Drogenbarone sind die Präsidenten Afghanistans

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Hamid Karzai, den ohne Stichwahl im Amt bestätigten afghanischen Präsidenten, nennen die Taliban verächtlich den „Bürgermeister von Kabul“. Karzais Macht reicht auch tatsächlich nicht viel weiter als die Grenzen der Hauptstadt. Im großen Rest des Landes regieren Stammesfürsten und Taliban – alle Macht haben aber jene, die den Opiumhandel kontrollieren.

Kandahar – der Name steht hierzulande für ein traditionsreiches Schirennen und eine Schibindung von anno dazumal. In Afghanistan bezeichnet Kandahar eine Stadt und eine Provinz im Süden des Landes. Namensgeber des Schirennens ist ein englischer Heerführer im ausgehenden 19. Jahrhundert, dem nach seiner Rückkehr aus Afghanistan der Titel „Earl of Kandahar“ verliehen wurde. Der prominenteste Sohn Kandahars heute ist Hamid Karzai – nach der Absage der Stichwahl am kommenden Samstag der für eine dritte Amtszeit bestätigter Präsident Afghanistans.

Weniger bekannt, deswegen im realen Machtgefüge Afghanistans nicht weniger bedeutend ist jedoch Hamed Karzais Bruder Ahmed Wali Karzai. Offiziell ist er der Vorsitzende des Provinzrates von Kandahar und eine der wichtigsten Stimmen im einflussreichen Paschtunen-Stamm; inoffiziell soll er für den US-Geheimdienst CIA arbeiten und gleichzeitig an zentraler Stelle im Opiumhandel involviert sein.

Karzai dementiert und stellt sich selbst als Opfer von innenpolitischen Intrigen dar. Doch ihn belastende Gerüchte kursieren schon seit geraumer Zeit – bereits im Frühjahr dieses Jahres wurde gegenüber der FURCHE bei Interviews im NATO-Hauptquartier in Brüssel über die angeblichen Verwicklungen des Präsidentenbruders in den Drogenhandel geklagt. Im Sommer fanden britische Spezialtruppen mehrere Tonnen Rohopium in einem Karzai-Anwesen im Süden Kandahars. Vergangene Woche konkretisierte die New York Times die Vorwürfe und stellte sie in einen größeren Rahmen: Ahmed Wali Karzai stehe seit Jahren im Sold der CIA, heißt es dort, und unterstütze den Geheimdienst, eine paramilitärische Gruppe zu führen, die gegen Aufständische und Terroristen in und um die Talibanhochburg Kandahar operiert. Der Zeitung zufolge haben die Verbindungen der CIA zu Ahmed Wali Karzai zu einem scharfen Streit in der US-Regierung geführt. Die Praktiken der CIA deuten nämlich an, so die NY Times, dass die USA nicht alles in ihrer Macht Stehende tue, um den Drogenhandel in Afghanistan auszumerzen.

Schlafmohn-Bauern sind nicht mehr Feinde

Erst Ende Juni hatten die USA einen radikalen Wechsel in ihrer Drogenpolitik in Afghanistan angekündigt: Statt des bisherigen Vernichtungsfeldzugs gegen den Opiumanbau werde der künftige Schwerpunkt auf die Bekämpfung des Rauschgiftschmuggels und auf Anreize für die Bauern gelegt, andere Pflanzen anzubauen. Der US-Sondergesandte für Afghanistan, Richard Holbrooke, bezeichnete das bisherige Vernichtungsprogramm als eine Geldverschwendung, die afghanische Bauern in die Hände der Taliban treibt. Der Aufwand habe die Einnahmen der Taliban aus dem Rauschgifthandel nicht „um einen Dollar“ geschmälert. Holbrooke: „Die Bauern sind nicht unsere Feinde. Sie bauen nur etwas an, um damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“

Und die Anti-Drogenpolitik zeigt auch Erfolge: Im Vergleich zum Vorjahr ist die Menge des in Afghanistan angebauten Schlafmohns um 22 Prozent zurückgegangen, heißt es in einem aktuellen Bericht der in Wien ansässigen UN-Agentur für Drogen und Kriminalität (UNODC). Aber die Opiumproduktion ist trotzdem „nur“ um zehn Prozent gesunken. Denn die Bauern konnten ihre Effizienz steigern und mehr Rohstoff pro Blüte gewinnen. Auch dass knapp zwei Drittel (20 von 34) der afghanischen Provinzen inzwischen „mohnfrei“ sind, ändert nicht viel am Gesamtbild: Afghanistan bleibt unangefochtener Marktführer beim Opium-Anbau.

Und die Taliban in Afghanistan machen heute mehr Geld mit Drogen als noch vor zehn Jahren, als sie an der Macht waren. „Die direkte Beteiligung der Taliban am Opiumhandel erlaubt ihnen die Finanzierung einer technologisch immer komplexeren und weiter verbreiteten Kriegsmaschine“, sagt UNODC-Chef Antonio Maria Costa und fügt hinzu: „Manche Profiteure am Heroin-Handel tragen Anzüge und weiße Hemden, andere schwarze Turbane.“ Laut Costa ist die afghanisch-pakistanische Grenzregion zur „weltgrößten Freihandelszone für alles Illegale“ geworden, was nicht nur Drogen, sondern auch Waffen, Bombenequipment und Menschenschmuggel betrifft.

UNODC macht auf eine große Gefahr für die Zukunft aufmerksam: In Afghanistan wird mehr Opium produziert als weltweit konsumiert. Den Vorrat an afghanischem Opium schätzt man auf 12.000 Tonnen. UN-Drogenpolizist Costa verlangt deswegen, der „Zeitbombe von Opium-Vorräten“ stärkeres Augenmerk zu widmen. Denn die europäischen Opfer des Afghanistan-Kriegs beschränken sich nicht auf die dort Gefallenen. Die Anzahl an Menschen, die in NATO-Ländern an einer Heroin-Überdosis sterben, ist achtmal höher als die der NATO-Soldaten, die in den letzten acht Jahren ihr Leben in Afghanistan ließen.

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