugrund, wie dies in der Diözese Linz geschehen ist, oder durch andere Unterstützungen und Zuwendungen aus inländischen und ausländischen Mitteln oder durch Einsatz des Bauordens, wie dies in den anderen Diözesen der Fall ist. Dabei wurde in keinem Falle auf die konfessionellen Grenzen geachtet.

Da sich die Gesellschaft gerade dem Gebiete der Selbsthilfeaktionen — welche die für den Siedler zwar günstigste, für ein gemeinnütziges Unternehmen jedoch schwierigste Art der Baudurchführung darstellt — gewidmet hat, waren die an die Gesellschaft herangetragenen Probleme auch entsprechend schwer und nur langwierig zu lösen.

Die „Heimat Österreich“ ist heute als eines der jüngsten Kinder der österreichischen Caritas ein sicher fundiertes Unternehmen, das bemüht ist, in seinem bescheidenen Rahmen den Ausgleich zwischen rein wirtschaftlichen Erwägungen und sozialen Anforderungen zu suchen. Wenn dies auch nur zum kleineren Teil in der erhofften und gedachten Weise gelingt und dem Wohnungswerber selbst auch in sozialen Fällen ein gutes Stück Leistung aufgebürdet wird, darf die Gesellschaft doch für sich in Anspruch nehmen, daß sie hunderten Familien, die vielfach sonst noch in Baracken oder Notunterkünften hausen müßten, ein eigenes Heim oder eine eigene Wohnung verschaffen konnte, welche ein Leben in Freiheit und Würde ermöglicht.

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