Dschingis Kahns kapitale Erben

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Das Verhältnis Chinas zu seinem nördlichen Nachbarn ist geprägt von Eroberungen und Spannungen. Immer wichtiger werden dabei die Bodenschätze der Mongolei.

Mehr als ein Jahrhundert herrschten die Mongolen über China, nachdem Dschingis Khan vor 800 Jahren mit seinen Reiterhorden das größte Weltreich der Geschichte erobert hatte. Noch heute wird das Bildnis des Mongolenherrschers in jeder Jurte als Segensbringer verehrt. Sein Enkel Kublai Khan weitete die verhasste Mongolenherrschaft über ganz China aus und gründete die Yuan-Dynastie. Die große Mauer, die den Invasoren nicht standgehalten hatte, wurde nach dem Zerfall des Riesenreichs verstärkt und komplettiert. Später waren es die Chinesen, die die Mongolei unterjochten. Und nach der russischen Revolution fiel der rückständige Feudal- und Hirtenstaat in den Einflußbereich der Sowjets, die 1924 eine Volksrepublik installierten und diese 1936 mit einem Vertrag gegenseitiger Hilfe an sich banden. Breitspurbahn und kyrillische Schrift sind ein bleibendes Erbe jener Zeit. Zeugnisse der buddhistischen Kultur wurden vernichtet.

Kultur-Zerstörungen

Über 700 Klöster und Gebetsstätten fielen dem Säuberungsfuror zum Opfer, unersetzbare Zeugnisse der geistigen und materiellen Kultur der Mongolei gingen verloren, die Lamas litten Verfolgung. Als die Sowjetunion zerfiel, beeilten sich die Mongolen, die kapitalistische Wirtschaft einzuführen, Staatsbetriebe zu privatisieren und das Land für westliche Investitionen zu öffnen. Der Bergbausektor mit seinen erst ansatzweise erschlossenen gigantischen Vorräten an Eisen, Kupfer, Uran, Gold, Silber und anderen Metallen macht die Mongolei zu einem höchst attraktiven Partner. Auf Umweltstandards wurde bei der Ausbeutung im Tagebau wenig Wert gelegt. Mit Schwermetallen verseuchte Flüsse zeugen davon.

Eingezwängt zwischen den beiden Großmächten Russland und China hat der zweitgrößte Binnenstaat der Erde wenige Alternativen für seine politischen und wirtschaftlichen Allianzen. Besonders dynamisch entwickelten sich jetzt die Handelsbeziehungen zum Erbfeind im Süden, dessen wirtschaftliche Aufholjagd nach Ressourcen jeder Art verlangte. Die Tavan Tolgoi Mine beherbergt die weltweit größten Kohlevorräte, darunter mehr als eine Milliarde Tonnen Fettkohle mit besonders hohem Brennwert - der ideale Brennstoff für Chinas Stahlwerke. Heute gehen laut Daten der Weltbank über 90 Prozent der mongolischen Exporte nach China. Der Warenaustausch mit Russland beschränkt sich großteils auf regionalen Handel rund um die 3500 Kilometer lange gemeinsame Grenze. Selbst als Wladimir Putin der Mongolei 2003 elf Milliarden konvertible Rubel und damit praktisch die gesamten Schulden aus sowjetischer Zeit erließ, wollte sich keine Wiederannäherung einstellen, obwohl russische Konzerne an zahlreichen mongolischen Unternehmen beteiligt waren. Die Beziehungen litten zusätzlich, als Putin 2003 den Oligarchen Michail Chodorkowski verhaften und dessen Ölkonzern Yukos beschlagnahmen ließ. Yukos war der wichtigste Lieferant von Mineralölprodukten an die Mongolei gewesen.

In dem Maße, wie sie sich von Moskau abnabelte, machte sich die Mongolei von China abhängig. Chinas Rohstoffhunger und die liberale Konzessionspolitik machten die Mongolei 2011 mit 17,5 Prozent Wachstum zur am schnellsten wachsenden Wirtschaft der Welt. Der immer größere Einfluss Chinas dürfte aber auch den mongolischen Regierungsverantwortlichen unheimlich geworden sein. Als die Aluminium Corporation of China (Chalco) sich mittels einer 60-Prozent-Beteiligung an der mongolischen SouthGobi Resources die Kontrolle über 800 Millionen Tonnen Kohle sichern wollte, erließ das Parlament ein Gesetz, das "strategische Sektoren“ vor dem Ausverkauf schützt. Die Verhandlungen über Chalcos Beteiligung wurden suspendiert. Als alleiniger Abnehmer könne China den Preis für die Kohle diktieren und niedrig halten.

Chinas Geschäfte

Die im Herbst mit China geschlossenen Investitionsabkommen signalisieren Entspannung. Sie sehen einen größeren Ölförderdeal und bedeutende Investitionen in die Infrastruktur vor. Premier Norovyn Altankhuyag verspricht sich davon einen neuen Schub für das Wirtschaftswachstum, das 2012 auf knapp über 12 Prozent und im vergangenen Jahr auf vergleichsweise bescheidene elf Prozent gesunken war.

Auf der Vorhabensliste steht die Einrichtung drei zusätzlicher Grenzstationen, über die die Waren nach China transportiert werden können. Derzeit stauen sich die Lkws an einem einzigen Übergang. Überlegt wird sogar die Umstellung der von den Sowjets hinterlassenen Breitspurschienen auf die international gängige Normalspur, die um 85 Millimeter schmäler ist. Die Entscheidung sei noch nicht gefallen, erklärte Premier Altankhuyag vergangenen Oktober anlässlich der Unterzeichnung der Investitionsabkommen: "Das Grundsystem wird Breitspur bleiben. Es gibt noch keine Entscheidung, ob die Strecken zu den Grenzstationen umgestellt werden“. Im übrigen soll die Mongolei zum Transitland für den sino-russischen Warenaustausch werden. Eine mongolisch-chinesische Arbeitsgruppe ist mit der Errichtung der Transitinfrastruktur befasst, die bis 2015 fertig gestellt werden und aus einer Bahnlinie, einer neuen Straße und einer Pipeline bestehen soll.

Der Boom hat inzwischen auch die landwirtschaftliche Produktion erfasst und immer mehr Nomaden sesshaft werden lassen. Früher oder später könnte sich das negativ auf den blühenden Tourismus auswirken, da sich die meisten Besucher von der traditionellen Kultur, dem Schamanismus, der vor allem von den Nomaden gepflegt wird, und unberührten Landschaften angezogen fühlen.

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